Das Berliner Testament: Vor- und Nachteile

Mehr zum Thema: Experteninterviews, Testament, Ehegattentestament, Pflichtteil, eigenhändig, Abänderung, Widerruf, Vermächtnis
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Steuern, Auslandsbezug, Bindungswirkung, Vermächtnis - darauf sollten Sie beim gemeinschaftlichen Berliner Testament achten

Das Berliner Testament ist bei Ehepaaren besonders beliebt, denn es bietet ihnen gegenseitig Sicherheit. Aber stimmt das auch wirklich immer, oder kann das gemeinschaftliche Berliner Testament auch Fallstricke bilden? Der überlebende Ehepartner soll zunächst alles erben und die Kinder erst dann, wenn auch der zweite Elternteil stirbt. Wo sind die Risiken? Frau Rechtsanwältin Plewe klärt im Gespräch mit 123recht.de darüber auf, wann das Berliner Testament Sinn macht und wann es mit Vorsicht zu genießen ist.

123recht.de: Berliner Testament, jeder hat es schon mal gehört. Was ist das konkret?

Karin Plewe
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seit 2007
Rechtsanwältin
Fachanwältin für Familienrecht, Fachanwältin für Erbrecht
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Rechtsanwältin Plewe: Das Berliner Testament ist eine besondere Konstruktion eines gemeinschaftlichen Testaments, in dem sich die Ehegatten (oder Eingetragene Lebenspartner) gegenseitig zu Alleinerben einsetzen. Nach dem Tod des zuletzt versterbenden Ehegatten werden dann meist die Kinder als Erben eingesetzt.

Die Besonderheit besteht darin, dass der überlebende Ehegatte voller und unbeschränkter Alleinerbe wird. Man darf das nicht mit der Anordnung einer Vor-und Nacherbschaft verwechseln, denn ein Vorerbe kann nicht von allen Beschränkungen befreit werden und ist deshalb auch zu seinen Lebzeiten im Hinblick auf das vom anderen Ehegatten geerbte Vermögen nur eingeschränkt handlungsfähig. Beim Berliner Testament bestehen derartige Einschränkungen nicht.

Ein Berliner Testament kann eigenhändig errichtet werden

123recht.de: Was kann man in einem Berliner Testament regeln?

Rechtsanwältin Plewe: In einem Berliner Testament kann man alles regeln, was man auch in einem sonstigen Testament regeln könnte.

Die Besonderheit des Berliner Testaments besteht darin, dass alles in einer einzigen Urkunde geregelt wird. Dies kann notariell oder eigenhändig erfolgen, wobei ein eigenhändiges Testament dadurch errichtet wird, dass der eine Ehegatte den Text handschriftlich verfasst und beide Ehegatten den Text unterschreiben.

Bei einer solchen Konstruktion muss man jedoch darauf achten, dass manche Regelungen wechselbezüglich sind. Das bedeutet, dass meist der eine Ehegatte diese Regelung nur deshalb getroffen hat, weil er sich darauf verlässt, dass auch der andere Ehegatte eine entsprechende Verfügung trifft. Später kann also ein Ehegatte von einer solchen wechselbezüglichen Verfügung nicht einfach abweichen.

Als wechselbezügliche Verfügungen im Berliner Testament können neben der Einsetzung des Erben auch Vermächtnisse oder Auflagen angeordnet werden und es kann die Wahl des anzuwendenden Rechts vereinbart werden. Bei einem Wohnsitz im Ausland kann also auch das Heimatrecht gewählt werden.

123recht.de: Was sind die Vorteile?

Rechtsanwältin Plewe: Durch die gegenseitige Alleinerbeinsetzung möchten die Ehegatten erreichen, dass der überlebende Ehegatte abgesichert ist und dass die Kinder nicht sofort am Nachlass beteiligt werden, sondern sich bis zum Tod des anderen Ehegatten gedulden müssen. Anderenfalls bestünde die Gefahr, dass die Witwe z.B. das Eigenheim verkaufen muss, um die Kinder auszahlen zu können.

Auch eigenhändige Ehegattentestamente müssen notariell widerrufen werden

123recht.de: Was sind die Nachteile?

Rechtsanwältin Plewe: Der gravierendste Nachteil besteht in der Bindungswirkung. Zu Lebzeiten beider Ehegatten kann ein solches Berliner Testament zwar widerrufen werden, jedoch sind dabei bestimmte Formvorschriften einzuhalten. So ist ein Rücktritt nur durch Notarurkunde mit formeller Zustellung an den anderen Ehegatten wirksam. Das gilt nicht nur für notariell errichtete Testamente, sondern auch für handschriftliche gemeinschaftliche Testamente. Wenn man also ein Ehegattentestament widerrufen möchte, muss man sich an einen Notar wenden, ansonsten ist der Widerruf unwirksam. Dies wird leider häufig nicht beachtet.

Nach dem Tod eines Ehegatten kann der überlebende Ehegatte kein neues Testament mehr errichten, sondern ist an die im Berliner Testament getroffenen Verfügungen dauerhaft gebunden. Das kann ein Problem darstellen, wenn der eine Ehegatte bereits relativ jung verstirbt und der andere Ehegatte sich nochmals ein neues Leben aufbaut. Er muss dann nicht nur dasjenige, was er vom erstversterbenden Ehegatten geerbt hat, so weiter vererben, wie es im Berliner Testament geregelt ist, sondern auch sein eigenes, gesamtes Vermögen entsprechend der Regelung im Berliner Testament vererben.

Das ist auch der Grund, warum derartige gemeinschaftliche Testamente in den meisten europäischen und außereuropäischen Ländern verboten sind. Die dortigen Rechtsordnungen halten eine solche dauerhafte Bindung für sittenwidrig. Man sollte also mit dieser Konstruktion sehr vorsichtig sein, wenn ein Auslandsbezug vorliegt, also z.B. ein Ehegatte eine ausländische Staatsangehörigkeit hat, ein ausländischer Wohnsitz besteht oder wenn sich Teile des Vermögens im Ausland befinden (z.B. eine Ferienimmobilie).

123recht.de: Was ist mit einer Pflichteilsstrafklausel gemeint?

Rechtsanwältin Plewe: Man kann den Kindern auch durch ein Berliner Testament den Pflichtteil nicht nehmen. Um zu erreichen, dass die Kinder den Pflichtteil nicht sofort fordern, wird meist eine so genannte Pflichtteilsstrafklausel eingefügt. Das bedeutet, dass die Kinder dann, wenn sie beim Tod des ersten Elternteils den Pflichtteil fordern, "zur Strafe" beim Tod des anderen Elternteils dann auch nur den Pflichtteil erhalten und nicht den gesamten Erbteil.

123recht.de: Was kann man machen, wenn die Kinder trotz der Strafklausel den Pflichtteil fordern?

Rechtsanwältin Plewe:Man kann den Nachteil für die Kinder noch vergrößern, indem man die so genannte Jastrow'sche Klausel einfügt, wonach im Falle der Pflichtteilsforderung zusätzlich ein aufschiebend bedingtes Vermächtnis zu Gunsten der anderen Kinder verfügt wird, das erst beim Tod des anderen Ehegatten fällig wird. Dadurch würde das Kind, das den Pflichtteil fordert, beim Tod des anderen Elternteils dann seinen Pflichtteil nur noch aus einem wesentlich geringeren Nachlass erhalten.

Durch diese Klauseln versucht man zu erreichen, dass sich die Kinder wunschgemäß verhalten.

123recht.de: Wie verhält es sich bei unteilbarer Erbmasse wie einer Immobilie? Kann man für den Fall eine andere Regelung finden?

Rechtsanwältin Plewe: Wenn mehrere Kinder als Schlusserben des zuletzt versterbenden Ehegatten eingesetzt sind, dann bilden sie zunächst eine Erbengemeinschaft, d.h. ihnen gehört der gesamte Nachlass gemeinsam. Sie müssen sich dann also darauf einigen, wer was bekommt.

Es gibt zahlreiche Möglichkeiten, wie man den Umgang mit einem unteilbaren Nachlassgegenstand regelt. Sofern noch anderweitiges Vermögen vorhanden ist, kann man einen Ausgleich dadurch herbeiführen, dass ein Kind die Immobilie erhält und ein anderes Kind einen gleichwertigen anderen Vermögensbestandteil bekommt.

Nur wenn der Nachlass keinerlei anderweitige Möglichkeiten bietet und den Kindern somit als wesentlicher Nachlassgegenstand die Immobilie gemeinsam gehört, dann müssen sich die Kinder selbst um die Auseinandersetzung kümmern und eine Regelung finden, in dem z.B. ein Kind das andere auszahlt. Notfalls wird die Immobilie verkauft oder versteigert und der Erlös geteilt.

Bei einer Pflichtteilsforderung sieht es etwas anders aus, denn der Pflichtteil besteht immer nur in einer Geldforderung, niemals in einer Miteigentümerstellung an Nachlassgegenständen. Bei einer Pflichtteilsberechnung wird der Wert der Immobilie in die Gesamtrechnung eingestellt. Es ist natürlich denkbar, dass der Erbe den Pflichtteil nur auszahlen kann, wenn er die Immobilie verkauft. Das lässt sich im Extremfall manchmal nicht vermeiden, wenn andere Möglichkeiten (z.B. die Aufnahme eines Darlehens zur Auszahlung des Pflichtteils) nicht bestehen.

Der Steuerfreibetrag kann bei einer Erbschaft aus dem Ehegattentestament über ein Vermächtnis erhalten werden

123recht.de: Hat das steuerrechtliche Auswirkungen?

Rechtsanwältin Plewe: Erbschaftssteuerrechtlich kann das Berliner Testament ungünstig sein, wenn man es ungeschickt formuliert.

Da der überlebende Ehegatte zunächst alles erhält und das Gesamtvermögen seinerseits dann an die Kinder weitervererbt, können die Kinder den Steuerfreibetrag nach dem zuerst verstorbenen Elternteil nicht nutzen, weil sie nicht Erbe des zuerst verstorbenen, sondern Erbe des zuletzt verstorbenen Ehegatten werden.

Diese ungünstige Folge kann man verhindern, indem der zuerst versterbende Ehegatte ein Vermächtnis zu Gunsten der Kinder aussetzt, das erst mit dem Tod des anderen Ehegatten fällig wird. So kann das Kind den Freibetrag nutzen, aber der andere Ehegatte hat die Sicherheit, nicht sofort zahlen zu müssen.

123recht.de: Wie verhält sich das Berliner Testament bei Trennung der Ehepartner?

Rechtsanwältin Plewe: Das Berliner Testament wird – wie auch ein Einzeltestament, in dem der andere Ehegatte bedacht wird – unwirksam, sobald die Voraussetzungen der Ehescheidung vorliegen und der Ehegatte die Scheidung beantragt oder ihr zugestimmt hat. Dies ist in § 2077 BGB ausdrücklich so geregelt.

Die Voraussetzungen der Ehescheidung liegen im Regelfall vor, wenn die Ehe gescheitert ist und die Ehegatten mindestens ein Jahr getrennt gelebt haben. Nach einer Trennung sollte man also – jedenfalls bis zur Einreichung der Scheidung – überlegen, ob man das Ehegattentestament (notariell!) widerrufen möchte.

Abänderungsklauseln machen eine Änderung des Ehegattentestaments auch nach dem Tod eines Ehegatten möglich

123recht.de: Kann das Testament nach dem Ableben eines Ehegatten noch geändert werden, weil sich z.B. Tatsachen geändert haben?

Rechtsanwältin Plewe: Sobald ein Ehegatte verstorben ist, kann ein Berliner Testament nur noch in Ausnahmefällen geändert werden. So ist z.B. eine Anfechtung möglich, wenn Pflichtteilsberechtigte übergangen wurden. Dieser Fall kann eintreten, wenn der überlebende Ehegatte neu geheiratet hat und/oder weitere Kinder bekommen hat.

Es gibt jedoch zahlreiche andere Konstellationen, in denen sich im Nachhinein die Regelungen des Berliner Testaments als ungünstig erweisen. Das kann z.B. vorliegen, wenn sich ein Kind nicht wie gewünscht entwickelt, sondern möglicherweise auf die schiefe Bahn gerät. Um dem überlebenden Ehegatten dann die Änderungsmöglichkeiten zu erhalten, kann man eine Abänderungsklausel einfügen, wonach der überlebende Ehegatte unter bestimmten Voraussetzungen die Schlusserbeneinsetzung noch ändern oder sonstige abweichende Verfügungen treffen kann. Eine solche Klausel will jedoch gut überlegt sein, weil damit faktisch die Bindungswirkung ausgehebelt werden kann. Es kommt also ganz auf den Einzelfall und die Familienkonstellation an, ob eine solche Klausel Sinn macht oder nicht.

123recht.de: Was ist bei einer Patchworkfamilie zu beachten, wenn die jeweiligen Ehepartner Kinder aus früheren Ehen ö.ä. haben?

Rechtsanwältin Plewe: Bei einer Patchwork-Familie muss beachtet werden, dass die Kinder jeweils nur einen Pflichtteilsanspruch am Nachlass eines Ehegatten haben, nämlich nur am Nachlass des jeweiligen Elternteils. Das kann zum Problem werden, wenn der eine Ehegatte mehrere Kinder hat und der andere Ehegatte nur ein Kind. Wenn dann der Ehegatte, der mehrere Kinder hat, zuerst verstirbt, erhält zunächst alles der andere Ehegatte. Wenn sich nach dessen Ableben alle Kinder den Gesamtnachlass teilen sollen, dann kann es für die Geschwister eine böse Überraschung geben, weil das Einzelkind des zuletzt verstorbenen Ehegatten einen Pflichtteilsanspruch in Höhe der Hälfte des Gesamtnachlasses hat.

Auch bei einer solchen Familienkonstellation gibt es Lösungsmöglichkeiten für dieses Problem, z.B. durch Vermächtnisse, die jedoch zu Lebzeiten beider Ehegatten im Ehegattentestament geregelt werden müssen. Sobald der erste Ehegatte verstorben ist, ist es zu spät für solche Änderungen.

123recht.de: Vielen Dank!

Karin Plewe
Rechtsanwältin
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