Hallo mal eine Frage in eigenem Interesse.
Ich habe heute einer Gerichtsverhandlung als Zuhörerin beigewohnt.
Folgender Sachverhalt :
Person war angeklagt in 74 selbstständigen Handlungen gewerbsmäßigen Betrug begangen zu haben. Schadenshöhe mir nicht bekannt. Einschlägige Vorstrafen laut BZR
2005 Betrug 30 Tagessätze, 2009 Betrug in 6 Fällen 100 Tagessätze..
Heutiges Urteil, (Strafrichter) schuldig des Gewerbsmäßigen Betruges in 74 Fällen
Freiheitsstrafe 20 Monate auf Bewährung Bewährungszeit 4 Jahre Bewährungshelfer bestellt. Angeklagter zeigte sich geständig, reuig und einsichtig.
Wie ergibt sich das Strafmaß bzw Strafzumessungskriterien zumal legt ja das Stgb pro Tat schon eine Mindeststrafe von 6 Monaten als Einsatzstrafe zu Grunde und er brachte 2 einschlägige Vorstrafen mit in den Saal. Lg Julia
gewerbsmäßiger Betrug (Eigeninteresse)
Notfall oder generelle Fragen?
Notfall oder generelle Fragen?
StGB § 263a
Betrug legt fest wie der Strafrahmen anzusetzen ist. Bei gewerbsmäßigen Betrug ist alles zwischen 6 Monaten und 10 Jahren möglich.
Nun kann man nicht eine Straftat bzw. ein Strafmaß nehmen und dieses mit x multipilizieren um daraus eine Gesamtfreiheitsstrafe zu bilden.
Hier liegen 74 tatmehrheitliche Straftaten vor. Dazu kommen Faktoren wie Vorgeschichte, kriminelle Energie, Reue, Alter und Reife (Jugendstrafrecht).
Bei 74 Handlungen kann mit hoher Sicherheit (der Richter wird das ja alles gelesen haben) von einer hohen Schadenssumme ausgegangen werden (vermute zw. 5000-10000 Euro), was strafschärfend dazu kommt.
Es muss auch berücksichtigt werden, dass er den Schaden wieder gut machen muss (Abzahlen, Insolvenz geht nicht, weil Straftathandlung).
Hier könnte der Richter gedacht haben: "Okay der Beklagte, wird noch sehr lange an dieser Tat zu knabbern haben, das könnte man ihm als Bonus auf die Gesamtstrafe anrechnen."
Mit dem Wissen, dass die Strafe zw. 6 Monaten und 10 Jahren liegen kann, wurde das Mindestmaß genommen und angemessen erhöht.
Durch die hohe Zahl der Geschädigten, fiel das Urteil sehr happig aus, auch Vorstrafen und ein wiederkehrendes Verhalten haben die Strafe erhöht. Die 4 Jahre Bewährung sind eine lange Zeit und es wird sicherlich auch Auflagen gegeben haben.
Der Richter muss auch abwägen, ob es für die Allgemeinheit zumutbar ist (also ein Risiko) den Angeklagten auf freien Fuß zu lassen, in der Hoffnung, dass er keine weiteren Schäden anrichtet, oder ob er eine Gefahr für die Öffentlichkeit darstellt bzw. andere "korrigierende Mittel" passend sind, da auch jeder Inhaftierte Geld kostet.
Bewährungsauflagen waren, Bewährungshelfer, jeden Wohn und Arbeitsplatz wechsel mitteilen und eine Geldauflage in Höhe von 2000 Euro an eine gemeinnützige Einrichtung.. Schaden war im höheren 5stelligen Bereich.. Sportwetten
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Zitat:Mit dem Wissen, dass die Strafe zw. 6 Monaten und 10 Jahren liegen kann, wurde das Mindestmaß genommen und angemessen erhöht.
Auch wenn es sich unter dem Strich gleich anhört, wurde das nicht so gemacht
Bei der Gesamtstrafenbildung wird für jede Einzeltat eine -mehr oder weniger fiktive- Einzelstrafe verhängt. In einer Gesamtbetrachtung wurde dann die höchste dieser Einzelstrafen tat- und schuldangemessen erhöht. Mit der Mindeststrafe (für irgendwas) hat das nichts zu tun (außer natürl. dass keine der Einzelstrafen unter der Mindeststrafe für das jeweilige Delikt liegen darf, falls nicht Strafmilderungsgründe eingreifen)
Die Bildung von Einzelstrafen ist deshalb wichtig, da wiederrum die höchste Einzelstrafe maßgeblich ist, sollte es später noch mal zu einer nachträglichen Gesamtstrafenbildung einer neuen Strafe mit der bereits verhängten Gesamtstrafe kommen, da dann die "alte" Gesamtstrafe wieder in ihre Einzelstrafen aufgesplittet wird und unter Einbeziehung der neuen Strafe eine erneute -dann nachträgliche- Gesamtstrafe gebildet wird.
Danke für die Verständnisvolle aufklärung
Aber ist er nicht mit den 20 Monaten recht "milde" davon gekommen ?
Ja, hört sich so an.
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