Tatvorwurf der Bestechung nach § 299 StGB gegenüber einem Kassenarzt als Beauftragter der Krankenkasse

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Tatvorwurf der Bestechung nach § 299 StGB gegenüber einem Kassenarzt als Beauftragter der Krankenkasse

Die Frage, ob sich ein Kassenarzt wegen des Vorwurfs der Bestechung strafbar machen konnte, wenn er z.B. für die Verschreibung bestimmter Medikamente eines Pharmaherstellers Vergünstigungen z.B. in Form eines Schecks, Reisen und Praxisinventar erhält, war zuletzt nur Thema bei Diskussionsforen unter Juristen.

Bisher waren sich die Richter immer einig, dass der niedergelassene Kassenarzt kein tauglicher Täter einer Bestechung im Sinne des 299 Abs. 1 StGB sein kann, da der niedergelassene Kassenarzt als Freiberufler weder irgendjemandes Angestellter noch Beauftragter ist.

Sascha  Kugler
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Nunmehr hat das Langgericht Ulm erstmals in zwei Fällen anders entschieden und zwei niedergelassene Ärzte mit eigener Praxis wegen Bestechlichkeit im Sinne des § 299 StGB zu einer Freiheitsstrafe zu einem Jahr auf Bewährung und einer Geldstrafe in Höhe von 20.000,00 € verurteilt. Den Ärzten wurde vorgeworfen jahrelang ihren Patienten Medikamente eines bestimmten Pharmakonzerns verschrieben und im Gegenzug Schecks erhalten zu haben.

Die Urteile haben nicht nur unter Ärzten sondern auch in der Presse für Aufsehen gesorgt. Dabei waren diese beiden Urteile für Juristen vorhersehbar, denn die Urteile sind eine Fortsetzung der höchstrichterlichen Rechtssprechung des Oberlandesgericht Braunschweig, welches in einem Beschluss vom 23. Februar 2010 als erstes Obergericht festgestellt hat, dass die Bestechungsparagraphen auf die beschriebene und bis heute weit verbreitete Praxis bei niedergelassenen Kassenärzten anwendbar sind. Obwohl bereits in der Entscheidung des OLG Braunschweig ein Umdenken der Gerichte hinsichtlich der Frage der Strafbarkeit eines Arztes wegen Bestechung zu erkennen war, wurde dieser Entscheidung keine große Bedeutung beigemessen, weil es in diesem Fall nicht um die Strafbarkeit eines Arztes in der Hauptsache ging.

Das OLG Braunschweig hat in dieser Entscheidung aber bereits deutlich die Rechtsaufassung, dass es sich bei einem niedergelassenen Kassenarzt um einen Beauftragten i. S. d. genannten Vorschrift des geschäftlichen Betriebes der Krankenkassen handelt.

Ein Beauftragter in diesem Sinne ist, wer ohne Geschäftsinhaber oder Angestellter zu sein, aufgrund seiner Stellung berechtigt und verpflichtet ist, für den Betrieb zu handeln und auf die betrieblichen Entscheidungen Einfluss zu nehmen. Die Beauftragtenstellung eines Kassenvertragsarztes zeigt sich bereits in dem Rechtsverhältnis zwischen den Krankenkassen, den Kassenärzten, den Kassenpatienten und den Apotheken bei der Verordnung von Medikamenten, um die es hier geht. Nach § 27 Abs. 1 S. 1, S. 2 Nr. 3, 31 Abs. 1 SGB V haben die Versicherten in der gesetzlichen Krankenversicherung einen Anspruch auf Krankenbehandlung. Als Bestandteil der Krankenbehandlung sind Arznei, Verband, Heil- und Hilfsmittel als Sachleistung zu erbringen. Ein derartiger Sachleistungsanspruch kann grundsätzlich nur dadurch begründet werden, dass ein Vertragsarzt das Arzneimittel auf Kassenrezept verordnet und damit die Verantwortung für die Behandlung übernimmt, da die §§ 31 ff. SGB V keine unmittelbar durchsetzbaren Ansprüche gewähren, sondern lediglich ausfüllungsbedürftige Rahmenrechte darstellen. Ein bestimmtes Arzneimittel kann der Versicherte daher erst dann beanspruchen, wenn es ihm als ärztliche Behandlungsmaßnahme in Konkretisierung des gesetzlichen Rahmenrechts zum Vertragsarzt als einem mit öffentlichrechtlicher Rechtsmacht "beliehenen" Verwaltungsträger verschrieben wird. Bei Verordnung einer Sachleistung gibt der Vertragsarzt mit Wirkung für und gegen die Krankenkasse die Willenserklärung zum Abschluss eines Kaufvertrages über die verordneten Medikamente ab; man kann ihn durchaus als "Schlüsselfigur der Arzneimittelversorgung" bezeichnen. Der Apotheker, dem das Kaufvertragsangebot der Krankenkasse mit Vorlage der Kassenärztlichen Verordnung durch die Versicherten angetragen wird, nimmt dieses an, indem er dem Versicherten das verordnete Arzneimittel aushändigt. Es handelt sich um einen zwischen der Krankenkasse und dem Apotheker - unter Einschaltung des Vertragsarztes als Vertreter der Krankenkasse - geschlossenen Vertrage zugunsten der Versicherten. Dem Apotheker obliegt bei Vorlage des Kassenärztlichen Rezeptes zwar eine eigenständige, aber begrenzte Prüfungspflicht, insbesondere obliegt ihm nicht die Überprüfung, ob die Verschreibung sachlich begründet ist. Verstoßen Vertragsärzte gegen ihre vertragsärztlichen Pflichten, so kann die Kassenärztliche Vereinigung Maßnahmen anregen, bzw. die Entziehung der Zulassung beantragen. Der Kassenvertragsarzt ist also auf Grund der ihm durch Gesetz zugewiesenen Aufgabe berechtigt und verpflichtet, für den Betrieb - hier die Krankenkassen - zu handeln. Durch die Art und Menge der von ihm verordneten Medikamente nimmt er damit erheblich auf die betrieblichen Entscheidungen Einfluss. Er ist verantwortlich und maßgebend dafür, ob zwischen der Krankenkasse und der Apotheke ein Vertrag über den Kauf von Medikamenten zustande kommt. "

Den Urteilen des Landgerichts Ulm liegt eine ähnliche aber noch nicht veröffentlichte Begründung zugrunde.

Dieser Rechtsauffassung des OLG Braunschweig sowie des Landgerichts Ulm ist jedoch entschieden zu widersprechen. Die Entscheidungen grenzen nahezu an Rechtsbeugung, denn sie verkennen, dass der niedergelassene Kassenarzt  weder geschäftlich für die Krankenkassen tätig ist noch durch diese als vermeintlicher Geschäftsherr in irgendeiner Weise berufen wird. Der niedergelassene Kassenarzt ist ausschließlich für die eigene Praxis tätig. Alles andere wäre nicht nur ein Verstoß gegen den hippokratischen Eid, nur dem Wohle des Patienten zu dienen, sondern würde auch einen Interessenverrat gegenüber seinem Patienten darstellen, welcher selbst und unmittelbar Vertragspartner des Arztes ist, wenn der Arzt auch für die Krankenkasse geschäftlich tätig wäre.

Dies ergibt sich auch aus dem Umstand, dass der Arzt nicht durch die Krankenkassen, sondern im gesetzlichen Zulassungsverfahren berufen wird. Aber auch sonst bestehen zwischen den Krankenkassen und den Kassenärzten, wie die §§ 72 bis 106 SGB V zeigen, weder vertragliche noch sonstige unmittelbare Rechtsbeziehungen. Selbst bei der Verordnung von Arzneimitteln bleibt der Arzt gem. § 15 Abs. 1EKV in seiner Entscheidung grundsätzlich völlig frei. Auch eine Genehmigung von Arzneimittelverordnungen durch die Ersatzkassen ist unzulässig, vgl. § 15 Abs. 1 Satz 2 EKV.

Die Gesetzessystematik sowie der Wortlaut der Bestimmungen stehen somit eindeutig im Widerspruch zu einem nunmehr juristisch konstruierten Beauftragungsverhältnis des Arztes bei der Verordnung von Arzneimitteln. Mangels Regelungslücke ist in diesem Fall auch kein Raum für eine analoge Auslegung.

Allein der Umstand, dass der Kassenarzt aufgrund der gesetzlichen Befugniseinräumung Medikamente verschreiben darf, rechtfertigt nicht, dass diese Befugniseinräumung unter den Tatbestand der Bestechung des § 299 StGB zu subsumieren ist, dies stellt eine unzulässige Überdehnung des Wortlautes dar.

Es kann nicht rechtens sein, dass sich die höchstrichterliche Rechtssprechung über die Grundsätze der Strafbarkeit mit Hilfe von straftatbestandsüberdehnende Rechtsanwendung hinwegsetzt.

In § 1 StGB ist ausdrücklich geregelt, eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde. Die Verurteilung der beiden Ärzte führt jedoch dazu, dass erstmals eine Tat bestraft wird, deren Strafbarkeit gesetzlich nicht geregelt ist. Sollte eine Bestrafung der Ärzte gewünscht sein, ist es aufgrund der in unserer Demokratie grundgesetzlich verankerten Gewaltenteilung nunmehr Sache des Gesetzgebers die Gesetze entsprechend zu ändern. Anhand der vorliegenden Gesetze ist eine Strafbarkeit nicht zu begründen.

Was ist aber nun zu tun, wenn man als Arzt Betroffener eines Ermittlungsverfahrens wegen des Verdachts der Bestechung wird.

Grundsätzlich stellt die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens bereits eine massive Belastung für den betroffnen Arzt dar. Neben persönlichen Belastungen wie Stress, Ungewissheit und Angst kann sich ein Ermittlungsverfahren erheblich auf die berufliche Existenz auswirken.

Dies beruht schon darauf, dass staatsanwaltschaftliche Ermittlungen in den meisten Fällen eine gewisse Öffentlichkeitswirkung mit sich bringen. Durch Gerichtsbeschluss können zur Beweissicherung z.B. die Patientenkartei auch während der Sprechstunde beschlagnahmt werden oder Patienten als Zeugen vernommen werden. Solche Ermittlungsmaßnahmen im Vertrauensbereich Arztpraxis sind mehr als rufschädigend.

Bisher klagen nicht alle Staatsanwaltschaften wegen Bestechung an, vielmehr werden noch immer eine Vielzahl der Fälle zu Recht mangels Strafbarkeit bereits im Ermittlungsverfahren eingestellt, so dass es nicht einmal zu einem Aufsehen erregenden Gerichtsverfahren kommt und berufsrechtlichen Folgen schnell der Wind aus den Segeln genommen werden kann. Aus diesen Gründen ist eine Beauftragung eines Strafverteidigers bereits zum Beginn des Ermittlungsverfahrens zu empfehlen.

Sascha Kugler
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