Berufsunfähigkeitsversicherung – Anfechtung bei falscher Beantwortung von Gesundheitsfragen

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Der Fall:

In Zeiten des Abbaus sozialer Leistungen und der zunehmenden Forderung nach eigener Vorsorge wird eine Berufsunfähigkeitsversicherung immer wichtiger. Denn oft ist die ganze Existenz gefährdet, wenn ein Betroffener seinen Beruf nicht mehr ausüben kann. Versicherungsnehmer sollten jedoch bei Vertragsabschluss besondere Vorsicht walten lassen. Insbesondere bei den sog. Gesundheitsfragen lohnt sich „Schummeln" nicht. Denn bei falscher Beantwortung von Gesundheitsfragen kann der Versicherer einen Versicherungsvertrag (Berufsunfähigkeitsversicherung) insgesamt anfechten. Dabei spielt es auch keine Rolle, ob die Versicherung die relevanten Gesundheitsinformationen durch eine unwirksame Schweigepflichtsentbindung erlangt hat. Dies hat der Bundesgerichtshof (Urteil vom 28.10.2009 – Az. : IV ZR 140/08) in folgendem Fall entschieden.

Der klagende Versicherungsnehmer verlangte Leistungen aus einer Berufsunfähigkeitsversicherung wegen einer psychischen Erkrankung. Bei Abschluss des Versicherungsvertrages hatte der Versicherungsnehmer Fragen nach Krankheiten oder körperlichen Schäden des Rückens unzutreffend verneint, obwohl er deswegen bereits mehrfach in ärztlicher und physiotherapeutischer Behandlung gewesen war. Bei Beantragung der Leistungen hatte der Versicherungsnehmer eine unwirksame Schweigepflichtsentbindung beigefügt. Dadurch deckte die Versicherung die unrichtigen Gesundheitsangaben auf und erklärte den Rücktritt vom Versicherungsvertrag sowie die Anfechtung des Versicherungsvertrages wegen arglistiger Täuschung.

Die Entscheidung:

Der Bundesgerichtshof sah die Versicherung im Recht. Denn die wahrheitswidrige Beantwortung von Gesundheitsfragen bei Abschluss eines Versicherungsvertrages durch den Versicherungsnehmer stellt grundsätzlich eine arglistige Täuschung des Versicherers dar. Der Bundesgerichtshof hält in einem solchen Fall die Anfechtung des gesamten Vertrages für zulässig. Dies hat zur Folge, dass der Versicherungsvertrag insgesamt nichtig ist. Der Versicherer könne zwar im Einzelfall den Vertrag aufrechterhalten und die verschwiegenen Krankheitsbilder vom Versicherungsschutz ausnehmen. Hierzu sei er aber nicht verpflichtet.

 Auch die unwirksame Schweigepflichtsentbindung führt nicht dazu, dass die dadurch erlangten Informationen über den Gesundheitszustand des Versicherungsnehmers unverwertbar wären und der Versicherer am Vertrag festhalten müsse. Zwar sei das Interesse des Versicherungsnehmers an der Geheimhaltung seiner Gesundheitsdaten durch das Recht auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 GG) geschützt. Allerdings wird dieser Schutzumfang bei Berufsunfähigkeitsversicherungsverträgen modifiziert. Der Versicherungsnehmer ist hier gesetzlich verpflichtet, dem Versicherer sowohl vor Vertragsabschluss als auch bei Beantragung von Leistungen Gesundheitsinformationen zur Verfügung zu stellen. Durch seine bewusst falschen Informationen hat sich der Versicherungsnehmer bei Vertragsschluss gegen die Rechtsordnung gestellt. Der Versicherer habe demgegenüber ein schutzwürdiges Interesse daran, Falschangaben aufzudecken und die ungerechtfertigte Inanspruchnahme von Versicherungsleistungen zu verhindern. Im konkreten Fall sahen die Richter daher die Rechtsposition des Versicherers als schutzwürdiger an.

Praxistipp:

Soweit der Versicherungsnehmer bei Abschluss eines Versicherungsvertrages oder bei Beantragung von Leistungen aus einem Versicherungsvertrag Gesundheitsfragen beantworten muss, sollte unbedingt darauf geachtet werden, dass diese Angaben umfassend und korrekt erteilt werden. Stellt sich im Nachhinein heraus, dass bestimmte Erkrankungen nicht angegeben oder „verharmlost" wurden, kann der Versicherer vom Vertrag zurücktreten oder den Versicherungsvertrag anfechten. Der Versicherungsnehmer erhält in diesem Fall keine Leistungen. Unter Umständen wird ihm dann bei einem entsprechenden Krankheitsbild auch der Abschluss eines neuen Versicherungsvertrages bei einem anderen Versicherers erschwert oder unmöglich gemacht. Dies kann für den jeweiligen Versicherungsnehmer immense finanzielle Nachteile bedeuten, wenn er eigentlich z. B. wegen einer dauernden Berufsunfähigkeit auf die Versicherungsleistungen angewiesen wäre.

Leserkommentare
von King71 am 15.07.2010 18:43:43# 1
Das bedeutet also, wenn man vergessen hat seine Heuschnupfen-Allergie anzugeben und man Jahre später wegen eines Bandscheibenvorfalls berufsunfähig wird, man keinen Anspruch auf Leistung hat? Das kann doch wohl nicht sein. Wo besteht denn zwischen diesen beiden Erkrankungen der Zusammenhang. Und was ist dann mit BU-Anträgen, die schon mehrere Jahre alt sind. Das würde ja die komplette BU-Vorsorge ad absurdum führen, da dann wohl jeder Versicherer vor Leistungserbringung erst einmal versuchen wird dem Antragsteller Täuschung nachzuweisen.