Der abgerissene Außenspiegel in der Waschanlage - wie sieht die Rechtslage aus?

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Kann ich die Benutzung einer automatischen Waschanlage bedenkenlos wagen?

Es passiert zwar nicht jedem Autobesitzer, kommt aber doch immer wieder vor: Bei einem Besuch in der Waschanlage hört man während des Reinigungsvorgangs plötzlich ein lautes Geräusch, und man muss nachher feststellen, dass der Außenspiegel nur noch lose herunterbaumelt.

Natürlich war vorher alles ok mit dem Spiegel, das Auto hat man auch erst vor ein paar Monaten gekauft. Klare Sache, denkt man sich und meldet den Schaden direkt beim Personal. Das zuckt mit den Schultern und übergibt die Daten des Inhabers oder dessen Haftpflichtversicherung.

Letztere hat der Betreiber der Waschanlage ja schließlich für genau solche Fälle abgeschlossen. Daher meldet er, bevor oder nachdem er die Rechnung erhalten hat, den Vorfall auch gewissenhaft dieser Haftpflichtversicherung. Diese wird schon bezahlen, ist ja schließlich was kaputt gegangen.

Früher war das auch so. Weitgehend anstandslos wurden die Schäden beglichen.

Das Regulierungsverhalten der Versicherungen hat sich zum Nachteil der Versicherten verändert

Da einige Haftpflichtversicherungen wohl mehr am eigenen Profit interessiert sind, als daran, dem Versicherten (der ja auch genug für seine Versicherung bezahlt) Sorgen zu ersparen, suchen sie akribisch nach Argumenten, warum sie nicht zahlen müssen. Aus aktuellem Anlass kann ich als Beispiel die Haftpflichtversicherung der ZURICH benennen, die in einem meiner aktuellen Fälle jeden Kompromiss und jegliche Zahlung verweigert.

Besonders wenn Außenteile wie Spiegel betroffen sind, kommt heutzutage immer wieder ein Argument: Die Bürsten seien so konzipiert, dass sie überhaupt nicht zu viel Druck ausüben könnten, um ein solches Außenteil abzureißen. Daher sei eine Beschädigung in der Waschanlage gänzlich unmöglich. Das Fahrzeug, wenn es überhaupt beschädigt wurde, muss also schon einen Vorschaden gehabt haben. Dieser könnte auch innerlich vorgelegen haben. Außerdem sei der angebliche Geschädigte voll beweisverpflichtet.

Das ist ein juristischer Winkelzug, der sich hören lässt. Juristen sind natürlich Laien was die Technik angeht, und können dem oft nicht viel entgegensetzen.

Oft muss der Geschädigte klagen, um den Schaden ersetzt zu bekommen

Will der Geschädigte also seinen Schaden ersetzt haben, muss er ganz oft vor Gericht klagen. Dann aus rechtlichen Gründen nur gegen den Inhaber, nicht gegen dessen Haftpflichtversicherung. Der Inhaber selbst zahlt natürlich auch nicht freiwillig, auch wenn ihm die Sache unangenehm ist: Wozu hat er schließlich die Haftpflicht?

Diese stellt ihm – letztlich eher sich selbst – großzügig einen Anwalt, der aber letztlich ausschließlich die Interessen der Haftpflichtversicherung vertritt. Im Interesse des Betreibers läge vielmehr eine unkomplizierte Regulierung des Schadens, denn gerade in ländlichen Gebieten spricht sich alles andere schnell herum.

Wonach richtet es sich, ob der Schaden nun vom Betreiber bzw. dessen Versicherung ersetzt werden muss?

Als Anspruchsgrundlage dient das Werkvertragsrecht, besonders die Nebenpflicht des Anlagenbetreibers aus dem geschlossenen Werkvertrag (Waschvertrag), Beschädigungen durch die Waschanlage auszuschließen. Die Vorschriften, die greifen sind die §§ 631 i.V.m. § 241 Abs. 2 i.V.m. § 280 I BGB.

Der Waschanlagenbetreiber muss zuletzt beweisen, dass seine Anlage dem Stand der Technik entspricht und dass er sie regelmäßig durch ausgebildetes Fachpersonal so warten lässt, wie es die jeweilige Hersteller- Bedienungsanleitung erfordert. Kann er das nicht beweisen (was in der Regel der Fall ist), so haftet er vielleicht.

Zunächst muss nämlich jeder Geschädigte den Schaden und die Entstehung des Schadens alleine in der Waschanlage auch beweisen. Jedenfalls wenn es um Außenteile geht (OLG Karlsruhe, NJW-RR 1986, 153ff.). Hier heißt das: Der Geschädigte muss beweisen, dass

  • der Spiegel nach dem Waschvorgang abgerissen war

  • der Spiegel vor dem Waschvorgang unbeschädigt war

Ersteres ist meist problemlos möglich. Denn selbst wenn keine eigenen Zeugen dabei waren, wird vom Gericht im Rahmen der Beweiswürdigung zumeist dem Vortrag des Geschädigten geglaubt.

Zweiteres scheint auf das Gleiche rauszulaufen. Der Geschädigte kann zumindest vortragen, dass er noch nie Probleme mit dem Spiegel hatte und dass er diesen ohne erkennbare Beschädigungen einklappen konnte.

Problem ist aber nun der erwähnte Vortrag der Versicherung. Es ist natürlich so gut wie unmöglich für den Geschädigten zu beweisen, dass der Spiegel innerlich vor dem Vorfall unversehrt war. Natürlich kann man den defekten Spiegel begutachten lassen, aber zum einen kann sich das nur leisten wer rechtsschutzversichert ist, zum anderen ist das Ergebnis eines solchen Gutachtens fraglich. In den meisten Fällen dürfte hinsichtlich der Schadensentstehung ein unklares Ergebnis herauskommen und somit der Beweis scheitern.

In Betracht kommt nur noch die Möglichkeit, dass das Gericht einen Anscheinsbeweis annimmt. Ein solcher setzt in vorliegendem Falle v.a. voraus, dass es typisch wäre, dass wenn ein äußerlich unbeschädigter Spiegel nach einem Waschvorgang defekt ist, der Defekt von der Waschanlage, und nicht von einem inneren Vorschaden herrührt.

Hier liegt der Knackpunkt der Auseinandersetzung. Die Versicherung (in einem meiner aktuellen Fälle die ZURICH) beruft sich auf ihren Vortrag, dass der Schaden UNMÖGLICH durch die Wäsche entstanden sein kann, und schon deswegen KEIN Anscheinsbeweis annehmbar ist.

Insofern ist aber Verschiedenes anzumerken:

  • Schäden an Außenteilen, insbesondere an Außenspiegeln, treten zu Abertausenden auf in deutschen Waschanlagen. Sollten diese Spiegel allesamt innerlich defekt sein?

  • Das Argument, dass eine technische Unmöglichkeit besteht, dass die rotierenden Bürsten den Schaden verursachen, ist faktisch wohl in den meisten Fällen falsch. Auch die Drucksensoren können Fehlfunktionen haben oder mit bestimmten Fahrzeugklassen nicht klarkommen (AG Siegburg, Az. 118 C 125/04).

  • Und selbst wenn, dürften die meisten abgerissenen Außenspiegel während des Trocknungsvorgangs von den Trockenportalen abgerissen werden. Diese verwenden nämlich in aller Regel Lasersensoren, um den Fahrzeugkontakt zu verhindern. Schnell sind solche Sensoren mal verdreckt oder zu feucht. Dann können Fehlmessungen zum Abreißen von Außenteilen führen. Dieses Argument wird oft mangels Sachkenntnis von Kollegen nicht vorgetragen und von Gerichten nicht gewürdigt.

  • Wenn es unmöglich ist, dass Schäden in der Waschanlage an Außenteilen von Fahrzeugen durch die Waschanlage verursacht wurden, wie die Versicherungen vortragen lassen, dann gilt das natürlich erst recht für sonstige Fahrzeugteile. Es stellt sich dem gesunden Menschenverstand alsdann eine Frage: Warum, beziehungsweise wofür zahlt der Waschanlagenbetreiber dann viel Geld für eine Versicherung hiergegen?

Trotz all dieser Bedenken (die aber wie gesagt in den wenigsten der mir bekannten Fälle tatsächlich vollumfassend vorgetragen wurden!) neigen viele Gerichte dazu, KEINEN Anscheinsbeweis anzunehmen. Natürlich stürzen sich die Versicherungsanwälte auf solche Urteile, z.B. das des AG Wedding vom 30.5.2005 (AZ: 18 C 309/04). Dort wird es abgelehnt, den typischen Schluss auf eine fehlerhafte Funktion der Waschanlage daraus zu ziehen, weil der Spiegel äußerlich unbeschädigt war.

Das Gericht teilt zwar gleichzeitig mit, dass es wohl bei Kratzschäden oder anderen Schäden wie Beulen am Blech des Fahrzeugs einen solchen Schluss und damit einen Anscheinsbeweis annehmen würde, nicht aber bei Spiegeln, da hier eben eine innere Vorschädigung nicht unmöglich sei.

Diese Meinung vermag nicht zu überzeugen. Denn auch bei Kratzern oder Beulen ist nicht völlig auszuschließen, dass das Blech zu dünn ausgerollt oder die Farbe zu dünn oder fehlerhaft aufgetragen worden war bei der Produktion des Fahrzeugs. So etwas dürfte genauso wahrscheinlich sein, wie die Vorschädigung eines Außenspiegels im Spiegelinnern.

Es gibt zwar auch Urteile, die einen Anscheinsbeweis annehmen, wie z.B. Urteil des LG Wuppertal vom 21.08.2003; die Tendenz geht aber gegen die Verbraucher. Obergerichtliche Klärung gibt es derzeit nicht.

Bei dieser Tendenz kann man Autobesitzern nur Folgendes aus juristischer Sicht raten:

Sie sollten unmittelbar vor Benutzung der Autowaschanlage oder Waschstraße ein Sachverständigengutachten hinsichtlich der innerlichen Unversehrtheit Ihrer Außenspiegel anfertigen lassen. Das dürfte zwar locker im 3-stelligen Bereich liegen, aber nur so können Sie im Falle eines Falles zumindest halbwegs sicher Beweis liefern. Sollte Ihnen das zu teuer sein, wovon in aller Regel auszugehen sein wird, würde ich Waschanlagen sicherheitshalber ganz meiden, v.a. dann, wenn keine Rechtsschutzversicherung vorhanden ist. Stattdessen würde ich mein Fahrzeug nur noch per Handwäsche, bzw. dort waschen, wo man das Fahrzeug selbst mit Hochdruckreinigern abspritzt.

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