Der Selbstmord und seine rechtliche Problematik

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Selbsttötung und unterlassene Hilfeleistung

Der unterlassenen Hilfeleistung nach § 323 c StGB macht sich strafbar, wer bei Unglücksfällen nicht Hilfe leistet, obwohl dies erforderlich und ihm zuzumuten ist. Unter einem Unglücksfall versteht man gemeinhin ein (plötzliches) Ereignis, dass die unmittelbare Gefahr eines erheblichen Schadens für andere Menschen oder fremde Sachen von bedeutendem Wert hervorruft.

Ist der Suizid ein Unglücksfall? Macht man sich der unterlassenen Hilfeleistung strafbar, wenn man einen Selbstmörder nicht von seinem Vorhaben abhält oder ihn nach dessen Handlung nicht versucht zu retten?

Die Mehrheit argumentiert folgendermaßen: Bevor der Lebensmüde zu seiner Tötungshandlung ansetzt, kann von einem Unglücksfall im Sinne der Vorschrift noch nicht gesprochen werden. Zwar zielt der Straftatbestand der unterlassenen Hilfeleistung auf die Solidarität unter Menschen ab und somit die Verpflichtung, jemandem zu helfen, der in Not ist. Dies aber in den Grenzen der eigenen Selbstbestimmung: wo ein fester und freier Entschluss zu sterben vorliegt, kann man dies nicht als "Unglücksfall" interpretieren. Der Lebensmüde ist ja selbst Herr seiner Handlung und eigenverantwortlich.
Natürlich sind Juristen auch hier wiederum nicht einer Meinung. Fernsehrichterin Barbara Salesch z.B. vertrat in einer ihrer Sendungen die Auffassung, dass auch schon vor der eigentlichen Suizidhandlung ein Unglücksfall im Sinne der unterlassenen Hilfeleistung vorliege. Im zu behandelnden Strafrechtsfall verurteilte sie daher zwei Geschäftsmänner, weil diese eine Frau auf einer Brücke nicht von ihrem Selbstmordentschluss abgebracht hatten und stattdessen weitergefahren waren.

Nachdem die Suizidhandlung begangen wurde, kann mit der Mehrheit der Juristen sicherlich von einem "Unglücksfall" ausgegangen werden. Jeder ist zur Hilfeleistung verpflichtet, wenn der Suizident die Möglichkeit der eigenen Beherrschung und Eigenverantwortlichkeit durch die aus der Selbstmordhandlung resultierende Verletzung oder Bewusstlosigkeit aus der Hand gegeben hat. Dies wird unterstützt durch die Tatsache, dass der Selbstmordversuch meist nur ein Weckruf an das Umfeld des Suizidenten darstellt und viele Suizidenten im Nachhinein froh sind, überlebt zu haben.
Aber wenn klar ist, dass der Suizident auch nach einer geglückten Rettungsaktion an seinem Todeswunsch festhält und die Selbsttötung bei der nächstbesten Gelegenheit wiederholt, ist eine Rettung dem Dabeistehenden "nicht zumutbar". In einem solchen Fall scheidet eine Strafbarkeit wegen unterlassener Hilfeleistung also aus. Beispiele sind schwere Qualen bei Todkranken oder vergleichbare hoffnungslose Fälle.

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Seiten in diesem Artikel:
Seite  1:  Der Selbstmord - Problemüberblick
Seite  2:  Die Selbsttötung
Seite  3:  Die Teilnahme an einem Selbstmord
Seite  4:  Nichteinschreiten beim Suizid - Tötung auf Verlangen durch Unterlassen?
Seite  5:  Selbsttötung und unterlassene Hilfeleistung
Seite  6:  Fazit
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