Autokauf: Beweislast für Mangel innerhalb von 6 Monaten

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Neue Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs stärkt Autokäufer

EuGH, Urteil vom 4. Juni 2015 – C-497/13

Einordnung - europäisches Verbraucherschutzrecht

Die Entscheidung betrifft den Kauf eines PKW durch einen Verbraucher von einem gewerblichen Händler. Das neue Urteil des EuGH wird voraussichtlich tiefgreifende Auswirkungen auf die Praxis der deutschen Gerichte haben.

Christian Schilling
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Bisherige Rechtslage - keine echte Beweislastumkehr zugunsten des Käufers

Stellt der Käufer nach dem Kauf einen Defekt am Fahrzeug fest, beruft er sich gegenüber dem gewerblichen Verkäufer häufig auf § 476 BGB. Dieser lautet:

Zeigt sich innerhalb von sechs Monaten seit Gefahrübergang ein Sachmangel, so wird vermutet, dass die Sache bereits bei Gefahrübergang mangelhaft war, es sei denn, diese Vermutung ist mit der Art der Sache oder des Mangels unvereinbar.

Diese deutsche Vorschrift ist eine Umsetzung des europäischen Verbraucherschutzrechts, der Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Mai 1999 zu bestimmten Aspekten des Verbrauchsgüterkaufs und der Garantien für Verbrauchsgüter. Dort regelt Art. 5 Absatz 3:

Bis zum Beweis des Gegenteils wird vermutet, daß Vertragswidrigkeiten, die binnen sechs Monaten nach der Lieferung des Gutes offenbar werden, bereits zum Zeitpunkt der Lieferung bestanden, es sei denn, diese Vermutung ist mit der Art des Gutes oder der Art der Vertragswidrigkeit unvereinbar.

Der BGH sah die Regelung des § 476 BGB, mit der Art. 5 Abs. 3 der Richtlinie in deutsches Recht umgesetzt worden ist, bislang anders, als der EuGH dies nun tut. Der BGH hatte im Jahre 2004 in der „Zahnriemen"-Entscheidung (Urt. v. 2.6.2004, Az. VIII ZR 329/03) vertreten, dass hiermit lediglich eine in zeitlicher Hinsicht wirkende Vermutung begründet wird, dass ein Mangel, der sich innerhalb von 6 Monaten zeigt, bereits im Zeitpunkt des Gefahrübergangs vorlag. Eine echte Beweislastumkehr zugunsten des Käufers war damit nicht gegeben.

Die Vermutung in der Lesart des BGH erfasst danach ausschließlich den konkreten Mangel, der sich innerhalb der Sechsmonatsfrist zeigt. Die Vermutung ist nach der Auffassung des BGH bereits widerlegt, wenn der Verkäufer beweisen kann, dass dieser konkrete Mangel bei Gefahrübergang noch nicht vorlag.

Funktioniert also beispielsweise – wie im Zahnriemenfall – der Motor eines PKW innerhalb der Sechsmonatsfrist plötzlich nicht mehr, ist die Vermutung bereits dadurch widerlegt, dass der Motor bei Gefahrübergang noch lief.

Entscheidung des EuGH stärkt Käufer

Der EuGH räumt mit dieser für den Käufer ungünstigen Sichtweise auf.

Der Fall betrifft das niederländische Recht, aufgrund der durch den EuGH vorgenommenen Auslegung der europäischen Verbrauchtsgüterkaufrichtlinie hat das Urteil jedoch ebenso unmittelbare Auswirkung auf das deutsche Kaufrecht.

Es lag folgender Sachverhalt zugrunde:

Die Käuferin erwarb für private Zwecke im Mai 2008 einen Gebrauchtwagen von einem Autohaus. Vier Monate nach dem Kauf fing das Auto während der Fahrt Feuer und brannte aus. Die Brandursache konnte nicht aufgeklärt werden.

Nach der Auffassung des BGH wäre hier die Vermutung bereits deshalb widerlegt, weil der Wagen bei Übergabe einwandfrei lief und nicht in Brand geriet.

Der EuGH sieht das anders: Der Käufer, der Verbraucher ist, muss in den ersten sechs Monaten nicht nachweisen, dass der Mangel schon bei Auslieferung des Fahrzeugs bestand, sondern nur, dass überhaupt ein Defekt vorliegt - dies dürfte regelmäßig gelingen. Die Sechsmonats-Frist erlaube dann die Vermutung, dass der Mangel schon bei der Lieferung zumindest angelegt war. Die Unterscheidung zwischen Grundmangel und Mangelsymptom verliert damit ihre Bedeutung.

Dieses Urteil wird voraussichtlich enorme Auswirkungen auf die Praxis des Autokaufs haben, wenn es sich bei den deutschen Gerichten herumgesprochen hat und dort von den Prozessvertretern vorgetragen wird. Das Urteil schwächt die Position des gewerblichen Autoverkäufers im Rahmen der Gewährleistung enorm.

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