Das AGG lädt immer wieder zum Missbrauch ein

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- wie Bewerber sich Stellenanzeigen wegen einer angeblichen Diskriminierung zu Nutze machen -

Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) hat eigentlich zum Ziel, Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen.

Es gibt inzwischen eine steigende Zahl von Personen, die gezielt nach Stellenanzeigen suchen, die im oben genannten Sinne verdächtig erscheinen.

Daniel Hesterberg
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Ähnlich wie bei den Abmahnwellen im wettbewerbsrechtlichen Bereich soll letztlich eine möglichst hohe Entschädigung erreicht werden, nur dass nicht darum geht, einen wirklich relevanten Verstoß zu ahnden, sondern um das Einstreichen derartiger Schadensersatzsummen ohne die eigene Betroffenheit der Person.

Denn das AGG schreibt vor, wenn im Streitfall die eine Partei Indizien beweist, die eine Benachteiligung wegen eines in § 1 genannten Grundes vermuten lassen, trägt die andere Partei die Beweislast dafür, dass kein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz vor Benachteiligung vorgelegen hat.

Dieses machen sich zahlreiche Bewerber zu Lasten vieler Arbeitgeber zu Nutze.

Doch inzwischen hat sich die Rechtsprechung diesem Problem angenommen und Entscheidungen zugunsten der Arbeitgeber getroffen.

80 Klagen sind zu viel – kein Schadensersatz

Ein Kläger, der durch rund 80 Diskriminierungsklagen den Eindruck erweckt, sich damit nicht subjektiv ernsthaft um eine Stelle beworben, sondern § 15 Abs. 1 und Abs. 2 AGG als Einnahmequelle entdeckt zu haben, missbraucht damit den vom Gesetzgeber gesetzten Zweck des Gesetzes und verliert seinen Anspruch auf Entschädigung.

Dieser Ausspruch liegt einem am 11.03.2009 veröffentlichten Urteil des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein (LAG AZ. : 4 Sa 346/08) zugrunde.
In dem Fall begehrte der Kläger von einem VW- und Audi-Händler Schadenersatz wegen behaupteter Altersdiskriminierung. Dieser veröffentlichte eine Stellenanzeige, mit der er für den Vertrieb von Nutzfahrzeugen und Freizeitmobilen einen Arbeitnehmer suchte. In der Anzeige hieß es u.a. : "… suchen wir Sie. Sie sind jung, dynamisch? Sie denken an eine Veränderung und suchen eine Herausforderung, zur Spitze im Automarkt aufzusteigen? Sie fühlen sich angesprochen? Dann sollten wir uns unbedingt kennenlernen. Auch branchenfremde Bewerber sind uns herzlich willkommen."

Der 1965 geborene Kläger bewarb sich auf dieses Inserat und führte im Bewerbungsschreiben aus, er sei durch seine langjährige Berufserfahrung im Bereich Handel und Dienstleistung sowie seine Flexibilität und Teamfähigkeit sicher in der Lage, den Arbeitsplatz zur Zufriedenheit der Arbeitgeberin zu besetzen. Da er arbeitssuchend sei, stehe er jederzeit zur Verfügung.

Schriftlich teilte der VW-Händler dem Kläger aber mit, er könne es sich aufgrund der vielen Bewerber erlauben, das Anforderungsprofil enger zu definieren. Nach Auswertung aller Fakten habe er sich inzwischen für Bewerber entschieden, die bereits ausreichende Erfahrungen mit der Marke Volkswagen Nutzfahrzeuge gesammelt hätten.

Schadensersatz gefordert

Der Kläger teilte dem VW-Händler daraufhin mit, er gehe davon aus, dass die Absage aufgrund seines Alters erfolgt sei, da die Beklagte durch die Formulierung in der Stellenanzeige bereits ältere Bewerber im Voraus ausgeschlossen habe. Darin liege ein Verstoß gegen § 7 bzw. § 11 AGG. Er sei deshalb schadenersatzpflichtig und forderte Schadensersatz von 99.875,95 Euro.

Im Güter-Termin hatte der Kläger die Klage sodann größtenteils zurückgenommen und beantragt, den VW-Händler zu verurteilen, an ihn einen im Ermessen des Gerichts stehenden Schadenersatz zu zahlen, der jedoch mindestens 7.500 Euro betragen solle.

Das Arbeitsgericht hatte die Klage abgewiesen.

Die dagegen eingelegte Berufung des Klägers wurde nun vom Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein zurückgewiesen.

Kein Anspruch auf Entschädigung

Anspruch auf eine angemessene Entschädigung in Geld gemäß § 15 Abs. 2 Satz 1 AGG könne nämlich nur derjenige Bewerber geltend machen, der objektiv überhaupt für die in Aussicht gestellte Stelle in Betracht komme und sich subjektiv ernsthaft beworben habe.

Eine "Scheinbewerbung" zum Zwecke der Erlangung eines Entschädigungsanspruches scheide aus. Der Kläger, der nach eigenem Bekunden 80 Diskriminierungsklagen insgesamt angestrebt hat, habe aufgrund dieser Anzahl den Eindruck erweckt, er habe § 15 Abs. 1 und Abs. 2 AGG für sich als eine Einnahmequelle entdeckt. Damit werde dem Kläger jedoch nicht das Recht abgesprochen, grundsätzlich die Ansprüche aus § 15 Abs. 1 und 2 AGG geltend zu machen. Dies gelte insbesondere vor dem Hintergrund, weil er sich ganz überwiegend auch auf diskriminierungsfreie Stellen beworben haben will.

Entscheidend sei aber, dass jeweils im Einzelfall eine Betrachtung und Prüfung der subjektiven Ernsthaftigkeit der Bewerbung vorgenommen werden müsse.

Das Berufungsgericht sei davon überzeugt, dass der Kläger sich auf die hier streitgegenständliche Bewerbung nicht subjektiv ernsthaft beworben habe, sondern dass es ihm darum ging, mit seiner Bewerbung Schadenersatz oder Entschädigung möglichst im außergerichtlichen oder gerichtlichen Vergleich zu erreichen. Aufgrund der gesamten Umstände ging es ihm in diesem Fall nur um die Erzielung weiterer Einkünfte auf der Grundlage von § 15 Abs. 1 und 2 AGG.

Damit werde der Kläger dem Sinn und Zweck des Gesetzes jedoch nicht gerecht und missbrauche den vom Gesetzgeber gesetzten Zweck des § 15 Abs. 2 AGG, nämlich die Sanktion der durch die Benachteiligung erfolgten Verletzung von Persönlichkeitsrechten. Wer so wenig konkret in außergerichtlichen Anspruchsschreiben und in der Klage sich mit dem individuellen Sachverhalt und mit seiner konkreten Beeinträchtigung auseinandersetze, der mache deutlich, dass die vermeintliche Verletzung von Persönlichkeitsrechten von ihm nur vordergründig dazu genutzt wird, um finanzielle Ansprüche durchzusetzen.

Das Urteil ist rechtkräftig.

In Zweifelsfällen ist daher jedem Arbeitgeber zu empfehlen, rechtlichen Rat einzuholen.

Mit freundlichen Grüßen

Daniel Hesterberg
Rechtsanwalt


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