Bundesgerichtshof bekräftigt Meinungsfreiheit

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Bei unwahren Tatsachenbehauptungen greift die Meinungsfreiheit in der Regel nicht. Bei einer Meinungsäußerung handelt es sich hingegen um die Ausübung eines elementraren Grundrechts (Art. 5 Abs.1 GG). Betroffene haben daher auch dann ehrenrührige Meinungsäußerungen hinzunehmen, wenn diese unterhalb der Schwelle zur Schmähkritik bleiben.

Fraglich wird damit in einer Vielzahl von Fällen, ob es sich bei Äußerungen um die Äußerung einer Meinung oder einer (unwahren) Tatsache handelt. Der Bundesgerichtshof hat in einer lesenswerten Entscheidung (BGH, Urteil vom 3. Februar 2009 - VI ZR 36/07) die Meinungsfreiheit gestärkt. Er hatte u.a. über die folgende Äußerung zu befinden:

"Es wäre aber im öffentlichen Interesse zu wünschen, dass dieser Sumpf an Lügen, Täuschung, Vertuschung, Vetternwirtschaft, Polit-Kumpanei und Korruption endlich aufgemischt wird.. . "

Zunächst ist fraglich, ob es sich bei den Vorwürfen um Tatsachenbehauptungen und nicht um Meinungsäußerungen handelt. Selbst wenn es sich um die Äußerung einer Meinung handelt, so könnte diese Meinungsäußerung als unzulässige Schmähkritik zu unterbinden sein.

Die Karlsruher Richter haben in ihrer Entscheidung betont, dass für die Beurteilung der Frage, ob eine Äußerung als Tatsachenbehauptung oder Meinungsäußerung einzustufen ist, zunächst der vollständige Aussagegehalt zu ermitteln ist. Insbesondere sei jede Äußerung in dem Gesamtzusammenhang zu beurteilen, in dem sie gefallen ist. Sie darf nicht aus dem sie betreffenden Kontext herausgelöst einer rein isolierten Betrachtung zugeführt werden. Dabei gilt es nach Auffassung der Richter zu beachten, dass sich der Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 GG auch auf die Äußerung von Tatsachen erstreckt, soweit sie Dritten zur Meinungsbildung dienen können, sowie auf Äußerungen, in denen sich Tatsachen und Meinungen vermengen und die insgesamt durch die Elemente der Stellungnahme, des Dafürhaltens oder Meinens geprägt werden.

Der Bundesgerichtshof hat in besagter Entscheidung dann darauf abgestellt, dass die Äußerungen auch in dem Kontext abgegeben wurden, dass Deutschland im Korruptionsindex von Transparency International auf den 16. Rang abgerutscht sei.

Insgesamt habe es sich um Äußerungen gehandelt, die durch die Elemente der Stellungnahme, des Dafürhaltens oder Meinens geprägt waren und deshalb am Schutz des Grundrechts aus Art. 5 Abs. 1 GG teilnehmen. Dies gelte nach Ansicht der Karlsruher Richter auch hinsichtlich des Vorwurfs der "Korruption", weil "die Einstufung eines Vorgangs als strafrechtlich relevanter Tatbestand in der Regel nicht anders als Rechtsmeinungen im außerstrafrechtlichen Bereich zunächst nur die ganz überwiegend auf Wertung beruhende subjektive Beurteilung des Äußernden zum Ausdruck bringt (vgl. Senatsurteile vom 22. Juni 1982 - VI ZR 251/80 - VersR 1982, 904, 905 und - VI ZR 255/80 - VersR 1982, 906, 907)."

Sodann betont das Gericht, dass an die Bewertung einer Äußerung als Schmähkritik strenge Maßstäbe anzulegen sind, weil andernfalls eine umstrittene Äußerung ohne Abwägung dem Schutz der Meinungsfreiheit entzogen und diese damit in unzulässiger Weise verkürzt würde (BVerfGE 93, 266, 294; BVerfG, NJW-RR 2000, 1712).

Erst wenn bei einer Äußerung nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern die Herabsetzung der Person im Vordergrund steht, die jenseits polemischer und überspitzter Kritik herabgesetzt und gleichsam an den Pranger gestellt werden soll, nimmt die Äußerung nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung den Charakter einer unzulässigen Schmähung an.

Auch wenn in der besagten Entscheidung die Äußerungen geeignet waren, das öffentliche Ansehen der Betroffenen erheblich zu beeinträchtigen, so war nach Ansicht der Karlsruher Richter zu Gunsten der Meinungsfreiheit zu beachten, dass es sich im Gesamtkontext letztlich auch um Fragen von öffentlichem Interesse handelte.