Elternunterhalt – Das Sozialamt bittet Kinder zur Kasse

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Neue Entscheidungen des BGH stärken die Position der Unterhaltspflichtigen

Können Eltern – oft aufgrund von Krankheit oder Umzug ins Altersheim – ihren Lebensunterhalt nicht mehr selbst finanzieren, zahlt zunächst das Sozialamt. Bei entsprechendem Einkommen und Vermögen werden die Kinder „zur Kasse gebeten". Ist das Einkommen obendrein durch den Ehepartner abgesichert, kann das Amt noch mehr Finanzmittel einfordern; in manchen Fällen selbst von den Schwiegereltern.

Der Elternunterhalt ist in der Praxis Anlass für zahlreiche rechtliche Auseinandersetzungen geworden. Deshalb gilt es, sich rechtzeitig kompetenten Rechtsrat einzuholen, um die eigene Einkommens-, Belastungs- und Vermögenssituation so zu gestalten, dass der Unterhaltsanspruch nach Abzug des Selbstbehalts gegen Null tendiert.

Im Folgenden werden wir Ihnen einen kleinen Einblick in die Problematik geben:

  1. Unterhaltspflicht

    Verwandte in gerader Linie sind gemäß § 1601 BGB grundsätzlich verpflichtet, einander Unterhalt zu gewähren. Der Gesetzgeber und die Rechtsprechung fassen die Unterhaltspflicht sehr weit. Lediglich, wenn die Unterhaltsgewährung eine „unbillige Härte" darstellen würde, sollen Verwandte in gerader Linie nicht unterhaltsverpflichtet sein. Ein solcher Fall läge nach dem Bundesgerichtshof ( Az XII ZR 326/01) beispielsweise vor, wenn die „Familienbande zumindest stark gelockert sind" und die Eltern eine „emotionale und materielle Zuwendung" über Jahre haben vermissen lassen.

  2. Höhe des Unterhalts

    Die Höher des Unterhaltes richtet sich nach der Höhe von Einkommen und Vermögen des Unterhaltspflichtigen. Es ist jedoch keinesfalls so, dass das gesamte verfügbare Einkommen für den Unterhalt herangezogen werden kann. Grundsätzlich gilt, dass lediglich Einkommensstarke ihren Eltern Unterhalt leisten müssen.

    Laufendes Einkommen

    1. „Bereinigtes Nettoeinkommen"

      Zur Ermittlung der Höhe des Unterhalts wird das so genannte „bereinigte Nettoeinkommen" herangezogen. Von dem jeweiligen Nettoeinkommen werden die bestehenden Belastungen abgezogen. Vergütungen von Überstunden werden, wenn sie in dem vom Unterhaltsschuldner ausgeübten Beruf üblich und regelmäßig anfallen, unterhaltsrechtlich in vollem Umfang herangezogen; allerdings nur bis zu 60 Stunden in der Woche (BGH). Bei deutlich über dem berufstypisch üblichen Rahmen hinaus geleisteten Überstunden kann aus Billigkeitsgründen von einer vollen Anrechnung abgesehen werden.

    2. Belastungen

      Als Belastungen können zum Beispiel folgende Aufwendungen herangezogen werden:

      • Allgemeine Krankenvorsorge;
      • private Altersvorsorge (BGH, AZ: XII ZR 149/01: mindestens 5% des Bruttolohns);
      • berufsbedingte Aufwendungen;
      • Fahrtkosten zur Arbeitsstelle;
      • Kosten für die krankheitsbedingte oder berufsbedingte Anschaffung eines Pkw;
      • krankheitsbedingte Aufwendungen;
      • unter Umständen Verbindlichkeiten (Schulden);
      • die Pflegeversicherung und
      • Werbungskosten.

      Ob und in welcher Höhe in Ihrem konkreten Einzelfall eine Heranziehung dieser Aufwendungen als Belastungen im Sinne des § 1603 Abs. 1 BGB möglich ist, ist nach den jeweiligen Umständen zu entscheiden.

    3. Selbstbehalt

      Wenn das „bereinigte Nettoeinkommen", durch Abzug der anrechnungsfähigen Belastungen vom Nettolohn, ermittelt ist, wird den Unterhaltspflichtigen ein Betrag als Selbstbehalt zugebilligt. Dieser Selbstbehalt ist nicht durch Unterhaltsansprüche antastbar und beträgt für Verheiratete 2.200 € (1.250 € Unterhaltspflichtiger [inkl. 440 € Warmmiete] und 950 € Ehegatte [inkl. 330 € Warmmiete]) monatlich.

    4. Unterhalt

      Von dem Betrag, der das „bereinigte Nettoeinkommen" abzüglich des Selbstbehaltes übersteigt, werden 50% (so durch den BGH empfohlen) zum Unterhalt herangezogen.

    Vermögen

    Nicht nur mit seinem Einkommen, auch mit seinem Vermögen muss man für den Unterhalt der Eltern einstehen. Zum Vermögen zählen

    • Eigentumswohnungen
    • Ferienhäuser
    • Bankguthaben
    • Aktien und Wertpapiere

    1. Schonvermögen

      Wie beim Einkommen gilt aber auch hier, dass bis zu einem gewissen Grad vorhandenes Vermögen nicht herangezogen wird. Ältere Entscheidungen des BGH billigen einen Betrag von bis zu 150.000,-- Mark zu.

    2. Selbstgenutztes Wohneigentum

      Auch das selbstgenutzte Wohneigentum darf in der Regel nicht angetastet werden.

    Haftung mehrerer gleich naher Verwandter

    Gleich nahe Verwandte haften einander nach ihren Erwerbs- und Vermögensverhältnissen. Für die anteilige Haftung kommen nur die leistungsfähigen Verwandten in Betracht. Fällt einer von ihnen ganz oder teilweise aus, treten bei entsprechender Leistungsfähigkeit die nachrangig haftenden Verwandten hinzu.

Resüme:
Eine konkrete Aussage im Einzelfall über die Höher der Unterhaltspflicht lässt sich nur bei hinreichender Kenntnis aller Umstände treffen. Hier gilt: Vorsorge ist besser als Nachsorge, will heißen: Holen Sie sich bei Zeiten kompetenten Rechtsrat ein, unser Büro steht Ihnen hierzu gerne zur Verfügung.

Von Rechtsanwältin Regine Filler, Göttingen, Tel. : 0551 - 79 77 666
Interessenschwerpunkte: Verwaltungsrecht, Sozialrecht, Insolvenzrecht, Familienrecht, Straßenverkehrsrecht