Abgrenzung von Selbstständigen und Scheinselbstständigen (Arbeitnehmern) – Kriterien (Teil 1)

Mehr zum Thema: Arbeitsrecht, Scheinselbstständigkeit, Abgrenzung, Selbstständige, Mitarbeiter, Weisungsgebundenheit
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Abgrenzungskatalog

Der nachfolgende Abgrenzungskatalog soll einen Überblick über die wichtigsten Abgrenzungsmerkmale zwischen selbstständigen Mitarbeitern und tatsächlichen Arbeitnehmern bieten. Dabei muss stets die typologische Betrachtungsweise des Bundesarbeitsgerichts berücksichtigt werden. Das Gericht hält die Aufstellung abstrakter, für alle möglichen Arbeitsverhältnisse geltender Kriterien für unmöglich. Als Konsequenz sieht es das Gesamtbild unter Berücksichtigung der Umstände des einzelnen Falles als maßgeblich an. Daher empfiehlt es sich, immer zunächst zu prüfen, ob es in der Rechtsprechung schon Entscheidung zu dem konkreten Arbeitsverhältnis gibt.

Beispiel zum Umgang mit typologische Betrachtungsweise

Wer die rechtliche Einordnung eines Versicherungsvertreters überprüfen will, sollte zunächst die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu diesem Thema überprüfen. Er wird dann feststellen, dass vertragliche Pflichten des Versicherungsvertreters, die lediglich Konkretisierungen der Vorgaben aus § 86 HGB oder aufsichts- und wettbewerbsrechtlichen Vorschriften sind, keine Weisungsabhängigkeit des Versicherungsvertreters als Arbeitnehmer begründen können (BAG, Urteil vom 15. Dezember 1999 – 5 AZR 169/99 –, BAGE 93, 132-150). Hier müssen dann zusätzliche Kriterien gefunden werden, wenn zum Beispiel die Arbeitnehmereigenschaft begründet werden soll.

Die folgenden Kriterien stellen Indizien für eine Arbeitnehmereigenschaft des jeweiligen Mitarbeiters dar:

Kriterium der örtlichen Weisungsgebundenheit

Maßgeblich für die örtliche Weisungsgebundenheit ist die Frage, ob und inwieweit der Mitarbeiter verpflichtet ist, regelmäßig in vom Arbeitgeber vorgegebenen Örtlichkeiten zu erscheinen bzw. im Rahmen der Tätigkeit sich dort aufzuhalten.

Beispiel: die örtliche Weisungsgebundenheit kann auch in einem Home-Office bestehen, wenn der Mitarbeiter verpflichtet ist, sich zu bestimmten Zeiten dort aufzuhalten und von dort die Tätigkeit zu erbringen.

Ausnahmebeispiel: Außendienstmitarbeiter

Zeitliche Weisungsgebundenheit

Für die Frage der zeitlichen Weisungsgebundenheit ist nicht nur entscheidend, ob der Mitarbeiter die Tätigkeiten innerhalb vorgegebener Zeiträume ausüben muss. Auch eine Vorgabe hinsichtlich des zeitlichen Umfangs der Tätigkeit insgesamt kann eine zeitliche Weisungsgebundenheit indizieren. Auch die Vorgabe bestimmter Abgabetermine kann zu einer zeitlichen Weisungsgebundenheit führen.

Ausnahmebeispiele: Heimarbeiter, Teilzeitbeschäftigte

Fachliche Weisungsgebundenheit

Die fachliche Weisungsgebundenheit ist durch das Maß gekennzeichnet, in dem der Mitarbeiter Vorgaben hinsichtlich der Art und Weise der Durchführung der Tätigkeit erhält.

Ausnahmebeispiel: Chefärzte, Künstler, Journalisten

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