Die Erschließung von Hinterliegergrundstücken

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Der Anspruch des Bauherren gegen seine Nachbarn zur Sicherung der Erschließung

Die zur Erteilung einer Baugenehmigung erforderliche rechtliche Sicherung der Erschließung ist bei so genannten Hinterlieger-Grundstücken problematisch. Als Hinterlieger-Grundstück bezeichnet man ein Grundstück, das nur über einen Stichweg mit der nächsten öffentlichen Straße verbunden ist, der über ein Grundstück führt, das andere Eigentümer als die Bauherren hat. Es ist nach den Landesbauordnungen grundsätzlich nicht ausreichend, dass die Erschließung für Zufahrt, Feuerwehrzufahrt und Medienanschlüsse des Hinterlieger-Grundstücks nur privatrechtlich durch Eintragung einer dinglichen Grunddienstbarkeit zu Gunsten des Baugrundstücks erfolgt. Daneben muss in allen Bundesländern eine öffentlich rechtliche Sicherung der Erschließung treten. Ansonsten hätten es die Beteiligten Privaten in der Hand die rein privatrechtlich gesicherte Erschließung z.B. durch Aufhebung der Grunddienstbarkeit wieder zu beseitigen, so dass nach Errichtung des Bauprojekts ein baurechtswidriger Zustand entstehen könnte . Diese öffentlich rechtliche Sicherung der Erschließung erfolgt in fast allen Bundesländern durch die Eintragung einer Baulast zugunsten der Baubehörde. Nur in Brandenburg und Bayern erfolgt sie durch die Eintragung einer beschränkten persönlichen Dienstbarkeit (Geh-, Fahr- Leitungs- und Feuerwehrzufahrtsrecht) zugunsten des Landkreises.

Die weitaus meisten Eigentümer von dienenden Grundstücken, über die das "hinter liegende" Baugrundstück mit der nächsten Straße verbunden wird, werden bereit sein die Eintragung dieser weiteren Belastung zu bewilligen, wenn es bereits ein privatrechtlich gesichertes Wegerecht gibt: ihr Grundstück wird durch die Eintragung der Baulast bzw. der beschränkten persönlichen Dienstbarkeit faktisch nicht weitergehend belastet, als dieses schon durch die privatrechtliche Sicherung der Fall ist. Allerdings gibt es natürlich immer wieder zerstrittene Nachbarn, die diese Erklärung nicht abgeben wollen, um so das Bauvorhaben zu verhindern. Für die Bauherren heißt das aber noch nicht endgültig, dass sie von diesem Abstand nehmen müssen. Zumindest dann, wenn es bereits eine eingetragene privatrechtliche Grunddienstbarkeit zugunsten des Baugrundstücks gibt, hat die Rspr. anerkannt, dass es unter Umständen einen Anspruch auf Bewilligung einer inhaltsgleichen Baulast geben kann (BGH NJW 89,1607; BGH WM 90,320; NJW-RR 92,1484; NJW 94, 2757; WM 95,165; BauR 2000,1856; OLG Karlsruhe, NVwZ 92,1021; LG Konstanz, NVwZ 92,1022; OLG Düsseldorf NJW-RR 99, 1539; LG Bochum BauR 2002,610; Serong BauR, 2004,433; Griowotz, BauR 90,20; Dehner Nachbarrecht Bd. II, B, § 30, Seite 4a bis 4b).

Keine der zitierten Entscheidungen stammt aus Bayern oder Brandenburg. Allerdings verfolgt die dort erforderliche öffentlich rechtliche Sicherung durch Eintragung einer beschränkten persönlichen Dienstbarkeit zugunsten des Landeskreises erklärtermaßen das gleiche Ziel, das in den anderen Bundesländern durch das Instrument der Baulast erreicht wird. Deshalb ist anzunehmen, dass die Gerichte in Brandenburg und Bayern die Grundsätze dieser Rspr. zur Baulast auch auf die dort erforderliche öffentlich rechtliche Sicherung der Erschließung durch Eintragung einer beschränkten persönlichen Dienstbarkeit zugunsten des Landeskreises entsprechend anwenden dürften.

Anspruchsgrundlagen

I.) Vertrag

Am einfachsten haben es die Bauherren, wenn bereits der schuldrechtliche Vertrag, auf dem die Erteilung der bestehenden Dienstbarkeit beruht, schriftlich festgehalten wurde und sich bereits aus diesem ableiten lässt, dass auch ein Anspruch auf Erteilung einer Baulast bzw. einer beschränkten persönlichen Dienstbarkeit besteht. So hat die Rspr. z.B. anerkannt, dass in dem Falle, dass ein Hinterliegergrundstück erst dadurch geschaffen wird, dass eine Teilfläche verkauft wird, den Verkäufer eine vertragliche Nebenpflicht aus dem Kaufvertrag treffen kann, die Zuwegung zu diesem Grundstück nicht nur durch die Eintragung eines Wegerechts zugunsten der verkauften Teilfläche privatrechtlich zu sichern, sondern zur Sicherung der öffentlich rechtlichen Erschließung auch eine entsprechende Baulast zu bewilligen ist (BGH NJW 94,2757).

II.) Begleitschuldverhältnis

Ohne eine schuldrechtliche Verpflichtung des Eigentümers des dienenden Grundstücks zur Bewilligung einer inhaltsgleichen Baulast ist der dogmatische Ausgangspunkt der Rspr. ein anderer: die bereits bestehende Grunddienstbarkeit begründet ein gesetzliches Begleitschuldverhältnis, aus dem sich eine Nebenpflicht zur Eintragung einer inhaltsgleichen Baulast bzw. einer beschränkten persönlichen Dienstbarkeit ergeben kann. Dafür stellt die Rspr. folgende Voraussetzungen auf:

1.) Deckungsgleichheit von Baulast und Grunddienstbarkeit

Die erste Voraussetzung ist, dass die Baulast bzw. die beschränkte persönliche Dienstbarkeit inhaltsgleich zu der bereits bestehenden Grunddienstbarkeit sein muss. Es ist allerdings nicht ganz eindeutig, welche Tatsachen die Gerichte unter dieses Tatbestandsmerkmal subsumieren. Mit Sicherheit bezieht es sich auf die Frage, ob diejenige Fläche des dienenden Grundstücks, die von Grunddienstbarkeit betroffen wird und diejenige Fläche, die von der Baulast betroffen werden wird, deckungsgleich sind. Teilweise finden sich in den Entscheidungen unter diesem Merkmal aber auch Erwägungen dazu, ob es durch die geplante Bebauung zu einer faktischen Mehrbelastung des dienenden Grundstücks kommt, ob also z.B. ein bestehender Weg intensiver befahren werden wird. Unklar ist aber, ob dieses Tatbestandsmerkmal auch sachlich in dem Sinne verstanden werden muss, dass z.B. ein eingetragenes Wegerecht selbst bei flächenmäßiger Deckungsgleichheit zwar einen Anspruch auf eine Baulast in Bezug auf das Wegerecht gewähren mag aber nicht in Bezug auf die Feuerwehrzufahrt.

2.) Interessenabwägung

Die nächste Voraussetzung ist eine sehr einzelfallorientierte Interessenabwägung zwischen dem Interesse des Bauherren als dem Inhabers einer beschränkten persönlichen Dienstbarkeit und dem des Eigentümer des dienenden Grundstücks als dem durch sie Belasteten. Im Rahmen dieser Abwägung berücksichtigen die Gerichte (BGH NJW 89,1607; BGH WM 90,320; NJW-RR 92,1484; NJW 94, 2757; WM 95,165; BauR 2000,1856; OLG Karlsruhe, NVwZ 92,1021; LG Konstanz, NVwZ 92,1022; OLG Düsseldorf NJW-RR 99, 1539; LG Bochum BauR 2002,610) folgende Punkte:

a) Was war der ursprüngliche Zweck der Bestellung der Dienstbarkeit? Zu dessen Ermittlung ist nicht nur auf die Eintragungsbewilligung sondern auch auf die jedermann erkennbaren tatsächlichen Umstände des Einzelfalles zum Zeitpunkt der Eintragung abzustellen (BHG NJW-RR 92, 1484),

b) Ist die Erteilung baurechtlich zwingend erforderlich oder kommt ggf. eine Befreiung durch die Baubehörde in Betracht?

c) Entsprechen Inhalt und Umfang der Baulast bereits der eingetragenen Dienstbarkeit?

d) Ausschluss falls Baulasterfordernis bzw. anderweitige öffentlich rechtliche Sicherung bereits bei Eintragung der Grunddienstbarkeit erkennbar ?

Streitig ist, ob dieser Abwägung dann zwangsläufig gegen den Bauherren ausfallen muss, wenn bereits zum Zeitpunkt der Eintragung der privatrechtlichen Dienstbarkeit feststand, das außer der privatrechtlichen Sicherung auch noch eine öffentlich rechtliche Sicherung durch die Eintragung einer Baulast erforderlich sein wird, um aus dem herrschenden Grundstück ein Baugrundstück zu machen. Das OLG Düsseldorf (NJW-RR, 99, 1539) verneint diese Voraussetzung.

Es ist der Ansicht, dass in dem Fall, das bereits bei Bestellung einer Grunddienstbarkeit das Erfordernis der Eintragung einer inhaltsgleichen Baulast vorhersehbar war, deren Eintragung meist nur aufgrund eines Versehens bei den Vertragsverhandlungen unterlassen worden sein wird und das nicht einsehrbar sei, warum dieses Versehen zwingend zu Lasten des Bauherren gehen solle (NJW-RR, 99, 1539[1541]).

Das OLG Karlsruhe vertritt die Gegenansicht (NVwZ 92,1021), was sich auch mit der herrschenden Meinung im Schrifttum deckt (Griowotz, BauR 90,20, [24]; Broß, Verwaltungsarchiv 94, 483 [491], Serong BauR, 2004,433 [438]), LG Bochum BauR 2002,610). Zur Begründung wird angeführt, dass in dieser Konstellation derjenige, der bereits eine privatrechtliche Dienstbarkeit bewilligt habe, in seinem Vertrauen darauf alles getan zu haben, wozu verpflichtet ist, schutzwürdiger sei als derjenige, der die Wahrung seiner eigenen Interessen in diesem Moment nachlässig betrieben habe (Broß aaO.). Der BGH hat diese Frage bislang offen gelassen (BGHZ 106,348[354]; WM 1990,320 [321]).

Schlussbemerkung

Die hier vorgestellten Ansprüche sind vor dem Zivilgericht geltend zu machen. Zusammenfassend kann gesagt werden, dass die Chancen für die Bauherren dann am besten stehen, wenn das bereits eingetragene Wegerecht noch aus einer Zeit stammt, als die Landesbauordnungen das Instrument der Baulast noch nicht einmal kannten. Die Chancen des Eigentümers des dienenden Grundstücks den Bau endgültig zu verhindern stehen dann gut, wenn aus der Eintragungsbewilligung der bereits eingetragenen Dienstbarkeit ersichtlich ist, dass diese auf den damaligen Zweck des zukünftigen Baugrundstücks beschränkt sein sollte, oder wenn es zu einer faktischen Mehrbelastung durch das Bauvorhaben kommen würde oder wenn bereits bei Eintragung der privatrechtlichen Dienstbarkeit vorhersehbar war, dass auf dem herrschenden Grundstück zukünftig gebaut werden sollte und dafür eine Baulast erforderlich werden würde - (da das OLG Düsseldorf mit seiner M.E. sogar vorzugswürdigen oben zitierten Auffassung bislang alleine geblieben ist, nach der auch in diesem Fall die Interessenabwägung zugunsten des Bauherren ausfallen kann).

Bevor Sie einen Anwalt beauftragen, sollten sie in der Lage sein folgende Fragen zu beantworten und folgende Unterlagen vorzulegen:

  • Grundbuchauszüge für herrschendes und dienendes Grundstück
  • Die Eintragungsbewilligung der bereits eingetragenen Belastung
  • Eine großformatige Katasterkarte, des Baugrundstücks und der angrenzenden Grundstücke
  • Korrespondenz mit dem Bauamt und dem Eigentümer des dienenden Grundstücks
  • Bauantrag der Architekten