Das Reverse-Charge-Verfahren und die Umsatzsteuerhinterziehung

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Chance oder Reinfall?

Während normalerweise der Leistungserbringer die Umsatzsteuer schuldet, geht bei bestimmten steuerpflichtigen Leistungen die Umsatzsteuerschuld auf den Leistungsempfänger über.

In dem deutschen Umsatzsteuerrecht in § 13b UStG geregelt, umfasste das Reverse Charge-Verfahren bei seiner Einführung im Jahr 2002 nur wenige Anwendungsfälle. Inzwischen nennt § 13b Abs. 2 UStG insgesamt elf Tatbestände.

Das Hauptaugenmerk des § 13b UStG gilt dem Steuerstrafrecht. Ein Unternehmer wird als Mittelsmann tatsächlich oder zum Schein in eine Leistungskette (zum Beispiel der Handel mit Smartphones) eingeschaltet. Er weist Umsatzsteuer in seiner Rechnung aus, führt sie jedoch nicht an das Finanzamt ab. Der Leistungsempfänger erwirbt dagegen einen Vorsteuererstattungsanspruch gegen die Finanzbehörde, den er geltend macht. Anschließend ist der Aussteller der Rechnung bzw. der Leistungserbringer entweder zahlungsunfähig oder taucht unter, ohne seinen Verpflichtungen gegenüber der Finanzbehörde nachzukommen (auch als „Missing-Trader" bezeichnet). Mit der Umkehr der Steuerschuldnerschaft soll vermieden werden, dass Unternehmen die Umsatzsteuer in Rechnung stellen und dann „untertauchen", ohne die Steuer an das Finanzamt abzuführen. Diese Gefahr entfällt beim Reverse-Charge-Verfahren, denn hier stellt der Leistungserbringer dem Leistungsempfänger, also seinem Kunden, keine Umsatzsteuer in Rechnung. Die Umsatzsteuer wird somit mit der Vorsteuer zusammengezogen. Die wichtigsten Leistungen aus der Praxis des § 13b UStG sind Leistungen durch ausländische Unternehmer, Umsätze, welche unter das Grunderwerbsteuergesetz fallen, Bauleistungen/Gebäudereinigungsleistungen, Schrotthandel, sowie Lieferungen von Mobilfunkgeräten, Tablet Computern und Spielekonsolen sowie von integrierten Schaltkreisen und Metalllieferungen.

So sinnvoll das Verfahren Missbrauchsrisiken eingrenzen kann, so kompliziert kann das Verfahren für den redlichen Unternehmer aus steuerrechtlicher Sicht sein.

So muss zum Beispiel der Unternehmer beachten, dass seine (unter die Sondervorschrift fallende) Leistung richtig bewertet wird, da ansonsten die Gefahr besteht, dass die Umsatzsteuer doppelt abgeführt wird - vom Leistungsempfänger und vom Leistenden.

Dazu kommen dann noch fachliche Ungenauigkeiten des § 13b UStG. Was zum Beispiel genau ein Tablet-PC ist, wurde nicht gesetzlich definiert. Zudem muss, um bei dem Beispiel zu bleiben, beachtet werden, dass die Lieferung von Mobilfunkgeräten, Tablet-PC, Spielekonsolen und integrierten Schaltkreisen nur dann unter die Reverse-Charge-Regelung fällt, wenn die Summe der für die steuerpflichtigen Lieferungen dieser Gegenstände an den unternehmerischen Leistungsempfänger in Rechnung zu stellenden Bemessungsgrundlagen mindestens 5.000 EUR beträgt.

Das Hauptproblem dürfte, für den Fiskus sowie für den redlichen Unternehmer, in dem Konstrukt der Ausnahmeregelung liegen. Für den Unternehmer ist es schwer jegliche Sonderreglungen zu bedenken und der Fiskus bzw. Gesetzgeber kann eben nur Ausnahmen regeln und steuerstrafrechtlich schützen. Im Zweifel kann er nur nachbessern. Nach dem Bekanntwerden von millionenschwerem Betrug mit Schrott wurde das Problem durch den Gesetzgeber gelöst. Danach wurden Systeme ins Leben gerufen, welche auf Kupferstäube oder andere wertvolle Metalle beruhten. Wird der „Umsatzsteuerbetrug" mit Handys unterbunden bzw. genauer geregelt, kann man auf Handyteile ausweichen.