Aufstockungsunterhalt für Freiberufler nach der Scheidung

25. Juni 2017 Thema abonnieren
 Von 
Andreas.H
Status:
Frischling
(4 Beiträge, 0x hilfreich)
Aufstockungsunterhalt für Freiberufler nach der Scheidung

Hallo liebe 123recht Community,
eine Frage zum Thema Aufstockungsunterhalt:
Nach der Scheidung plant die Unterhaltsberechtigte (Naturwissenschaftlerin, Mutter mit 2 erwachsenen Kindern im Studium) als Freiberuflerin tätig zu werden und möchte ihr eigenes Gutachterbüro starten. Sie hat während der Kindererziehung auch ein paar Jahre lang ein eigenes Gutachterbüro betrieben. Der zu erwartende Verdienst liegt in den ersten Jahren auch bei Vollzeiteinsatz ca. 50% unter dem Verdienst im Falle einer Anstellung.
Besteht eine Verpflichtung der Unterhaltsberechtigten eine höher bezahlte Stelle als Angestellte zu suchen und anzunehmen, damit der zum Unterhalt verpflichtete ex-Ehemann mit hohem Einkommen weniger Aufstockungsunterhalt zahlen muss?
Oder hat die Unterhaltsberechtigte ein Recht auf Ausübung einer Erwerbstätigkeit ihrer Wahl, auch wenn ihre Verdiensterwartung im Falle der Selbständigkeit erstmal relativ gering ist
Für Eure Unterstützung herzlichen Dank vorab.
Beste Grüße

-- Editier von Andreas.H am 25.06.2017 18:33

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7 Antworten
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#1
 Von 
Sir Berry
Status:
Unparteiischer
(9326 Beiträge, 2998x hilfreich)

Ab der Scheidung greift der Grundsatz der Eigenverantwortung.

Einen Grund, dass die Ex-Ehefrau eine Unterhaltsanspruch über den Trennungszeitraum hinaus haben könnte, kann man Deinem kurzen Text nicht entnehmen.

Unterstellen wir, das ein Ausgleich für noch einige wenige Jahre ausgeurteilt wird, ist die Ex aus nachehelicher Solidarität gehalten, ihre Verdienstmöglichkeiten im zumutbaren Rahmen voll auszuschöpfen. Die Selbstverwirklichung hat dahinter an zu stehen.

Deshalb wird vermutlich nicht Dein Gehalt aus selbstständiger Tätigkeit sondern ein fiktives Eigengehalt bei der Berechnung zu Grunde gelegt.
Sprich: es hindert Dich niemand selbstst#ndig zu arbeiten; nur werden nicht diese Zahlen genutzt.

Der Bereich des nachehelichen Unterhalts ist von so vielen Individualfaktoren und nicht zu vernachlässigen auch von der Qualität der Argumente der Gegenpartei abhängig. Da ist eine auch nur halbwegs treffende Prognose ohne komplette Kenntnis wie glaskugellesen.

Der alte Spruch "einmal Arztehefrau - immer Arztehefrau" gilt seid der letzten großen Reform des Unterhaltsrechts nicht mehr.

Berry

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#2
 Von 
Andreas.H
Status:
Frischling
(4 Beiträge, 0x hilfreich)

Hallo Berry, besten Dank, sehr hilfreich.
Ggf. liegt ein Missverständnis vor. Der Vergleich in Deinem letzten Satz passt nicht.
Die Unterhaltsberechtigte ist promovierte Naturwissenschaftlerin, der Ex-Mann verdient überdurchschnittlich. Sie war wegen der Kindererziehung im Einverständnis mit dem Ehemann aus dem Berufsleben ausgeschieden. Ihr Gehalt wäre ohne Ausscheiden aus dem Berufsleben jetzt natürlich relativ hoch, sie fängt aber jetzt bei nahezu Null an. Der Berufseinstieg nach 18 Jahren ist für eine qualifizierte Person eine besondere Herausforderung, weil man auf dem Stand der 25 - 30 jährigen im Arbeitsmarkt steht. Das wird in der Unterhaltszahlung berücksichtigt.
Hast Du ggf. einen Link zu einem Urteil, das diese Aussage bestätigt? "Die Selbstverwirklichung hat dahinter an zu stehen."
Nochmal herzlichen Dank für Deinen Input.
AH

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#3
 Von 
Andreas.H
Status:
Frischling
(4 Beiträge, 0x hilfreich)

Noch eine Info: die Dauer der Ehe liegt bei über 15 Jahren.

0x Hilfreiche Antwort

Andreas.H hat einen Anwalt dazugeholt. Die Antwort finden Sie unten in diesem Thread.

#5
 Von 
Sir Berry
Status:
Unparteiischer
(9326 Beiträge, 2998x hilfreich)

Hallo Andreas,

das ist dann aber eine ganz andere zu bewertende Situation. In dem Fall ermittelt das Gericht auch was X unter Berücksichtigung Ihrer Vita aktuell verdienen könnte und stellt das dem Betrag gegenüber, den sie vermutlich bei durchgängiger Tätigkeit jetzt verdient hätte. Dieser Unterhaltsanteil wird oftmals zeitlich unbeschränkt zugestanden.

Ich schrieb ja schon, viele individuelle Faktoren.

Berry

1x Hilfreiche Antwort

#6
 Von 
Andreas.H
Status:
Frischling
(4 Beiträge, 0x hilfreich)

Hallo Berry,

zum Verständnis:

a) das Gericht ermittelt was die unterhaltsberechtigte Ehefrau aktuell am Arbeitsmarkt verdienen könnte, z.B. EUR 6000 pro Monat. Aufgrund der fehlenden Berufsjahre und des fortgeschrittenen Alters sind Führungspositionen nicht mehr möglich.

b) bei durchgängiger Tätigkeit hätte sie in ihrer Branche ein Einkommen heute von ca. 9.000 - 11.000 EUR / Monat

Meine Frage:
Diese Differenz von EUR 3000 - 5000 / Monat wäre dann ein zeitlich unbeschränkt zugestandener Aufstockungsunterhalt ?

Herzlichen Dank nochmal & Beste Grüße

AH

0x Hilfreiche Antwort

Einschätzung von
Rechtsanwältin Denise Gutzeit
dazugeholt von Andreas.H
#7

Sehrt geehrter Fragesteller,

ihr Anfrage möchte ich Ihnen wie folgt beantworten:


Der Begriff „Aufstockungsunterhalt" beinhaltet bereits die Tatsache, dass es sich bei dieser Art von Unterhaltsgewährung nur um eine Zusatzleistung zu dem selbst erzielten Einkommen des jeweiligen Berechtigten handelt.

Aufstockungsunterhalt Voraussetzung für den Unterhaltsanspruch ist, dass eine eheliche Gemeinschaft bestanden hat und dass während der nicht unerheblichen Ehezeit einer der Ehegatten ein deutlich höheren Verdienst erzielt hat als der andere Ehegatte – in den meisten Fällen wird die Ehefrau den geringeren erzielt haben. Trotz moderner Lebenseinstellung wird die Haushaltstätigkeit meistens von Frauen geleistet, die dafür auf einen beruflichen Aufstieg verzichten.

Ein konkret feststellbarer Verzicht auf berufliches Vorankommen kann als „ehebedingter Nachteil" gewertet werden, wenn die Ehe scheitern sollte. Besonders häufig kollidieren berufliche Fortbildung und Karriere mit der Verantwortung bei der Kindererziehung. Beim Scheitern des Ehebundes, der sehr lange bestanden hat, ist es angemessen, dem geringer verdienenden Ehepartner durch einen angemessenen Ausgleich die Beibehaltung des gewohnten Lebensstandards zu ermöglichen.

Grundsätzlich steht seit der Unterhaltsreform von 2008 das Prinzip der Eigenverantwortung bei der Bemessung von nachehelichem Unterhalt im Vordergrund.
Der Anspruch auf Aufstockungsunterhalt blieb als Ausnahmeregelung bestehen, ist aber davon abhängig, dass konkrete ehebedingte Nachteile für den Anspruchsteller eingetreten sind. Im Falle einer unverschuldeten Scheidung soll keinem Ehegatten, der mehr Zeit in die Familie als in den Beruf investiert hat, ein sozialer Abstieg zugemutet werden. Gleichzeitig soll die Ehe im Falle ihres Scheiterns nicht mehr automatisch für lebenslange Versorgung auf hohem Niveau mit nachehelicher Unterhaltsgewährung stehen, der geschiedene Partner muss also eine angemessene Erwerbstätigkeit ausüben, die zumindest seiner Ausbildung entspricht.

Der Aufstockungsunterhalt kann deshalb gem. § 1578 BGB befristet werden. Nach der rechtskräftig gewordenen Ehescheidung soll es dem geringer verdienenden Ehegatten nach Ablauf einer Übergangszeit zugemutet werden, auf einem Niveau zu leben, dass er mit seinem eigenen Einkommen finanzieren kann.

Bei der Bemessung der Frist ist die Dauer der Bindung ein wichtiges Kriterium. Eine Ehe, die nicht länger als 3 Jahre bestanden hat, wird vom Bundesgerichtshof nicht als ausreichende Grundlage für den Aufstockungsunterhalt anerkannt.
Das Oberlandesgericht Karlsruhe entschied in einem Urteil vom 25.02.09 zum Aktenzeichen 2 UF 200/08 , dass bei einer kinderlosen Ehe, die 17 Jahre lang gehalten hat, eine Begrenzung des Aufstockungsunterhalts auf vier Jahre angemessen sei.
Allein der Aufstockungsunterhalt gibt einen Anspruch darauf, an dem während der Ehe erworbenen Wohlstand auch nach der Scheidung teil zu haben. Hier steht die eheliche Solidarität im Vordergrund, die auch nach rechtskräftiger Scheidung in angemessenem Maße fortbesteht. Verstößt der Unterhaltsberechtigte selbst gegen das Prinzip der ehelichen Solidarität, dann kann er den Unterhaltsanspruch verwirken oder eine Herabsetzung von Unterhalt veranlassen.
Von der Rechtsprechung wurde beispielsweise ein Verstoß gegen die Verpflichtung, ohne Aufforderung über eine Erhöhung der eigenen Einkünfte zu informieren, als Grund für eine zeitweise Verwirkung angesehen (BGH, XII ZR 107/06 , Urteil vom 16.04.2008).

Wenn ein Unterhaltsanspruch dem Grunde nach besteht, ist die Berechnung des konkret geschuldeten Unterhaltsbetrages nach der Differenzmethode im Familienrecht durchzuführen. Die Einkünfte beider Ehegatten werden einander gegenübergestellt. Von der sich ergebenden Differenz stehen demjenigen, der den geringeren Verdienst erzielt, in der Höhe 3/7 zu. Die Berechnungen werden durch die Gerichte meistens pauschal und ohne Anspruch auf absolute mathematische Genauigkeit durchgeführt.

Der Geringverdiener muss jedoch nachweislich einer angemessenen Tätigkeit nachkommen oder sich zumindest nachweislich darum bemühen

(Zitat) "Der Anspruch auf Aufstockungsunterhalt setzt nach der Rechtsprechung des Senats voraus, dass der Unterhalt begehrende geschiedene Ehegatte eine angemessene Erwerbstätigkeit ausübt oder ausüben kann (Senatsurteile vom 10. November 2010 - XII ZR 197/08 - FamRZ 2011, 192 Rn. 16; vom 26. Oktober 2011 - XII ZR 162/09 -; vom 7. Dezember 2011 - XII ZR 159/09 - jeweils zur Veröffentlichung bestimmt und vom 16. Dezember 1987 - IVb ZR 102/86 - FamRZ 1988, 265 , 266)."
(Zitat) "Der Aufstockungsunterhalt spiegelt danach nur den Teil des Lebensbedarfs wider, der auf dem in der Ehe erhöhten Lebensstandard beruht". Der Bedarf an Aufstockungsunterhalt nach § 1573 Abs.2 BGB kann lässt sich damit rechnerisch als Differenzbetrag zwischen dem ermittelten BEDARF nach den EHELICHEN LEBENSVERHÄLTNISSEN und dem anzurechnenden Einkünften aus einer angemessenen Erwerbstätigkeit darstellen.
Dies führt für die Ermittlung des BEDARFS an Aufstockungsunterhalt zu der Formel

BEDARF nach den EHELEICHEN LEBENSVERHÄLTNISSEN (§ 1578 BGB )
abzgl. TATSÄCHLICHER EINKÜNFTE des Unterhaltsberechtigten
abzgl. FIKTIVER EINKÜNFTE aus unterlassener, aber zumutbarer angemessener Erwerbstätigkeit des Unterhaltsberechtigten gem. § 1574 BGB
abzgl. unterhaltsrelevanter ABZÜGE

In Ihrem Fall wird also das fiktive Einkommen, dass die Exfrau erwirtschaften könnte bei einer Anstellung anspruchsmindernd berücksichtigt.

Bei weiteren Fragen oder wenn Sie bei diesem Fall Hilfe brauchen sollten, stehe ich Ihnen selbstverständlich jederzeit telefonisch unter 0511 12356737 zur Verfügung, da unsere Kanzlei auch auf bundesweite Mandate ausgerichtet ist, ohne dass Ihnen dadurch Mehrkosten entstehen. Die von Ihnen entrichtete Beratungsgebühr würde im Falle einer Beauftragung angerechnet werden.

Mit freundlichen Grüßen


Gutzeit
Rechtsanwältin

2x Hilfreiche Antwort

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