Achtung Kamera: Die private Video-Überwachung

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Überwachungskameras in der Wohnung, im Hauseingang und Dash-Cams in Autos - was ist erlaubt?

Alle reden derzeit vom Überwachungsstaat, Prism und der totalen Überwachung. Gleichzeitig wird es aber auch für Bürger immer leichter, mit einfachen technischen Mitteln andere Menschen auszuspionieren. Ob mit Smartphones, Digitalkameras, Webcams - insbesondere das Filmen gehört zum Alltag. Wie weit darf denn eigentlich jeder von uns gehen, um seine Sicherheit zu gewährleisten? 123recht.de im Gespräch mit Rechtsanwalt Markus Timm, Fachanwalt für Informationstechnologierecht, zu Filmaufnahmen im privaten Bereich und dem Persönlichkeitsrecht.

123recht.de: Herr Timm, darf ich in meiner Wohnung Überwachungskameras aufstellen?

Rechtsanwalt Timm: Grundsätzlich dürfen Überwachungskameras in der eigenen Wohnung aufgestellt werden, sofern mit diesen nur die eigene Wohnung und nicht z. B. der Hausflur gefilmt wird. Da es sich bei einer Mietswohnung um einen durch das Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung geschützten Hoheitsbereich handelt, kann Ihnen Ihr Vermieter dies auch nicht verbieten.

Besucher vor Betreten der Wohnung auf Überwachung aufmerksam machen

123recht.de: Was ist mit Mitbewohnern oder anderen Besuchern? Muss ich auf die Kameras aufmerksam machen oder ein Schild anbringen?

Rechtsanwalt Timm: Bei der Verwendung von Überwachungskameras in der eigenen Wohnung müssen Sie darauf achten, dass das ebenfalls grundrechtlich geschützte Allgemeine Persönlichkeitsrecht Ihrer Mitmenschen gewahrt wird, d.h. diese müssen sich vorab mit der Überwachung einverstanden erklären. Besucher müssen Sie daher bereits vor Betreten der Wohnung auf die Überwachungsmaßnahme aufmerksam machen und im Falle der Verweigerung die Überwachung stoppen. Die Aufklärung über die Überwachung kann vorab mündlich oder schriftlich über ein Schild außerhalb der Räume erfolgen, die überwacht werden, z.B. noch außerhalb der Wohnung neben dem Klingelschild.

123recht.de: Und wenn Kinder involviert sind? Angenommen, Eltern möchten heimlich ihre Kinder überwachen…

Heimliche Überwachung eigener Kinder unzulässig

Rechtsanwalt Timm: Der Schutz des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts beginnt nicht erst mit der Volljährigkeit. Es steht vielmehr allen Personen kraft ihres Menschseins zu. Daher haben auch die eigenen Kinder das Recht, von einer geplanten Videoüberwachung in einer ihrem Alter entsprechenden, verständlichen Weise unterrichtet zu werden und der Überwachung gegebenenfalls zu widersprechen. Eine heimliche Videoüberwachung ist daher auch bei den eigenen Kindern unzulässig.

123recht.de: Was muss man bei Kameras am Hauseingang beachten?

Rechtsanwalt Timm: Eine Kamera am Hauseingang ist nur bei einem eigenen Einfamilienhaus zulässig und nur dann, wenn ausschließlich Personen von dieser aufgezeichnet werden, die vorher in die Videoaufnahme eingewilligt haben. Die Kamera darf daher nur auf die eigene Haustür bzw. das eigene Grundstück ausgerichtet sein und keine Nachbargrundstücke oder die öffentliche Straße mit überwachen.

123recht.de: Kann ich meine Putzfrau oder den Babysitter überwachen?

Rechtsanwalt Timm: Gegenüber Ihrer Putzfrau oder Ihrem Babysitter treten Sie als Arbeitgeber auf. Die heimliche Überwachung unterliegt dabei engen Grenzen und ist nur in Ausnahmefällen zulässig. Bereits eine offene Videoüberwachung, also ein Filmen mit Einwilligung des Arbeitnehmers, verursacht einen ständigen Überwachungsdruck und bedarf daher eines vorrangigen Kontrollinteresses des Arbeitgebers. Eine heimliche Videoüberwachung ist allenfalls kurzfristig als Notwehr gegen Straftaten zulässig.

Straftaten können Videoaufnahmen rechtfertigen

123recht.de: Also etwa wenn es den konkreten Verdacht gibt, dass die Putzfrau immer wieder klaut?

Rechtsanwalt Timm: Im Falle von gegen den Arbeitgeber gerichteten Straftaten wie z.B. Diebstahl können die rechtlich geschützten Güter des Arbeitgebers schwerwiegend beeinträchtigt sein. Dies kann einen gezielten Einsatz von Videokameras rechtfertigen. Aber auch hier ist darauf zu achten, dass die Maßnahme nicht unverhältnismäßig ist. Weniger einschneidende Mittel als die Videoüberwachung dürfen nicht verfügbar und die Maßnahme darf insgesamt nicht unverhältnismäßig sein. In die Interessenabwägung einfließen müssen insbesondere der Wert der entwendeten Gegenstände, die Anzahl der Diebstähle sowie die Vorgehensweise des Arbeitnehmers (lag der entwendete Gegenstand offen herum oder musste gezielt danach gesucht werden?).

123recht.de: Was ist die Folge, wenn ich dennoch heimlich verbotene Videoaufnahmen mache?

Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs

Rechtsanwalt Timm: Heimlich angefertigte Videoaufnahmen verletzen das Allgemeine Persönlichkeitsrecht des Gefilmten. Dies kann zivilrechtlich die Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen des Betroffenen in nicht unerheblicher Höhe nach sich ziehen. Natürlich steht dem Verletzten auch ein Vernichtungsanspruch zu: Die Aufnahmen müssen gelöscht werden. Wird die Aufnahme innerhalb einer fremden Wohnung getätigt, macht sich der Überwachende zudem nach § 201a StGB wegen der Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen strafbar.

123recht.de: Außerhalb von Wohnungen werden Kameras im Auto immer beliebter. Diese so genannten Dashcams filmen die eigene Autofahrt. Wie ist es hiermit, immerhin wird beim Autofahren ja öffentlicher Raum gefilmt?

Rechtsanwalt Timm: Hierbei handelt es sich um ein vergleichsweise neuartiges Phänomen; gesetzliche Regelungen hierzu gibt es in Deutschland kaum und die Zulässigkeit wurde von den obersten Gerichten noch nicht geklärt. Grundsätzlich gilt auch hier: Vor dem Filmen fremder Personen ist deren Einwilligung einzuholen. Eine Aufzeichnung ohne Einwilligung nach § 6b des Bundesdatenschutzgesetzes ist nur zulässig, soweit sie zur Wahrnehmung berechtigter Interessen für konkret festgelegte Zwecke erforderlich ist und keine Anhaltspunkte bestehen, dass schutzwürdige Interessen der Betroffenen überwiegen. Die dauerhafte Aufzeichnung des öffentlichen Straßenlandes und damit das Filmen unbeteiligter Verkehrsteilnehmer durch Verwendung derartiger Kameras erscheint mir daher überaus problematisch. Schließlich können die zufällig gefilmten Personen einer Aufzeichnung im Vorfeld nicht widersprechen, da sie die Aufzeichnung im Regelfall nicht einmal bemerken werden. Die weitere Entwicklung in diesem Bereich bleibt abzuwarten. Ich empfehle, bis zur gesetzlichen oder obergerichtlichen Klärung der Problematik von der Verwendung derartiger Kameras abzusehen.

123recht.de: Aber wäre eine solche Aufnahme im Falle eines Unfalls nicht nützlich? Könnten diese Filme im Falle eines Unfalls vor Gericht als Beweis herangezogen werden?

Dash-Cams als Beweismittel zugelassen?

Rechtsanwalt Timm: Auch hier ist noch Vieles im Ungewissen. Die Justizbehörden haben hierzu bisher kaum Erfahrungen gesammelt. Auf den ersten Blick erscheint die Verwendung derartiger Aufzeichnungen tatsächlich als sehr hilfreich für die Aufklärung von Unfallhergängen. Einzelne Gerichte haben die Verwendung als Beweismittel daher bereits zugelassen. Im Rahmen des Beschlusses des Gerichts, ob es eine derartige Videoaufzeichnung als Beweis zulässt, muss jedoch stets das Allgemeine Persönlichkeitsrecht der unbeteiligten gefilmten Personen mit den grundrechtlich geschützten Positionen der Verfahrensbeteiligten abgewogen werden. Eine Zulassung als Beweismittel kommt vor diesem Hintergrund daher insbesondere bei schweren Unfällen mit Körperschäden, die sich nicht anderweitig aufklären lassen, in Betracht.

Die Rechte der unbeteiligten Verkehrsteilnehmer sollten meines Erachtens in einem solchen Fall jedoch zumindest insoweit geschützt werden, als dass sie auf den Aufnahmen etwa durch Unkenntlichmachung ihrer Gesichter nicht mehr identifizierbar sind.

123recht.de: Man hat den Eindruck, dass Überwachungskameras generell zunehmen, gleichzeitig scheinen aber Straftaten nicht abzunehmen. Wissen Sie von Untersuchungen oder Statistiken zur Wirksamkeit von Kameras zur Abschreckung oder Verbrechensbekämpfung?

Rechtsanwalt Timm: Zu diesem Thema gibt es nur wenige Studien. Einzelne Untersuchungen zeigen, dass Kameras zur Abschreckung oder Verbrechensbekämpfung tatsächlich unwirksam sind. Sie helfen lediglich bei der Aufklärung bereits begangener Straftaten. Dies zeigt beispielsweise eine Studie der Berliner Verkehrsbetriebe, welcher eine 24-Stunden-Videoaufzeichnung in U-Bahnstationen zugrunde lag. Anders hingegen die Studie der Stiftung Deutsches Forum für Kriminalprävention im „CCJG – Review" zur Wirksamkeit der Videoüberwachung. Hiernach gab es vor allem in Großbritannien eine messbare Reduktion der Straftaten. In anderen Ländern, die an der Studie teilnahmen, konnte keine vergleichbare Wirkung der Videoüberwachung festgestellt werden.

123recht.de: Herr Timm, vielen Dank!

Leserkommentare
von Hambarger am 12.08.2013 19:36:41# 1
Schöner Artikel!

Mir fehlt hier so ein bisschen das Balzac-Urteil, das man bzgl. öffentlicher Verweilgelegenheiten oder eben auch privaten Cafés gar nicht oft genug einsetzen kann, um Gewerbetreibenden und Privatpersonen, denen im zufällig vor der eigenen Tür befindlichen öffentlichen Raum der Gaul durchgeht. Im Falle von Cafés, Restaurants und anderen Orten des Verweilens auch drinnen / auf Privatgelände.

Daneben meine ich, daß das Filmen wildfremder Leute im öffentlichen Raum schon zulässig ist. Sonst würden sich ja diverse Touristen fortlaufend strafbar machen. Erst die Veröffentlichung ist problematisch. Und das auch erst bei Erkennbarkeit. Insoweit können Dashcams/Radfahrer mit GoPros/... eigentlich kaum problematisch sein.

Solange man die Ergebnisse nicht gerade unverpixelt (Visagen und Kennzeichen) auf YouTube kippt...
    
von fb353175-1 am 28.05.2014 05:00:17# 2
Hallo,

Wie sieht es denn aus wenn zwar die Kamers laufen, aber keine Aufzeichnung gemacht wird sondern lediglich der Stream auf einen Internen Terminal auf abruf gehallten wird.

Hintergrund ist der, ich würde gerne A meinen Server raum auf den Dachboden überwachen da er ein Sensibler bereich ist und mein Arbeits Zimmer so wie dass Wohnzimmer. Der Stream würde wie gesagt an mein PC, Tablett oder Smardphone (vlt auch PDA) gehen. Mir geht''''s ehr darum die Täter zu überführen als permanente aufzeichnungen anzufertig und damit speicher auf den servern zu verschwenden.

LG, Herbrich
    
von fb468227-79 am 19.06.2017 14:26:58# 3
Hallo, am Wochenende habe ich eine Cam auf den Balkon gefunden. Diese schaut in richtung Carboard. Hier kann man sehen wer reinfährt und reingeht.
Die Obere Wohnung wo jemand eine Cam aufgestellt hat, macht Bildaufnahmen und er kann sich von ieden Ort per Handy Einloggen. Dieses hat er uns jedoch verschwiegen und wir fühlen uns jetzt beobachtet. Wir wissen nicht ob diese Cam auch Ton Aufnahmen macht ? Hintergrund: Meine Mutter wohnt im Erdgeschoss und ich im Kellergeschoss. Der mit der Cam Wohnt im Dachgeschoss und hat auf seinen Balkon diese Cam aufgestellt ohne uns bescheid zu geben. Wie wir auch mitbekommen haben, können auch seine Bekannten sich darüber einloggen und sehen was bei uns los ist. Da diese in richtung Carboard schaut wo er sein Auto parkt, fühlen wir uns nun beobachtet und Überwacht. Denn wir wissen nicht was mit den Bildmaterial passiert ? Weil wir ja immer wieder durch das Carboard gehen. Ist das nun erlaubt ? Oder Macht er sich damit Strafbar, weil er uns nicht bescheid gegeben hat das er eine Cam Aufgestellt hat. ich auf jedenfall fühle mich beobachtet und weiß nicht was er mit den Bilder/Filme macht ? Man traut sich ja nicht mehr mal draussen was reden weil wir nicht wissen wo er sonst noch Cams Aufgestellt hat.
Wie Formaliert man sowas das er diese Cams Abbaut und dieses nicht darf ?
hoffe sie können uns helfen. Danek
    
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