Auch bei Wohnungsdurchsuchung zur Nachtzeit muss grundsätzlich ein Richter entscheiden!

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Will die Polizei / Staatsanwaltschaft zur Nachtzeit eine Wohnung durchsuchen, braucht sie hierfür grundsätzlich eine richterliche Anordnung.

Ist ein Richter nachts nicht zu erreichen, weil es beispielsweise an einem richterlichen Eildienst zur Nachtzeit fehlt, ist eine dennoch erfolgte Wohnungsdurchsuchung unter Umständen rechtswidrig und dort gewonnene Beweismittel womöglich nicht verwertbar!

   

1. Beweiserhebungsverbot

Für eine Durchsuchung (aber beispielsweise auch eine Blutentnahme) gilt der sog. Richtervorbehalt. D.h. die Maßnahme darf grundsätzlich nur durch einen Richter angeordnet werden. Eine Ausnahme besteht nur bei Gefahr im Verzug. Dann darf zumeist auch die Polizei/Staatsanwaltschaft eine richterliche Maßnahme anordnen.

Wegen dieses Ausnahmecharakters muss zumindest versucht werden einen Richter zu erreichen, bevor die Polizei oder die Staatsanwaltschaft vorschnell von Gefahr in Verzug ausgehen darf.

Aus der Regelzuständigkeit des Richters folgt aber gemäß einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts auch, dass Gerichte verpflichtet sind für die Erreichbarkeit eines Ermittlungsrichter zur Nachtzeit zu sorgen.

Würde immer vorschnell Gefahr in Verzug angenommen, würde nämlich der grundgesetzlich garantierte Schutz der Richtervorbehalte völlig leer laufen.

Sinn und Zweck des Richtervorbehaltes ist es doch gerade bei schwerwiegenden Grundrechtseingriffen, wie einer Wohnungsdurchsuchung oder Blutentnahme, einen unparteiische, unvoreingenommene und vor allem rechtskundige Person einzuschalten.

Das Oberlandesgericht Hamm entschied deshalb im August 2009, dass die Verpflichtung eines richterlichen Eildienstes auch zur Nachtzeit besteht, wenn hierfür ein praktischer Bedarf besteht, es also durchaus häufiger vorkommt, dass richterliche Maßnahmen angeordnet werden müssen.

In dem zu entscheidenden Fall ging es dabei um einen Gerichtsbezirk, der keinen richterlichen Eildienst zur Nachtzeit eingerichtet hatte, obwohl pro Jahr mehr als 800 Fälle richterlicher Maßnahmen nachts nötig wurden.

Soweit ein Gerichtsbezirk trotz der hohen Anzahl an nächtlichen Maßnahmen für die ein Richtervorbehalt gilt, keinen Bereitschaftsdienst einrichtet, verstoßen dennoch erfolgte Maßnahmen gegen den Richtervorbehalt und sind daher rechtswidrig.

2. Beweisverwertungsverbot

Eine andere Frage ist jedoch die Verwertbarkeit von dennoch aufgefundenen Beweismitteln.

Denn eine gesetzliche Regelung welche Konsequenz ein Verstoß gegen den Richtervorbehalt zur Folge hat existiert nicht.

Zwar ist ein Verwertungsverbot von rechtswidrig erlangten Beweisen grundsätzlich die Ausnahme, da eine funktionierende Strafrechtspflege und die gerichtliche Pflicht zur Wahrheitserforschung den Interessen eines Beschuldigten zumeist überwiegen.

Allerdings gestaltet sich das dann anders, wenn es um übergeordnete wichtige Gründe geht.

Denn eine Wahrheitserforschung wird nicht um jeden Preis gestattet. Letztlich muss also abgewogen werden, ob die Interessen des Staates an einer funktionierenden Strafrechtspflege den individuellen Interessen des Beschuldigten überwiegen.

So ist regelmäßig dann von einem Beweisverwertungsverbot auszugehen, wenn Rechte eines Beschuldigten bewusst umgangen werden oder es sich um schwerwiegende Grundrechtseingriffe handelt.

In dem vom OLG Hamm zu entscheidenden Fall ging es um eine von der Staatsanwaltschaft angeordnete Wohnungsdurchsuchung die ohne vorherige Anrufung eines Ermittlungsrichters durchgeführt wurde, weil es an einem richterlichen Bereitschaftsdienst fehlte.

Im Rahmen der Durchsuchung wurden dann Drogen gefunden. Somit war zu entscheiden, ob diese Drogen im Rahmen eines Gerichtsverfahrens als Beweismittel verwendet werden durften.  

Das OLG Hamm entschied den Fall zu Gunsten des Angeklagten, denn die besondere Bedeutung des verfassungsrechtlichen Richtervorbehaltes ist Ausfluss der grundgesetzlich garantierten Unverletzlichkeit der Wohnung. Wenn eine Justizverwaltung nicht dafür Sorge trägt, dass der Richtervorbehalt in der Praxis wirksam wird und ihn daher bewusst missachtet unterliegen bei der Durchsuchung erlangte Beweismittel angesichts des besonderen Gewichts des verfassungsrechtlich angeordneten Richtervorbehaltes einem Beweisverwertungsverbot.

3. Zusammenfassung

Zusammenfassend ist also festzuhalten, dass ein richterlicher Bereitschaftsdienst auch zur Nachtzeit eingerichtet werden muss, wenn Maßnahmen die dem Richtervorbehalt unterliegen nicht nur ausnahmsweise anfallen, was in größeren Städten jedoch regelmäßig der Fall sein wird.

Wird eine Wohnung dennoch zur Nachtzeit ohne richterliche Anordnung durchsucht, weil ein richterlicher Bereitschaftsdienst nicht eingerichtet worden ist, so liegt hierin eine grobe Missachtung des Richtervorbehaltes, was die Rechtswidrigkeit der Maßnahme als auch ein Verwertungsverbot etwaig gefundener Beweise zur Folge hat!

Dementsprechend gilt das obige Ergebnis nicht nur für Wohnungsdurchsuchungen sondern beispielsweise auch für Blutentnahmen!