Auskunftserteilung durch Arbeitgeber

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Mit Urteil vom 04.05.2010 - 9 AZR 184/09 - hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) darauf erkannt, dass der "Arbeitgeber ... gegenüber seinen Arbeitnehmern die vertragliche Nebenpflicht" hat, "keine falschen Auskünfte zu erteilen". In der Pressemitteilung Nr. 34/10 des BAG heißt es weiter:

"Entsteht dem Arbeitnehmer durch eine schuldhaft erteilte unrichtige Auskunft ein Schaden, kann der Arbeitgeber zum Schadensersatz verpflichtet sein.

Der Arbeitgeber hat gegenüber seinen Arbeitnehmern die vertragliche Nebenpflicht, keine falschen Auskünfte zu erteilen. Entsteht dem Arbeitnehmer durch eine schuldhaft erteilte unrichtige Auskunft ein Schaden, kann der Arbeitgeber zum Schadensersatz verpflichtet sein.

Der 1944 geborene Kläger war seit 1991 beim beklagten Land in der Bauverwaltung beschäftigt. Er wurde seit 1. Dezember 2001 nach der Vergütungsgruppe IIa - Fallgruppe 1b - Teil I der Anlage 1a zum BAT-O vergütet. Tariflich war ein Bewährungsaufstieg in die Vergütungsgruppe Ib BAT-O nach sechsjähriger Bewährung möglich. Die Parteien schlossen am 20. Oktober 2003 einen Altersteilzeitarbeitsvertrag im Blockmodell beginnend mit dem 1. November 2003. Die sich an die Arbeitsphase anschließende Freistellungsphase sollte vom 17. Oktober 2006 bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses am 30. September 2009 laufen. Die sechsjährige Bewährungszeit wäre mit Ablauf des 30. November 2007 erreicht gewesen. Vor Abschluss des Altersteilzeitarbeitsvertrags hatte das beklagte Land dem Kläger auf dessen Frage ohne jeden Vorbehalt mitgeteilt, Altersteilzeitarbeit führe auch bei Blockmodellen für die Freistellungsphase nicht zur Verlängerung von Aufstiegszeiträumen. Dennoch verweigerte es dem Kläger den Bewährungsaufstieg zum 1. Dezember 2007.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Die Revision des beklagten Landes führte vor dem Neunten Senat zur Wiederherstellung des klageabweisenden Urteils des Arbeitsgerichts. Während der Freistellungsphase des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses im Blockmodell wird die für den Bewährungsaufstieg nach § 23a BAT-O notwendige Bewährungszeit unterbrochen. Wer nicht arbeitet, kann sich nicht bewähren. Der Bewährungsaufstieg steht dem Kläger auch nicht als Schadensersatzanspruch zu. Zwar erteilte das beklagte Land eine unrichtige Rechtsauskunft. Der Kläger hat jedoch nicht ausreichend dargelegt, dass er ohne die Pflichtverletzung des beklagten Landes am Bewährungsaufstieg hätte teilnehmen können".

Es gibt zahlreiche arbeitsvertragliche Nebenpflichten sowohl auf Arbeitgeber- als auch auf Arbeitnehmerseite. Die wichtigste (Neben-)Pflicht für den Arbeitnehmer ist die sog. "Treuepflicht"; für den Arbeitgeber ist die sog. "Fürsorgepflicht" die wichtigste Pflicht.

Mit Treuepflicht des Arbeitnehmers wird allgemein die Pflicht des Arbeitnehmers bezeichnet, sich bei der Erfüllung seiner Arbeitspflicht gemäß Treu und Glauben zu verhalten. Umfasst wird vor allem die Anzeige- und Nachweispflicht im Krankheitsfall, Sorgfalts- und Schadensabwendungspflichten, das Wettbewerbsverbot und die Verschwiegenheitspflicht.

Im Rahmen der Fürsorgepflicht ist der Arbeitgeber gehalten, Arbeitsbedingungen zu schaffen, die den Arbeitnehmer vor Gefahren für Leben und Gesundheit schützen. Zusätzlich obliegt dem Arbeitgeber aber auch die Pflicht, das Vermögen und eingebrachte Sachen des Arbeitnehmers zu schützen.

Die Aufklärungspflicht des Arbeitsgebers ist in der Vergangenheit regelmäßig im Zusammenhang mit dem Abschluss von Abwicklungs- und Aufhebungsverträgen diskutiert worden. Der Umfang der Pflicht beurteilt sich zunächst danach, von welcher Vertragspartei die Initiative zum Vertragsabschluss ausgegangen ist. Lediglich dann, wenn die Beendigungsinitiative beim Arbeitgeber liegt, soll nach h. M. eine Aufklärungspflicht für den Arbeitgeber im Verhältnis zum ausscheidenden Arbeitnehmer bestehen können. Im Schrifttum werden Hinweis- und Aufklärungspflichten des Arbeitgebers beim Abschluss von Abwicklungs- und Aufhebungsverträgen vielfach ganz abgelehnt. Soweit Hinweis- und Aufklärungspflichten generell für möglich erachtet werden, wird z. B. weiter differenziert zwischen der Aufklärung über nachteilige Folgen bei der betrieblichen Altersversorgung, der Aufklärung über etwaige steuerrechtliche Nachteile bei einer Abfindungsregelung und der Aufklärung über etwaige nachteilige Folgen in Bezug auf den Anspruch auf Arbeitslosengeld. Insgesamt muss wohl angenommen werden, dass Hinweis- und Aufklärungspflichten auf den besonderen Umständen des Einzelfalles beruhen und das Ergebnis einer umfassenden Interessenabwägung sind.

Im Ergebnis wird man sowohl Arbeitgebern als auch Arbeitnehmern dazu raten müssen, sich bei Bedarf unabhängig voneinander den Rat beruflich ausgebildeter Sachkundiger – etwa den von Rechtsanwälten - einzuholen. Jedenfalls gilt: Wird eine Auskunft vom Arbeitgeber erteilt, muss sie richtig sein. Falsche und nur scheinbar vollständige oder sonst irreführende Auskünfte verpflichten den Arbeitgeber zum Schadensersatz. Das gilt aber, wie die Entscheidung des BAG verdeutlicht, nur dann, wenn auch ein Kausalzusammenhang zwischen Pflichtverletzung und Schaden besteht und nachgewiesen wird.