Altersdiskriminierung beim Urlaub - Es kann stets der Höchstsatz verlangt werden

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Bundesarbeitsgericht vom 20.03.2012, 9 AZR 529/10

Wieder einmal hat das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG), das auf der EG-Richtlinie 2000/78 beruht, jahrzehntealte deutsche Arbeitsrechtspraxis auf den Kopf gestellt. Diesmal ist der Urlaubsanspruch betroffen. In vielen Arbeits- und auch Tarifverträgen ist dieser nach dem Alter gestaffelt. Jüngere Arbeitnehmer erhalten weniger Urlaub als ältere und werden, so auch das Bundesarbeitsgerichts in seiner Entscheidung vom 20.03.2012, 9 AZR 529/10, diskriminiert. In diesem Fall ging es um § 26 Abs. 1 S. des Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst, wonach die Arbeitnehmer bis zum vollendeten 30. Lebensjahr 26 Arbeitstage, bis zum vollendeten 40. Lebensjahr 29 Arbeitstage und danach 30 Tage Urlaub pro Jahr erhalten.

Die 1971 geborene Klägerin, die also 2008 und 2009 laut Tarifvertrag nur 29 Arbeitstage Urlaub nehmen durfte, begehrte die Feststellung, dass ihr für jedes Jahr ein weiterer Tag Urlaub zustand. Das Arbeitsgericht gab ihr Recht, das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg wies ihre Klage am 24.03.2010, AZ 12 Sa 2058/09 ab. Hierüber hatte ich schon im Frühjahr 2011 berichtet. Das Bundesarbeitsgericht hob diese Entscheidung jetzt auf, da es ebenso wie das Arbeitsgericht der Ansicht war, dass § 26 TVÖD Arbeitnehmer, die das 40. Lebensjahr nicht vollendet haben, unmittelbar diskriminiert. Es gebe auch kein legitimes Ziel, das mit dieser Ungleichbehandlung verfolgt wird. Die Arbeitgeberseite hatte wohl damit argumentiert, dass dem gesteigerten Erholungsbedürfnis älterer Menschen Rechnung getragen werden solle. Dass dieses aber bereits am dem 30. oder 40. Lebensjahr vorliege, ließe sich kaum begründen. Der Verstoß gegen die Diskriminierung könne nur durch eine Anpassung nach oben beseitigt werden, so das Bundesarbeitsgericht in seiner Pressemitteilung. Die ausführliche Urteilsbegründung liegt bisher nicht vor.

Elke Scheibeler
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Die Tarifvertragsparteien haben jedoch aufgrund der hohen Kosten, die auf die Arbeitgeber zukommen werden, schnell reagiert und bereits am 31.03.2012 eine Änderung des TVÖD mit Wirkung ab 2013 beschlossen. Danach erhalten alle Arbeitnehmer bis zum vollendeten 55. Lebensjahr 29 Tage Urlaub, danach 30 Tage. Damit ist die Grenze bei einem Alter gesetzt, in dem die körperliche Kraft erfahrungsgemäß tatsächlich nachlässt und man von einem gesteigerten Erholungsbedürfnis älterer Menschen sprechen kann.

Ähnlicher Auffassung wie das Bundesarbeitsgericht war bereits das LAG Düsseldorf in seiner Entscheidung vom 18.01.2011, 8 Sa 1274/10. Hier ging es um den Manteltarifvertrag für den Einzelhandel in Nordrhein-Westfalen, der in § 15 ebenfalls eine Urlaubsstaffel enthält, die wie folgt gestaltet ist:  

Bis zum vollendeten 20. Lebensjahr erhalten die Arbeitnehmer 30 Urlaubstage,

bis zum vollendeten 23. Lebensjahr erhalten sie 32 Urlaubstage,

bis zum vollendeten 30. Lebensjahr 34 Urlaubstage

und ab dem vollendeten 30. Lebensjahr 36 Urlaubstage, jeweils ausgehend von einer 6-Tage-Woche.

In diesem Fall argumentierte das beklagte Unternehmen allerdings damit, dass mit dieser Regelung Eltern gefördert werden sollen, indem die Vereinbarkeit von kleinen Kindern mit dem Beruf erleichtert wurde. Den Richtern in Düsseldorf reichte dies nicht, so dass der Arbeitnehmerin der Urlaubsanspruch zugesprochen wurde. Laut Mitteilung im Jahr 2011 soll auch hier die Revision zugelassen worden sein, der genaue Stand dieses Verfahrens ist hier aber nicht bekannt.

Jüngeren Arbeitnehmern ist nochmals anzuraten, den erhöhten Urlaubsanspruch, der laut den einschlägigen Tarifverträgen älteren Arbeitnehmern zusteht, geltend zu machen und hierbei ggf. anwendbare Ausschlussfristen zu beachten.

Dr. Elke Scheibeler
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