Besitz Kinderpornographie, §184b StGB - Die Notwendigkeit eines Gegengutachtens Oder: Der Fall ´Michael Fiola´

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Besitz Kinderpornographie, §184b StGB - Die Notwendigkeit eines Gegengutachtens Oder: Der Fall „Michael Fiola"

Das Gutachten als Beweismittel Nr. 1

Aus unserer heutigen Zeit sind Computer nicht mehr wegzudenken. Das Internet als entsprechendes Medium vervielfacht die Möglichkeiten der Kommunikation und Datenbeschaffung enorm. Entsprechend erhöhen sich aber auch die Möglichkeiten kriminelle Handlungen mittels eines Computers vorzunehmen. Daher ist es nicht verwunderlich, dass Gutachten über beschlagnahmte Rechner neben den anderen möglichen Beweismitteln immer häufiger die Grundlage für die Urteilsfindung darstellen. Da Richter nur sehr selten technisch versierte Computernutzer sind, zieht das Gericht einen Sachverständigen hinzu. In manchen Bundesländern entspricht es inzwischen der üblichen Praxis, den Ersteller des von der Staatsanwaltschaft in Auftrag gegebenen Gutachtens hierfür heranzuziehen. Dies liegt häufig daran, dass es nur sehr wenige forensische Computerspezialisten gibt und deswegen aus Mangel auf diesen zurückgegriffen wird.

Aber Vorsicht : Auf diesem Weg wird jedoch das „Vieraugensehenmehrprinzip" umgangen und Fehler der ersten Begutachtung bleiben im Verborgenen.

Fatale Folgen bei einem falschen Gutachten…

Oft mit fatalen Folgen für den Betroffenen: Neben einer Strafandrohung von einer Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren, einem Eintrag im Führungszeugnis für Arbeitgeber, Problemen beim Antrag für ein Visum für die Einreise in die USA, Schwierigkeiten bei einer Zuverlässigkeitsüberprüfung nach dem Luftsicherheitsgesetz (LuftSiG) sind Beamte (bspw. Lehrer, Polizisten, Soldaten, Pfarrer usw.) gar von Suspendierungen und Disziplinarmaßnahmen bis hin zur Entlassung aus dem Beamtenverhältnis massiv bedroht. Ob Hessisches Disziplinargesetz (HDG), Niedersächsisches Disziplinargesetz (NDiszG), Bundesdisziplinargesetz (BDG) oder Bundesbeamtengesetz (BBG) - bereits bei einer Verurteilung wegen Besitzes oder Sichverschaffen von wenigen Bildern ist nach zur Zeit ganz herrschendender Rechtsprechung die Entlassung aus dem Beamtenverhältnis möglich.

Wer zahlt, schafft an?

Auch bei forensischen Gutachten im Rahmen der sogenannten rechnerbasierten Aufklärung (RBA) gilt leider viel zu oft "wer zahlt, schafft an" und der Auftraggeber ist zumeist die ermittelnde Staatsanwaltschaft. Daher ist es für den seit Jahren bundesweit in der Strafverteidigung bei § 184b-Vorwürfen tätigen Verfasser dieses Artikels nicht verwunderlich, dass sich viele Gutachten, die auf seinem Schreibtisch landen, ausschließlich mit der Herausarbeitung belastender Umstände beschäftigen. Prüfungen auf Kombinationen diverser Schadsoftware (Malware), welche zwischenzeitlich bekannt geworden sind und auch für das Auftreten inkriminierter Dateien verantwortlich gemacht werden können, werden oft gar nicht oder nur sehr stiefmütterlich durchgeführt. Szenarien, die das vorliegende Bild auch ohne Zutun des beschuldigten Computerbesitzers erklären könnten, aber jedoch ein gewisses Maß an kreativer Leistung und Nachweisarbeit verlangen, werden oft nicht einmal ansatzweise geprüft. Häufig wird auf der technischen Ebene lediglich das Programm "Perkeo" verwendet.

Besser einen eigenen Gutachter?

Aus den vorgennannten Gründen und den eingangs kurz skizzierten drohenden Rechtsfolgen im Falle einer Verurteilung sollte Ihr Strafverteidiger oder Ihr Rechtsanwalt für Strafrecht Ihren Fall stets auf die Notwendigkeit hin überprüfen, einen eigenen Gutachter mit der Erstellung eines Gegengutachtens zu beauftragen, um so eine unschlüssige Beweisführung der Staatsanwaltschaft zu eliminieren.

Welches Potenzial birgt ein Gegengutachten?

Vielmals schließen die begutachtenden Erstgutachter der Staatsanwaltschaft aus den Erstellungszeitpunkten inkriminierter Dateien auf "Ablagezeitpunkte". Da es jedoch unzählige Möglichkeiten gibt, diese Daten zu manipulieren, ist diese Methode nicht zuverlässig. Sofern unplausible Daten vorliegen, welche auf Fehler in der Datenstruktur schließen lassen, kann versucht werden, diese "Ablagezeitpunkte" und andere Meta-Daten zu entwerten.

Häufig werden auch bspw. MPEG-Dateien mit Erstelldaten vor 1996 gefunden. Dem steht der Umstand entgegen, dass die Motion Picture Engineering Group (MPEG) erst 1994 ins Leben gerufen wurde und 1996 die erste Veröffentlichung getätigt hat. Auch wird bei solchen Daten oft vergessen, wie die digitale Welt 1994 oder davor ausgesehen hat.

Meistens wird seitens der Erstgutachter lediglich mit Erstellzeitpunkten gearbeitet. Dies ist aus Sicht einer Belastung sinnvoll. Jedoch sind in der Regel weitere META-Daten vorhanden, wie z.B. das Datum des letzten Zugriffes und der letzten Modifikation. Das Zusammenspiel dieser Daten lässt Rückschlüsse auf das (Surf-) Verhalten des Nutzers zu. So kann u.U. bewiesen werden, dass der Beschuldigte diese Dateien nach ihrer Entstehung niemals geöffnet hatte, womit neben dem juristisch notwendigen subjektiven Vorsatz (= Bilder bewusst und gewollt anschauen oder downloaden) der nach der ganz herrschenden Rechtsprechung bei § 184b StGB geforderte Besitzwillen mangels Kenntnis in Frage steht.

Weiterhin lassen sich Rückschlüsse über die Entstehung der auf dem beschlagnahmten bzw. sichergestellten Rechner gefundenen Daten ableiten.

Ein sehr häufiges Problem, welches das Strafmaß unnötig erhöhen kann, ist der Umstand, dass oft inkriminierte Bild- oder Videodateien in den Gutachten mehrfach in verschiedenen Zuständen (z.B. vor und nach Fertigstellung des Downloads oder gepackt in einem Archiv und entpackt in einem Ordner), aufgezählt und dargestellt werden. Dies kann mit einem vorliegendem Image des Beweisstückes und einem Vergleich von MD5-Hashwerten erzielt und so auch überprüft werden.

Sehr häufig lassen vorliegende Spuren mehr als eine Interpretation zu. Eine den Beschuldigten entlastende Interpretation ist in den Erstgutachten vielmals überhaupt nicht zu verzeichnen. Dabei lässt die Informatik meist mehrere Szenarien zu, die das gleiche Ergebnis liefern. So kann oftmals durch ein Gegengutachten ein Szenario erstellt werden, das die gleichen Spuren erzeugen würde, ohne den Beschuldigten zu belasten. Nach der Strafprozessordnung (StPO) muss die Staatsanwaltschaft oder das Gericht dann den gerichtlichen oder staatsanwaltschaftlichen Sachverständigen mit der entsprechenden Erweiterung seines Gutachtens beauftragen, um sicherzustellen, dass das im staatsanwaltschaftlichen Gutachten aufgezeigte Szenario auch das einzig zutreffende ist. Dies ist oft kaum oder gar nicht möglich!

Vereinzelt sind in Erstgutachten fachliche Fehler in der Vorbereitung festzustellen. So beispielsweise durch Fehler in der Sicherstellung oder Verwendungunzuverlässiger Schreibschutzmethoden. Hieraus könnte die Entwertung des Erstgutachtens und des zur Verurteilung notwendigen Beweisstückes erfolgen, sofern Meta-Daten festgestellt werden können, welche nach der Beschlagnahmung erfolgten.

Wiederum sehr häufig, werden Dateien ausschließlich im gelöschten Zustand oder in nicht zugeordneten Bereichen festgestellt. Hierbei erstaunt dann oft die Phantasie der Erstgutachter, welche Rückschlüsse daraus gezogen werden können. Allerdings ist dies aus technischer Sicht nicht mehr möglich! Dies kann durch ein Gegengutachten bewiesen werden.

Auch eine Demonstration des eigenen IT-Spezialisten im Gerichtssaal oder den Räumen der Polizei/Staatsanwaltschaft, wie auf einem Computer unwissentlich und lediglich durch Öffnen einer Spam-Mail strafbare Dateien landen können, stößt bei den Richtern und Staatsanwälten auf großes Interesse.

Eine US-Gutachterin, hat in einem dortigen Fall von Kinderpornographie eine Kombination an Viren- und Schadsoftware festgestellt, die ohne das Zutun des Beschuldigten kinderpornographische Filme in nicht unerheblicher Zahl heruntergeladen hat (siehe Fall „Michael Fiola" bei Google).

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