Bagatellkündigung: Bundesarbeitsgericht erklärt Kündigung im Fall ´Emmely´ für unwirksam

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Das Bundesarbeitsgericht (BAG) in Erfurt hat in seiner Entscheidung vom 10. Juni 2010 die umstrittene fristlose Kündigung einer Kassiererin wegen der Unterschlagung von zwei Pfandbons aufgehoben und damit der Kündigungsschutzklage entgegen der Vorinstanzen stattgegeben (Az. : 2 AZR 541/09 ).

Die Kündigung erfolgte, weil die Kassiererin, bekannt geworden als Emmely, Leergutbelege im Wert von 1,30 Euro unerlaubt für sich eingelöst hatte. Sie war bei der Beklagten  und deren Rechtsvorgängerin seit April 1977 beschäftigt. Die Beklagte  begründetet die Kündigung mit einem Vertrauensverlust.

Die Vorinstanz, das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, hatte, für das BAG bindend, festgestellt, dass die Klägerin die ihr vorgeworfenen Handlungen tatsächlich begangen hat. Das BAG kam unter Berücksichtigung aller Umstände und unter Abwägung der Interessen beider Parteien zu dem Ergebnis, dass ‚Emmely‘ zwar einen schwerwiegenden Vertragsverstoß begangen hatte, dass es aber unter Berücksichtigung der mehr als 30-jährigen Beschäftigung angemessen und ausreichend gewesen wäre, ihr eine Abmahnung zu erteilen. 

Das BAG führt in seiner Begründung aus: ‚Ein vorsätzlicher Verstoß des Arbeitnehmers gegen seine Vertragspflichten kann eine fristlose Kündigung auch dann rechtfertigen, wenn der damit einhergehende wirtschaftliche Schaden gering ist. Umgekehrt ist nicht jede unmittelbar gegen die Vermögensinteressen des Arbeitgebers gerichtete Vertragspflichtverletzung ohne Weiteres ein Kündigungsgrund. Maßgeblich ist § 626 Abs. 1 BGB. Danach kann eine fristlose Kündigung nur aus wichtigem Grund erfolgen. Ob ein wichtiger Grund vorliegt, muss vielmehr nach dem Gesetz unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile beurteilt werden. Dabei sind alle für das jeweilige Vertragsverhältnis in Betracht kommenden Gesichtspunkte zu bewerten. Dazu gehören das gegebene Maß der Beschädigung des Vertrauens, das Interesse an der korrekten Handhabung der Geschäftsanweisungen, das vom Arbeitnehmer in der Zeit seiner unbeanstandeten Beschäftigung erworbene Vertrauenskapital ebenso wie die wirtschaftlichen Folgen des Vertragsverstoßes; eine abschließende Aufzählung ist nicht möglich. Insgesamt muss sich die sofortige Auflösung des Arbeitsverhältnisses als angemessene Reaktion auf die eingetretene Vertragsstörung erweisen. Unter Umständen kann eine Abmahnung als milderes Mittel zur Wiederherstellung des für die Fortsetzung des Vertrages notwendigen Vertrauens in die Redlichkeit des Arbeitnehmers ausreichen.‘ (Quelle: Pressemitteilung des BAG Nr. 42/10).

Das in mehr als 30-jähriger Mitarbeit erworbene Vertrauen  könne durch eine einmalige und geringe Verfehlung nicht aufgezehrt werden, urteilten die Richter, entgegen der ursprünglichen harten Linie, die das BAG seit Jahrzehnten in solchen Fällen vertreten hatte.

Die weitere Entwicklung der Rechtsprechung bei ‚Bagatelldelikten‘ bleibt abzuwarten.  Gerichte werden künftig mehr Gewicht auf die Interessenabwägung legen.

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