Abmahnwelle bei Tauschbörsen - wann haften Eltern?

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1. Typischer Sachverhalt und Fragen

Zahlreiche Nutzer von Tauschbörsen erhalten Post vom Rechtsanwalt.

Es geht um Strafanzeigen wegen des nicht berechtigten Nutzens von Tauschbörsen, um Unterlassungserklärungen und hohen Schadensersatz. Ein minderjähriges Kind lädt über den Internet/Telefonanschluss seines Vaters in einer P2P (Peer-to-Peer)-Tauschbörse Musik durch einen Upload auf den Rechner. Die Musik wird dann anderen Nutzern zur Verfügung gestellt. Schnell liegt eine unerlaubte Handlung vor und eine Abmahnung mit strafbewehrter Unterlassungserklärung.

Meist wurde schon über Anwälte Strafanzeige erstattet bei der Staatsanwaltschaft.

Im Abmahnschreiben der Anwälte steht, dass man herausgefunden habe, dass durch den Adressaten über eine Tauschbörse MP3-Dateien angeboten wurden, obwohl es möglich sei, den Upload technisch zu unterbinden. Aufgeführt wird meist eine Liste der zur Verfügung gestellten MP3-Dateien, die IP-Adresse des Anschlusses und die genaue Uhrzeit.

Es folgt die Aufforderung zur Abgabe einer Unterlassungserklärung, verbunden mit einer Rechnung, die sich in der Regel auf ca 500 Euro für die Anwaltkosten beläuft.

Das Angebot wird als Vergleichsangebot ausgegeben. Dieses muss innerhalb von zwei Wochen angenommen werden. Wer nicht damit einverstanden ist oder gar nicht binnen der kurzen Frist reagiert, dem wird mit einem Klageverfahren gedroht.

Klar ist und allgemein bekannt, dass das Tauschen von urheberrechtlich geschützten Musiktiteln, Computerspielen, Filmen nicht legal ist. Problematisch und unklar ist, wann der Anschlussinhaber haften soll.

Zahlreiche Nutzer kommen in Betracht: Kinder, Bekannte, Unberechtigte, die einen nicht abgesicherten WLAN-Anschluss nutzen.

Vielen Anwendern von Tauschbörsen ist nicht bekannt, dass sie bei einigen Tauschbörsen schon während des eigenen Downloads wieder Fragmente von Dateien im Upload weitergeben. Dies lässt sich bei vielen Tauschbörsen-Clients abstellen, indem Sie den Upload-Wert auf Null setzen. Je nach Client kann das aber zu einem ungünstigen Upload-Download-Verhältnis führen, so dass Sie auch keine Daten mehr von den Gegenstellen bekommen.

Besonders schwierig ist die Rechtslage, wenn Minderjährige beteiligt sind.

Strittig ist, ab welchem Alter Kinder und Jugendliche eigentlich für eine Urheberrechtsverletzung sinnvoll zur Rechenschaft gezogen werden können. Irreführend wird auch in vielen Forumsbeiträgen die (falsche) Meinung vertreten, dass Tauschbörsennutzung strafrechtlich nicht zu beanstanden sei.

Wann haften Eltern?

„Eltern haften für ihre Kinder" heißt es oft im täglichen Sprachgebrauch.

Trifft es auch hier bei derartig komplizierten Sachverhalten zu?

Eltern haften dann, wenn sie ihre Aufsichtspflicht vernachlässigen.

In wieweit sie diese aber im Zusammenhang mit dem Internet erfüllen müssen (und ob sie das überhaupt können), ist fraglich.

In der Praxis hat der Nachwuchs ab einem gewissen Alter oft viel mehr Know-how im Bereich Internet als die Eltern - und kann auch vorhandene Kindersicherungen aushebeln.

2. Gerichtsentscheidungen

Deutsche Gerichte haben in solchen Fällen bisher unterschiedliche Urteile gesprochen.

  1. Landgericht (LG) Köln (Az. : 28 O 150/06, Urteil vom 22.11.06) Das LG Köln hat 2006 entschieden, dass alleine die Bereitstellung eines Internet-tauglichen PC in der gemeinsamen Wohnung ein willentliches Verhalten, das adäquat kausal für eine Schutzrechtsverletzung des Urheberrechts in P2P-Tauschbörsen ist.

    Was muss der Anschlussinhaber tun?

    Nach Ansicht der Richter muss der Anschlussinhaber prüfen und überwachen, damit keine Rechtsverletzungen über den bereitgestellten Computer vorgenommen werden. Dabei spielt es keine Rolle, dass die Urheberrechtsverletzung durch ein im Haushalt lebendes minderjähriges Kind vollzogen wurde. Es geht vielmehr darum, dass der Anschluss einem Dritten überlassen wurde.

  2. Landgericht (LG) Hamburg Az. : 308 O 139/06, Urteil vom 21.04.06

    In zwei anderen ähnlichen Fällen hatten das Landgericht (LG) Hamburg (Az. : 308 O 139/06, Urteil vom 21.04.06 und Az. : 308 O 58/06, Beschluss vom 25.01.06) und das Landgericht (LG) Mannheim (Az. : 7 O 62/06, Urteil vom 29.09.06) diese Rechtsauffassung bestätigt.

    Auch bei der Frage der Haftung für ein offenes Wireless-Lan-Netzwerk (WLAN) sah das Landgericht (LG) Hamburg (Az. : 308 O 509/06, Beschluss vom 02.08.06) eine Haftung des Anschlussinhabers als Mitstörer als begründet an.

    Wer trägt das Risiko?

    Daraus ergibt sich, dass das Risiko der Haftung bei einem unverschlüsselten WLAN insbesondere beim Anschlussinhaber verbleibt. Dieser muss darauf achten, dass sein WLAN verschlüsselt ist.

  3. Landgericht (LG) Mannheim (Az: 7 O 76/06, Urteil vom 29.09.06)

    Eine andere Rechtsauffassungen hatte das Landgericht Mannheim unter Aktenzeichen: 7 O 76/06 im Urteil vom 29.09.06.

    Eltern können dann nicht als Mitstörer haftbar gemacht werden, wenn der volljährige Sohn als Täter und somit Störer in der Verantwortung steht. Das Gericht sah bei einem volljährigen Kind einen Wissensvorsprung im Bereich der Computer- und Internettechnologie vor seinen Eltern. Das Gericht führte zur Verantwortlichkeit aus: "(.. .) dass ein Vater ein konkretes Familienmitglied nicht ohne Anlass der Begehung unerlaubter Handlungen verdächtigen muss und dementsprechend zur Einleitung von Überwachungsmaßnahmen verpflichtet wäre".

  4. Oberlandesgericht Frankfurt am Main Az- 11 U 52/07 vom 01.07.2008

    Im Fall vor dem Oberlandesgericht Frankfurt ging es ebenfalls um die Verletzung des Urheberrechts durch die Nutzung einer Musik-Tauschbörse. Die Rechteinhaberin des zum Download über die IP-Adresse der Beklagten angebotenen Tonträgers verlangte von dieser neben Unterlassung auch Schadensersatz. Nach dem Vorbringen der Klägerin, unterhalte die Beklagte mit ihrem WLAN-Netz eine Gefahrenquelle. Sie müsse sicherstellen, dass darüber keine Rechtsverletzungen durch Dritte möglich seien. Die Beklagte wandte ein, sie sei im Urlaub gewesen und niemand anderes habe Zugang zu ihrem Computer gehabt.

    Die Vorinstanz hatte der Klägerin Recht gegeben. Dabei wurde offen gelassen, ob die Rechtsverletzung durch die Beklagte oder eine andere Person vorgenommen wurde. Zumindest sahen die Richter eine Sicherungspflicht beispielsweise durch den Einsatz eines individualisierten Passwortes oder mit Hilfe der Verschlüsselungsmethode WPA 2 als notwendig an. Ansonsten hafte die Beklagte als Störerin.

    Anders sah es das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (Az. : 11 U 52/07, Urteil vom 01.07.08). Das Gericht hat das Urteil der Vorinstanz aufgehoben und die Klage abgewiesen. Nach Auffassung dese Richter war die Anschlussinhaberin nicht Störerin. Eine uneingeschränkte Haftung und anlassunabhängige Überwachungspflicht für und aufgrund fremder Rechtsverletzungen über den WLAN-Zugang besteht für die Beklagte nicht. Die Beklagte muss nicht für vorsätzlich rechtswidriges Verhalten Dritter einstehen, mit der sie keinerlei Verbindung habe.

    Die Pressemitteilung des Gerichts zum Fall lautet:

    "Eine Störerhaftung komme danach nur in Betracht, wenn Prüfungspflichten verletzt worden seien. Dies wiederum setze konkrete Anhaltspunkte für rechtswidrige Handlungen Dritter voraus. Auch der WLAN-Anschlussbetreiber im privaten Bereich hafte daher nicht wegen der abstrakten Gefahr eines Missbrauchs seines Anschlusses von außen, sondern erst, wenn konkrete Anhaltspunkte hierfür bestünden. Solche konkreten Anhaltspunkte hätten für den Beklagten nicht vorgelegen. Die Behauptung der Klägerin, das Risiko, dass Dritte sich über einen fremden WLAN-Anschluss Zugang zum Internet verschafften, sei allgemein bekannt, sei zweifelhaft und im Übrigen viel zu ungenau, als dass sich daraus Rückschlüsse auf das tatsächlich bestehende Risiko herleiten ließen."