Außergerichtliche Schuldenbereinigung und Privatinsolvenz

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Fazit

Von Rechtsanwalt Jens Kastner

Überschuldung wird in Deutschland immer mehr zu einem Thema. Nicht nur Firmen geraten in Zahlungs-
schwierigkeiten. Zunehmend sind auch Privatpersonen und ganze private Haushalte betroffen.

Dies hat unterschiedliche Gründe.

Zum einen sind die verschiedenen Werbebotschaften sehr deutlich:

Geld kann man sich leihen - so günstig wie selten zuvor - also lieber Kunde kaufe dir jetzt neue Computer, DVD-Recorder, Autos und andere größere Anschaffungen per Ratenkredit. Der Kunde sei eigenverantwortlich und müsse selber einen Überblick über seine Zahlungsverpflichtungen haben, argumentieren die Kreditinstitute.

Die steigende Zahl der Privatinsolvenzen spricht eine andere Sprache:

Die Zahl lag im September 2005 mit 6041 Fällen um gut 35 Prozent über dem Vorjahresstand. Insgesamt, so teilte das Statistische Bundesamt mit, wurden in den ersten neun Monaten des Jahres 2005 48.916 Menschen zahlungsunfähig. Bis Ende 2005 dürfte die Zahl voraussichtlich auf 70.000 angestiegen sein - im Jahresvergleich ein Anstieg um rund 40 Prozent.

Mit anderen Worten sind die meisten Menschen eigenverantwortlich genug, um zu wissen, wo die Grenzen sind, was sie sich leisten können und was nicht. Es gibt aber eine erschreckend hohe Zahl von Menschen, die dies aus den unterschiedlichsten Gründen nicht können.

Insgesamt sind nach Schätzungen etwa 3,1 Millionen Privathaushalte überschuldet.

Der Wirtschaftsauskunft Creditreform zufolge ist ein überdeutliches Ost-Westgefälle bei den Privatpleiten auszumachen. Während im Westen der Anstieg der Verbraucherinsolvenzen bei etwa 24 Prozent liegt, beträgt die Steigerung im Osten nahezu 100 Prozent.
Im Ergebnis sind damit mehr als acht Prozent der deutschen Haushalte überschuldet. Die regelmäßigen Einnahmen können die dagegen stehenden Ausgaben nicht mehr decken.

Experten sehen die Zunahme aber nicht nur mit der aggressiven Werbung für Kredite begründet. Allein durch Werbung werden nicht so viele Menschen in die Schuldenfalle gelockt.

Auch Arbeitslosigkeit, Trennung vom Lebenspartner oder Krankheit spielen eine Rolle. Hinzu kommt, dass die Möglichkeit zur Anmeldung einer Privatinsolvenz immer bekannter wird. 1999 wurde das Gesetz eingeführt und 2001 nochmals kräftig überarbeitet, seitdem steigt die Zahl der Verbraucherinsolvenzen rapide an: Von 13.400 Fällen im Jahr 2001 auf nun geschätzte 70.000.

Die Gesetzesnovelle senkte die Hürden für die Schuldenbefreiung:

Bevor es zu einer Privatinsolvenz kommt, muss der Schuldner versuchen, sich mit seinen Gläubigern außergerichtlich - zum Beispiel auf eine Ratenzahlung - zu einigen. Gelingt dies nicht, kann er beim Amtsgericht den Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens stellen. Während der "Wohlverhaltensphase" wird ein Teil der Verbindlichkeiten zurückgeführt. Nach Ablauf dieses Zeitraums erlässt das Gericht die Restschulden.

Dies sind letztlich nur Zahlen und Gründe gewesen, wie man in die Überschuldung geraten kann, aber wie funktioniert so eine Schuldenbefreiung in der Praxis? Wie kommt man aus der Schuldenfalle wieder raus und wie lange dauert es?

Häufig versuchen überschuldete Person durch kleine Ratenzahlungen hier und da das Schlimmste zu vermeiden. Letztlich ist aber gerade ein solches Vorgehen unkoordiniert und führt, weil Zinsen und Kosten die Schulden immer weiter in die Höhe treiben, nicht zum Ziel.

Am Ende stehen dann vielfach vollstreckbare Titel gegenüber. Gerichtsvollzieher versuchen Pfändungen. Vorhandenes Arbeitseinkommen wird durch Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse weiter verringert.

Sind Pfändungen nicht erfolgreich, droht die Abgabe einer Eidesstattlichen Versicherung, d.h. man muss versichern, dass man nichts mehr hat. Die Abgabe der Eidesstattlichen Versicherung wird unter anderem bei der Schufa eingetragen. Ein solcher Eintrag kann erhebliche Nachteile nach sich ziehen. Insbesondere werden Kredite abgelehnt. Selbst ein Handyvertrag kann schwierig werden. Zudem verlangen immer mehr Vermieter eine Schufa-Auskunft.

Um all dies zu verhindern oder zumindest die Folgen abzumindern, gibt es das Verbraucherinsolvenzverfahren.

Das Verbraucherinsolvenzverfahren ist für die überschuldete Privatperson das Verfahren zur Bereinigung ihrer Schulden. Das Ziel des Verfahrens für den Schuldner ist es, die Schulden z.T. abzutragen und/oder erlassen zu bekommen. Dies gilt insbesondere für den Fall, dass durch die selbst organisierten Ratenzahlungen die Schuldenlast nicht bewältigt werden kann.

Die Gläubiger haben durch dieses Verfahren den Vorteil, dass sie Einblicke in die Vermögensverhältnisse des Schuldners bekommen. Dadurch können die Gläubiger weitere Kosten der Einzelzwangsvollstreckung vermeiden und ein Teil der noch offenen Forderungen können realisiert werden. Die Gläubiger können nämlich erkennen, dass eine Einzelvollstreckung wahrscheinlich sinnlos ist.
Dies bedeutet, dass auch Gläubiger durchaus Interesse an einem Verbraucherinsolvenzverfahren und dem vorgelagerten außergerichtlichen Einigungsversuch haben.

Verbraucherinsolvenz und Restschuldbefreiung: Die Schritte im Einzelnen

Das Verfahren verläuft grundsätzlich in vier Schritten,

  1. dem außergerichtlichen Einigungsversuch,
  2. dem gerichtlichen Planverfahren,
  3. dem eigentlichen Insolvenzverfahren,
  4. der so genannten Wohlverhaltensphase.



  1. Außergerichtlicher Einigungsversuch

    Der erste Schritt zur Schuldenbefreiung ist zunächst ein kleiner. Für ein erstes Beratungsgespräch sind lediglich die Anschriften der Gläubiger nötig. Diese Aufstellung sollte aber möglichst vollständig sein, damit kein Gläubiger vergessen wird und der Schuldenbereinigungsplan nicht später in Schieflage gerät.
    Zur detaillierten Auflistung werden die Gläubiger dann angeschrieben, mit der Aufforderung eine aktuelle Forderungsaufstellung zu übersenden, wozu diese auch kostenfrei verpflichtet sind.

    Sobald alle Forderungsaufstellungen vorliegen, was in der Regel zwischen einigen Tagen und 2 Wochen in Anspruch nimmt, kann anhand des zur Verfügung stehenden Einkommens ein Regulierungsplan erstellt werden. Der Plan zeigt die Schulden und die Zeit, in der die Verbindlichkeiten zurückgeführt werden sollen.

    Im Laufe von z.B. 72 Monaten wird eine feste Rate auf die einzelnen Forderungen aufgeteilt. Je größer die Forderung, umso größer der Teil der Rate, die der einzelne Gläubiger erhält.

    Wird eine monatliche Rate von € 100,-- auf vier Gläubiger aufgeteilt, erhalten diese bei gleichen Forderungshöhen € 25,-- im Monat. Belaufen sich die Verbindlichkeiten auf insgesamt € 10.000,-- und hat ein Gläubiger € 1.000,-- zu bekommen, ein anderer € 2.000,--, der dritte € 3.000,-- und der vierte € 6.000,--, erhalten diese unterschiedliche Quoten von der Rate.

    Auf die € 1.000,-- entfallen 10 %, auf die € 2.000,-- 20 %, auf die € 3.000,-- 30 % und auf die € 6.000,-- 60 %.

    In 72 Monaten erhalten die Gläubiger dann insgesamt € 7.200,--. Davon erhält Gläubiger 1) insgesamt € 720,--, Gläubiger 2) € 1.440,--, Gläubiger 3) € 2.160,-- und Gläubiger 4) € 4.320,--.

    Die Gläubiger erhalten somit eine Quote von 72 % ihrer Verbindlichkeiten. 28 %, so der Plan, werden dem Schuldner jeweils erlassen, wenn über die 72 Monate pünktlich und kontinuierlich gezahlt wurde.

    Eine Mindestrate ist nicht vorgesehen, so dass theoretisch auch Raten von 0,-- € zur Schuldbefreiung führen können, allerdings werden die Gläubiger nur schwer zustimmen, so dass ein für beide Seiten akzeptabler Plan erstellt werden sollte.

    Stimmen die Gläubiger in dieser Phase dem Schuldenbereinigungsplan zu, ist das Verfahren fast schon beendet. Wird pünktlich wie vereinbart gezahlt, ist der Schuldner nach Ende des Zahlungszeitraumes schuldenfrei.

    Willigt ein Gläubiger in den Plan nicht ein, beginnt Schritt 2. Der außergerichtliche Versuch einer Einigung mit allen Gläubigern ist allerdings zwingend. Ein Verbraucher kann nicht ohne diesen Versuch direkt in das gerichtliche Insolvenzverfahren gehen.

    Über das eventuelle Scheitern des außergerichtlichen Einigungsversuchs wird eine Bescheinigung ausgestellt, die zum Beginn des zweiten Schrittes dann dem Insolvenzgericht vorgelegt wird als Nachweis, dass ein außergerichtlicher Einigungsversuch zumindest stattgefunden hat.

  2. Das gerichtliche Verfahren: Plan- und Insolvenzverfahren

    Der Antrag auf Eröffnung des Verbraucherinsolvenzverfahrens wird beim zuständigen Insolvenzgericht eingereicht.

    Vorzulegen sind beim Insolvenzgericht:

    • der Nachweis eines vorangegangenen und gescheiterten außergerichtlichen Einigungsversuchs,
    • eine Erklärung, ob Restschuldbefreiung beantragt wird,
    • ein Vermögensverzeichnis,
    • der Schuldenbereinigungsplan.

    Im zweiten Schritt, dem Planverfahren, versucht das Gericht auf Basis des vorliegenden außergerichtlichen Schuldenplans mit den Gläubigern erneut, eine Einigung zu erzielen, wenn es den Einigungsversuch für aussichtsreich hält. Anderenfalls eröffnet das Gericht das Insolvenzverfahren sofort und ohne Weiteres.

    Kommt die Einigung zustande, ist der gerichtliche Plan maßgeblich für die Schuldentilgung und den Schuldenerlass. Das Insolvenzverfahren wird in diesem Fall nicht durchgeführt, der Eröffnungsantrag gilt als zurückgenommen.

    Kommt die Einigung nicht zustande, wird das Eröffnungsverfahren mit der Entscheidung über den Eröffnungsantrag wieder aufgenommen. Dies geschieht automatisch durch das Gericht, d.h. von Amts wegen.
    Überprüft wird, ob Eröffnungsgründe vorliegen und ob eine kostendeckende Masse vorhanden ist.

    In diesem eigentlichen Insolvenzverfahren, dem dritten Schritt, wird vom Gericht ein Treuhänder bestimmt, der über die Vermögenslage des Schuldners berichtet, pfändbares Vermögen erfasst und die Quote der Gläubiger bestimmt. Das Gericht verteilt gemäß der Quote das pfändbare Vermögen. Im Schlusstermin können Gläubiger Gründe für die Versagung der Restschuldbefreiung geltend machen. Greifen die Einwände nicht, wird die Erteilung der Restschuldbefreiung in Aussicht gestellt.

  3. Wohlverhaltensphase und Restschuldbefreiung

    Die Wohlverhaltsphase beginnt mit dem Ende des Insolvenzverfahrens. In dieser 6-jährigen Phase tritt der Schuldner seine pfändbaren laufenden Einkünfte an den Treuhänder ab.

    Der Schuldner hat in der Wohlverhaltensphase bestimmte Obliegenheiten zu erfüllen, deren Verletzung die Erteilung der Schuldbefreiung gefährden. Die Verpflichtungen des Schuldners sollen eine quotenmäßige Befriedigung der Gläubiger gewährleisten.

    Der Treuhänder zahlt einmal jährlich - nach Abzug seiner Kosten - die pfändbaren laufenden Einkünfte an die Gläubiger quotenmäßig aus.Am Ende der Laufzeit wird die Restschuldbefreiung erteilt, soweit Versagensgründe nicht geltend gemacht werden.

    Versagung der Restschuldbefreiung

    Die Möglichkeit der Restschuldbefreiung hat nur der ehrliche Schuldner.

    Wenn der Schuldner zum Beispiel:

    • Wegen einer Insolvenzstraftat nach §§ 283 bis 283c StGB verurteilt worden ist,
    • Gläubiger getäuscht hat,
    • durch einen verschwenderischen Lebensstil die Befriedigung der Gläubiger beeinträchtigt hat,
    • während des Insolvenzverfahrens Auskunfts- und Mitwirkungspflichten verletzt, insbesondere im Vermögens- und Gläubigerverzeichnis unrichtige Angaben gemacht hat, besteht die Möglichkeit die Restschuldbefreiung zu versagen.

    Ist dem Schuldner einmal die Restschuldbefreiung angekündigt worden, hat der Schuldner in der Wohlverhaltsphase bestimmte Obliegenheiten zu erfüllen. Die Erteilung der Restschuldbefreiung kann versagt werden, wenn der Schuldner zum Beispiel:

    • keine angemessene Erwerbstätigkeit ausübt oder sich nicht um eine solche bemüht,
    • Vermögen aus einer Erbschaft nicht zur Hälfte an den Treuhänder herausgibt,
    • bei der Sicherstellung der bestmöglichen Befriedigung der Gläubiger nicht mitwirkt.

Es gibt Möglichkeiten für überschuldete Personen, aus der Schuldenfalle heraus zu kommen. Entscheidend ist, dass der Schuldner den ersten Schritt tut und sich beraten lässt.

Auf keinem Fall sollte die Beratung an den Kosten scheitern, der Schuldner sollte keine Angst vor diesen Kosten haben.

Es gibt für Beratungen und auch für die Durchführung der außergerichtlichen Schuldenregulierung, Beratungsscheine bei den Amtsgerichten, wenn das Einkommen entsprechend gering ist.

Das gerichtliche Verfahren kann mit Prozesskostenhilfe, wenn die Einkommensverhältnisse dies zulassen, geführt werden.

Sollte ein Einkommen vorhanden sein, so dass keine staatlichen Beihilfen gezahlt werden, lohnt sich der Gang zu einem Rechtsanwalt dennoch, da für eine Erstberatung höchsten € 190,-- zzgl. Mehrwertsteuer in Rechnung gestellt werden können.

Für die Durchführung der außergerichtlichen Schuldenregulierung können dann Honorarvereinbarungen die Kosten überschaubar halten.

Jedenfalls insgesamt eine lohnende Investition in die Zukunft.


Rechtsanwalt
Jens Kastner
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