Anzeige gegen den eigenen Arbeitgeber

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Treuepflicht: Arbeitnehmer muss zuvor grundsätzlich die direkte Konfrontation mit seinem Arbeitgeber suchen

Anzeige gegen den Arbeitgeber als Ausprägung des Rechts auf freie Meinungsäußerung

Oft stellen sich Arbeitnehmer die Frage, ob sie im Fall eines Verdachtes einer Straftat eine (Straf-)Anzeige gegen ihren Arbeitgeber erstatten können. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) sind (Straf)-Anzeigen des Arbeitnehmers gegen seinen Arbeitgeber vom Schutzbereich des Rechts auf freie Meinungsäußerung nach Art. 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) umfasst.

Hierbei hat ein Arbeitnehmer jedoch grundsätzlich auch den Ruf des Arbeitgebers zu schützen und die Treuepflicht gegenüber seinem Arbeitgeber zu achten. Zwischen diesen Rechten und Pflichten hat eine Abwägung zu erfolgen, wenn es um die Frage geht, ob ein Arbeitgeber nach einer Anzeige seines Arbeitnehmers berechtigt ist, diesen zu kündigen. Hierbei kommt es nach der Rechtsprechung des EGMR unter anderem darauf an, ob der Arbeitnehmer die Offenlegung in gutem Glauben und in der Überzeugung vorgenommen hat, dass die Information wahr sei, dass sie im öffentlichen Interesse liege und dass keine anderen, diskreteren Mittel existierten, um gegen den angeprangerten Missstand vorzugehen (EGMR vom 21.07.2011 - 28274/08).

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Konfrontation mit dem Arbeitgeber als milderes Mittel

Diese Grundsätze wurden auch in einem Urteil des Landesarbeitsgerichts (LAG) Köln bestätigt. Das Gericht war der Auffassung, dass die Arbeitnehmerin vor ihrer Anzeige als milderes Mittel ein Gespräch mit ihrem Arbeitgeber hätte suchen müssen, um mögliche Missstände zunächst auf diese Art zu klären.

In dem entschiedenen Fall war eine Hauswirtschafterin im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses mit der Betreuung zweier Kinder beauftragt. Wegen des Verdachts der Verwahrlosung der Kinder zeigte sie die Eltern beim Jugendamt an. Das Landesarbeitsgericht sah in der Anzeige eine unverhältnismäßige Reaktion auf eine zuvor ausgesprochene ordentliche Kündigung. Sie hätte zunächst versuchen müssen, eine interne Klärung mit dem Ehepaar zu suchen. Erst wenn derartige Versuche fruchtlos geblieben wären, hätte sie eine Behörde einschalten dürfen. Hierbei könne dahinstehen, ob die Behauptungen der Hauswirtschafterin zum Nachteil des Ehepaares zutreffend seien.

Landesarbeitsgericht Köln, Urteil vom 05.07.2012 - 6 Sa 71/12

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