Die Praxisgebühr - Praktische Auswirkungen für Arzt und Patient

Mehr zum Thema: Kommentiert, Praxisgebühr, Krankenkasse, Fachart, Arzbesuch
0 von 5 Sterne
Bewerten mit: 5 Sterne 4 Sterne 3 Sterne 2 Sterne 1 Stern
0

Ärzte verdienen nicht an der Praxisgebühr

Gasteditorial von Rechtsanwalt Luis Fernando Ureta

Ab dem 01.01.2004 müssen Patienten aus der gesetzlichen Krankenversicherung eine so genannte Praxisgebühr in Höhe von 10,00 Euro zahlen. Was steckt nun jedoch hinter dieser Gebühr und worauf müssen Arzt und Patient im Alltag achten?

Gleich vorweg: Der Begriff Praxisgebühr ist ein heißer Kandidat für das Unwort des Jahres, denn er verschleiert die Tatsachen in schon fast genialer Weise. Richtigerweise müsste man eigentlich von einer Kassen- oder Krankenkassengebühr sprechen. Ab dem 01.01.2004 sollen die Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung beim Besuch ihres Arztes je Quartal einen Betrag in Höhe von 10,00 Euro zahlen. Diese Gebühr muss vom Arzt eingezogen werden, kommt aber direkt den Krankenkassen zugute. Denn diese 10,00 Euro werden dem Arzt bei seiner Abrechnung mit der Kassenärztlichen Vereinigung direkt abgezogen. Der Arzt verdient also nicht an dieser Gebühr, sie ist ein reiner Durchlaufposten.

Im Gegenteil: Der Arzt ist nach Lage der Dinge wohl verpflichtet, für den Einzug dieser Gebühr Sorge zu tragen. Tut er dies nicht, so läuft er Gefahr, dass ihm dieser Betrag nichtsdestotrotz von seinem Honorarvolumen abgezogen wird. Aus dem Gesundheitsministerium verlautete jüngst, dass die Ärzte das Inkassorisiko tragen müssten. Profitieren wird in jedem Fall die Krankenkasse, der dieser Betrag gutgeschrieben wird. Die Ärzte werden im Ergebnis verpflichtet, Gebühren der gesetzlichen Krankenkassen einzutreiben.

Keine Praxisgebühr bei Überweisung

Diese "Krankenkassengebühr" soll vom Patienten nur einmal je Quartal gezahlt werden. Sie fällt auch bei wiederholten Arztbesuchen nicht an, wenn der zweite, dritte oder vierte Arztbesuch auf Grund der Überweisung eines anderen Arztes erfolgt. Wenn also beispielsweise der Hausarzt einen Patienten an einen Kardiologen zur weiteren Untersuchung überweist, muss der Patient den Überweisungsschein beim Kardiologen vorlegen und die "Krankenkassengebühr" entfällt. Die Überweisung ist jedoch auch zwingend erforderlich. Wenn ein Patient den Überweisungsschein nicht vorlegen kann, wird der Arzt gezwungen sein, die Gebühr einzufordern.

Hintergrund dieses Zwanges zur Vorlage eines Überweisungsscheines ist die erhoffte Reduzierung von angeblich unnötigen Facharztbesuchen. Der Gesetzgeber meint wohl, dass Patienten häufig ohne konkrete Veranlassung direkt zu einem Facharzt gehen, obwohl sie sinnvoller Weise zunächst beim Hausarzt behandelt werden könnten. Dieser soll dann zielgerichtet entscheiden, ob die Hinzuziehung eines Facharztes erforderlich ist oder nicht. Wenn also Patienten zukünftig ohne eine solche Überweisung innerhalb eines Quartals einen zweiten Arzt aufsuchen, müssen sie diese 10,00 Euro zahlen.

Praxisgebühr entfällt bei Bedürftigkeit

Wenn der Versicherte bedürftig ist, entfällt diese "Krankenkassengebühr". Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass der Versicherte sich vorher einen Berechtigungsschein bei seiner Krankenkasse beschafft. Diesen Berechtigungsschein muss er dann beim Arztbesuch vorlegen. Wenn der Patient diesen Schein nicht vorlegen kann, wird der Arzt wiederum gezwungen sein, die "Krankenkassengebühr" einzufordern. Andernfalls läuft er Gefahr, die Kosten selber zu tragen.

Keine Gebühr bei Vorsorgeuntersuchungen und ähnlichem

Die Praxisgebühr entfällt darüber hinaus bei zahlreichen Vorsorgeuntersuchungen, da diese grundsätzlich gefördert werden sollen. Darunter fallen beispielsweise die zahnärztlichen Vorsorgeuntersuchungen. Wegen der Einzelheiten sollten die Versicherten sich an ihre jeweilige Krankenkasse wenden.

Problemfälle

An dieser Stelle muss man sich fragen, ob die Politiker sich der ganzen Anwendungsprobleme bewusst waren, die sie verursachen. Es bedarf keiner allzu großer Fantasie, um sich die Probleme im Praxisalltag vorzustellen.

Was geschieht beispielsweise, wenn ein Patient im März zu seinem Hausarzt geht, dieser ihm einen Überweisungsschein ausstellt und der Patient dann erst im April einen Termin beim Facharzt bekommt? Fällt die Praxisgebühr auch dann an?

Was ist bei einem Notfallpatienten? Soll auch hier die Gebühr gezahlt werden? Soll der Arzt etwa vor der Behandlung noch rein vorsorglich die 10,00 Euro kassieren damit er nicht hinterher diesen Betrag abgezogen bekommt?

Was ist mit den Patienten, die einfach nur ein Rezept benötigen? Soll auch hier die Gebühr gefordert werden?

Was ist mit dem Patienten, der auf Reisen ist und nur kurz seinen Hausarzt anruft? Oder die Schwangere, die telefonisch etwas nachfragen will? Schon die hier entstehenden Gebühren des Arztes sind hier häufig geringer als die 10,00 EURO, die er wohl trotzdem einkassieren muss.

Und auch der Nachweis der Bedürftigkeit wird Probleme aufwerfen. Gerade ältere Menschen werden nicht ausreichend informiert sein und den Berechtigungsschein nicht vorlegen können. Es wird im Empfangsbereich vieler Arztpraxen zu höchst unangenehmen Gesprächen kommen, wenn Patienten versuchen zu erläutern, dass sie finanziell gar nicht in der Lage sind, diese Gebühr zu zahlen und den Berechtigungsschein nachreichen wollen.

Schon jetzt hört man von Patienten, dass sie Arztbesuche vermeiden wollen.

Die Bezahlung

Ärzte werden vermehrt EC-Kartenlesegeräte vorhalten. Zum einen wird die typische Ausrede "Entschuldigung, ich habe kein Bargeld dabei" dann entfallen. Zum anderen wird es auch ein Service für den Patienten sein, der diesen durchaus zu schätzen weiß. Der durchschnittliche Patient wird seine Verbindlichkeiten nämlich schnell begleichen wollen, gerade wenn es um solche geringen Beträge geht.Darüber hinaus ermöglicht dies auch die Nutzung des Kartenlesegeräts für zahlreiche so genannte Selbstzahlerleistungen, die heutzutage in vielen Praxen angeboten und vom Patienten verlangt werden.

Zu guter Letzt vermeidet der Arzt auch die unnötige Anhäufung von höheren Geldbeträgen in seiner Praxis und kann sich auch die Buchführung erleichtern (kein umfangreiches Kassenbuch).

Konflikte sind vorprogrammiert

Als Fazit ist festzuhalten, dass durch diese "Krankenkassengebühr" ein enormer bürokratischer Aufwand in den Arztpraxen geschaffen wird. Patienten werden sich Berechtigungsscheine bei ihren Krankenkassen besorgen wollen, sie werden versuchen, wegen schon bekannter Erkrankungen immer wieder den erforderlichen Überweisungsschein bei ihrem Hausarzt zu besorgen. Die Ärzte ihrerseits werden die Behandlung wohl verweigern müssen, wenn der Patient die Krankenkassengebühr nicht bar bezahlt oder einer der genannten Ausnahmefälle vorliegt. Andernfalls trägt der Arzt das Inkassorisiko. Und jemandem wegen 10,00 Euro mahnen? Das wäre betriebswirtschaftlich unsinnig. In den Arztpraxen wird es also wiederholt Auseinandersetzungen über die Zahlung der Gebühr geben.

Ärzte werden zum Inkassobüro der Krankenkassen degradiert und in der Öffentlichkeit entsteht der Eindruck, diese Ärzte würden sich zu Lasten der Patienten bereichern.

Es bleibt zu hoffen, dass möglichst rasch verbindliche Regelungen getroffen werden, die diese Unklarheiten beseitigen und das Arzt-Patienten-Verhältnis durch diese Regelung nicht unnötig gestört wird.

Das könnte Sie auch interessieren
Gesetzgebung Kabinett: ´Arzt im Praktikum´ wird abgeschafft