BAföG-Betrug: Der Beschuldigte und sein Rechtsanwalt im Strafverfahren

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Zweck des Ermittlungsverfahrens

Von Rechtsanwalt Thomas Herz

BAföG-Betrug und kein Ende? Der im Strafrecht tätige Rechtsanwalt – so auch der Autor - ist seit der Durchführung des Datenabgleichs mehr oder weniger häufig mit Verfahren befasst, die im Zusammenhang mit dem so genannten BAföG-Betrug stehen.

Für die meisten Betroffenen ist es das erste Mal, dass sie Kontakt zu Polizei und Staatsanwaltschaft haben. Nichts anderes gilt für das Aufsuchen des Rechtsanwalts.

Thomas Herz
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Dieser Artikel soll beleuchten, warum die Beauftragung eines Rechtsanwalts bereits im Ermittlungsverfahren das Mittel der ersten Wahl für jeden Beschuldigten sein sollte.

Das Strafverfahren besteht aus vier Abschnitten: Ermittlungsverfahren, Zwischenverfahren, Hauptverfahren (öffentliche Verhandlung) und Vollstreckungsverfahren.

Die strafrechtliche Funktion des Ermittlungsverfahrens liegt in der Tatsachensammlung. Dabei soll der maßgebliche Sachverhalt möglichst unparteiisch festgestellt werden.

Einschaltung eines Verteidigers im Ermittlungsverfahren

Das Ermittlungsverfahren hat eine außerordentlich hohe Bedeutung für alle folgenden Verfahren. In der Praxis zeigt sich immer wieder, dass im Ermittlungsverfahren die Weichen bezüglich eines richtigen oder falschen Urteils gestellt werden.

In der Praxis ist immer wieder zu beobachten, dass Polizei und Staatsanwalt mehr belastenden als entlastenden Umständen bei der Ermittlung nachgehen, was wiederum ein Verteidiger effektiv verhindern kann.

Der Beschuldigte sollte sich auch überlegen, ob er einen spektakulären Auftritt seines Verteidigers in der Hauptverhandlung wünscht oder vielmehr eine unauffällige Tätigkeit im Ermittlungsverfahren vorzieht. Der Spielraum dafür, dass es durch eine geschickte Verteidigungsstrategie nicht zu einer öffentlichen Hauptverhandlung kommt, ist für den Verteidiger sehr groß. Bei einer „Selbstverteidigung" ist Gefahr einer öffentlichen Hauptverhandlung nicht gering.

Darüber hinaus hat der Beschuldigte über den Verteidiger die Möglichkeit, sein Wissensdefizit gegenüber Polizei und Staatsanwaltschaft im Wege der Akteneinsicht auszugleichen. Der Verteidiger wird in aller Regel ohne Akteneinsicht weder eine Einlassung des Beschuldigten noch eine Stellungnahme abgeben. Eine möglichst frühzeitige Information über die Vorwürfe ermöglicht dem Verteidiger die effektive Planung der Verteidigung und Beschaffung von Verteidigungsmitteln. Das Akteneinsichtsrecht des Verteidigers ist daher ein Kernstück der Verteidigung.Insgesamt bildet der Verteidiger ein Gegengewicht zu den umfangreichen Befugnissen von Polizei und Staatsanwaltschaft. Je früher der Verteidiger beauftragt wird, desto mehr Spielraum besteht für die Verteidigungsstrategie.

Die Verteidigungsstrategie

Der Verteidiger wird im Ermittlungsverfahren verschiedene Überlegungen anstellen:

  • Schweigen des Beschuldigten
  • Einlassung des Beschuldigten
  • Beantragung von Ermittlungen
  • Teilnahme an Ermittlungen
  • Gespräche mit dem Staatsanwalt
  • Vereinbarungen mit dem Staatsanwalt
  • Beantragung der Einstellung
  • Beantragung eines Strafbefehls

In jedem Fall wird der Verteidiger Akteneinsicht nehmen. Je nach dem Inhalt der Akten sind verschiede Ziele möglich:

  • Einstellung des Verfahrens
  • Erlass eines Strafbefehls
  • Vorbereitung einer Hauptverhandlung

Welche Ziele realistisch sind, wird der Verteidiger mit seinen Mandanten erörtern.

Die Einstellung des Verfahrens

Wenn keine genügende Verurteilungswahrscheinlichkeit besteht, muss die Staatsanwaltschaft das Verfahren nach § 170 Absatz 2 StPO einstellen, was mit einem Freispruch in der Hauptverhandlung vergleichbar ist. Eine Einstellung nach § 170 Absatz 2 StPO kommt mit anderen Worten daher nur in Frage, wenn ein Freispruch wahrscheinlicher ist als eine Veurteilung. Dieser Beurteilungsspielraum ist anfällig für sachfremde Erwägungen des Staatsanwalts. Dem kann der Verteidiger Einhalt gebieten.

Der Verteidiger wird gründlich prüfen, ob tatsächliche oder rechtliche Gründe die Einstellung des Verfahrens gebieten. Der Betrug im strafrechtlichen Sinne ist ein sehr komplizierter Tatbestand. In der Tat gibt es hier eine ganze Reihe von möglichen Angriffspunkten seitens der Verteidigung, etwa bei der Abgrenzung zwischen Vorsatz und Fahrlässigkeit in Bezug auf die Nichtangabe von Vermögen im Ausbildungsförderungsantrag. Hierbei ist besonders zu berücksichtigen, dass es sich bei den Beschuldigten im Tatzeitpunkt in der Regel noch um einen Heranwachsenden handelt, deren Rechtsverständnis nicht mit dem von Erwachsenen vergleichbar ist. Daneben bestehen Probleme beim Verbrauch von Vermögen, Darlehen, Treuhandvertrag und bei der Verjährung.

Eine weitere wichtige Einstellungsvariante ist in den §§ 153 und 153a StPO geregelt. Zwar bedeutet eine Einstellung nach diesen Vorschriften keinen klaren Freispruch für den Beschuldigten. Sie bietet jedoch die Sicherheit, eine Verurteilung zu vermeiden. Damit besteht auch die Sicherheit, dass der Beschuldigte nicht als vorbestraft gilt und kein Eintrag in das polizeiliche oder behördliche Führungszeugnis erfolgt.

Nach § 153 StPO kann die Staatsanwaltschaft mit Zustimmung des Gerichts von der Verfolgung absehen, wenn die Schuld des Täters als gering anzusehen wäre und kein öffentliches Interesse an der Verfolgung besteht.

Nach § 153a StPO kann die Staatsanwaltschaft mit Zustimmung des Gerichts auch dann von der Erhebung der öffentlichen Klage absehen, wenn die Schuld nicht mehr gering ist und die Erteilung von Auflagen und Weisungen genügen, das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung zu beseitigen.

Bei beiden Einstellungsvarianten besteht die Aufgabe des Verteidigers vor allem darin, juristisch relevante Argumente für die Annahme einer niedrigen Schuldschwere einerseits und dem Nichtbestand/Beseitigung des öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung des Beschuldigten dazulegen.

Erlass eines Strafbefehls

Besteht für eine Einstellung des Ermittlungsverfahrens kein Raum, so wird sich der Verteidiger auf den Erlass eines Strafbefehls konzentrieren. Der Strafbefehl hat dieselbe Wirkung wie ein Urteil, das nach der Hauptverhandlung ergeht. Der Vorteil liegt auf der Hand, da somit eine öffentliche Hauptverhandlung und eine damit verbundene Stigmatisierung vermieden wird. Weiterhin wird bei Strafbefehlsverfahren nicht so intensiv ermittelt, da es sich um ein Massenverfahren handelt. Möglicherweise kommt so nicht das volle Tageslicht ins Dunkel.

Die Vertretung durch einen Verteidiger hat insofern auch einen Vorteil, weil dann im Strafbefehlsverfahren auch kurze Bewährungsstrafen bis zu einem Jahr festgesetzt werden können. Ohne Verteidiger wäre eine öffentliche Hauptverhandlung zwingend notwendig.

Allerdings gibt es Grenzen für den Erlass eines Strafbefehl, die sich nach dem Strafmaß richten. Der Verteidiger wird daher bemüht sein, ein möglichst niedriges Strafmaß auszuhandeln bzw. einzelne Tatvorwürfe zu entkräften. Dies vor allem deshalb, weil bei einer festgesetzten Geldstrafe von mehr als 90 Tagessätzen oder einer Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten eine Eintragung in das polizeiliche Führungszeugnis erfolgt. Das gilt analog bei Verurteilungen im Rahmen einer Hauptverhandlung.

Vorbereitung der Hauptverhandlung

Sind weder Einstellung noch Strafbefehl möglich, so wird der Verteidiger die Beweismittel für die künftige Hauptverhandlung suchen, die für den Schuldspruch als auch für die Strafzumessung relevant sind. Auch hier sollte daran erinnert werden, dass der Ausgang des Ermittlungsverfahrens das spätere Urteil prägt.

Rechtsanwaltsgebühren

Die Vergütung des Verteidigers erfolgt auf Grundlage gesetzlicher Gebühren nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz oder nach vereinbartem Honorar. Letztes ist die Regel, da die Begleitung im Ermittlungsverfahren teilweise zeitaufwendiger ist als die Verteidigung in der Hauptverhandlung. Im Schnitt ist hier bei derartigen Vereinbarungen je nach Verteidiger und Anzahl der Tatvorwürfe mit Gebühren zwischen 500 bis 1.000 Euro zu rechnen. Alles andere ist Verhandlungssache.

In bestimmten Fällen tritt auch die Rechtsschutzversicherung ein. Das ist aber bei einem rechtskräftigen Strafbefehl oder einer rechtskräftigen Verurteilung nicht der Fall.

Fazit

Eine anwaltliche Vertretung macht im Kontext BAföG und Betrug viel Sinn. Wer das Geld für eine Verteidigung nicht investieren will oder kann, sollte sich zumindest vor Abfassung einer Stellungnahme von einem Rechtsanwalt beraten lassen, wobei dies billiger ist als eine Verteidigung.

Oftmals übersehen die Beschuldigten als auch ihre Eltern, dass bei geparkten Geldern eine Strafbarkeit wegen Steuerhinterziehung in Frage kommt. Dies kann zur Folge haben, dass ein Ermittlungsverfahren gegen die Eltern eingeleitet wird und die Ermittlungen gegen den Beschuldigten auf Beihilfe zur Steuerhinterziehung erweitert werden.

Ideal ist es, wenn der beauftragte Verteidiger auch über Kenntnisse im Ausbildungsförderungsrecht und im Sozialrecht verfügt. Da alle Stellungnahmen im Ermittlungsverfahren schriftlich erfolgen und die Akten per Post versendet werden, spielt die Ortsansässigkeit des Verteidigers keine bedeutende Rolle.


Rechtsanwalt Thomas Herz
Kanzlei Bobach, Borsbach & Herz
Herweghstr. 100
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