Selbstständige Integrationslehrer?

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Staatlich geförderte Scheinselbständigkeit

Am 9.3.2016, so war in den Medien zu entnehmen, demonstrierten in verschiedenen Städten Deutschlehrer, die auf die unzureichende Honorierung ihrer Tätigkeit in den vom Bundesamt für Flüchtlinge und Integration finanzierten Integrationskurse aufmerksam machten.

Ich hörte diese Nachricht in meinem Autoradio auf dem Weg zu einem Termin beim Sozialgericht. Der Hintergrundinformation war zu entnehmen, dass die Deutschlehrer, die solche Integrationskurse durchführen, in der Regel ein abgeschlossenes Hochschulstudium hinter sich haben und eine Zusatzqualifikationen als Lehrer für Deutsch als Fremdsprache besitzen müssen. Diese Lehrer würden in der Regel „Selbstständige" auf Honorarbasis oder im Rahmen von Werkverträgen tätig.

Nachdem ich seit Jahren im Bereich von sozialversicherungsrechtlichen Statusfragen tätig bin, kam in mir sofort die Frage auf, wie es den Volkshochschulen, als Veranstalter der Kurse, wohl gelungen sei, die Tätigkeit dieser Lehrer als sozialversicherungsfrei zu gestalten. Aufgrund einer jahrelangen Rechtsprechungspraxis der Sozialgerichte haben sich einige Merkmale für das vorliegen abhängiger Beschäftigung als Arbeitnehmer im Bereich der Scheinselbstständigkeit herausgebildet. Es hat sich in der Vergangenheit ein Indizienkatalog herausgebildet, der ca. 17 Positionen umfasst und Fragen wie die persönliche Abhängigkeit, das Fehlen eines Unternehmerrisikos, das Fehlen einer Betriebsstätte und die Kontroll- und Mitspracherechte des Auftraggebers umfasst. Die Rechtsprechung akzeptierte dabei, dass es auf den objektiven oder objektivierbaren Willen der Vertragsparteien ankommt, wenn dieser nicht den festgestellten Indizien widerspricht. Die Rechtsprechung führt regelmäßig anhand der erarbeiteten Kriterien eine Einzelfallprüfung durch, in der eine Gesamtwürdigung des jeweiligen Beschäftigungsverhältnisses durchgeführt wird.

Wenn ich mir in Erinnerung rufe, wie die Instanzgerichte in der Vergangenheit im Rahmen solcher Einzelfallprüfungen vorgegangen sind, fällt es mir schwer, mir vorzustellen, dass die betroffenen Integrationslehrer ihre Tätigkeit in echten sozialversicherungsfreien und selbstständigen Vertragsverhältnissen erbringen.

Diese Auffassung ist natürlich ein „Vorurteil", da mir im Detail die vertraglichen Grundlagen, welche wegen der Vielzahl der beteiligten Volkshochschulen mannigfaltig sein werden, nicht bekannt sind. Dieses Vorurteil beruht auf der Tatsache, dass ich in den Dozententätigkeiten, die ich in der Vergangenheit näher betrachten durfte, häufig sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse erkannt habe.

Für mich stellt sich daher die Frage, wie es offenbar bundesweit flächendeckend dazu kommen kann, dass entsprechende Dozententätigkeiten als selbstständige Tätigkeiten eingestuft werden, obwohl hier eine regelmäßige Prüfung durch die Rentenversicherung zu erwarten ist. Eine Erklärung kann ich hierfür nicht bieten. In meiner eigenen Beratungstätigkeit ist mir in der Vergangenheit nur aufgefallen, dass eine selbstständige Tätigkeit durch den Rentenversicherungsträger häufig dann unproblematisch angenommen wurde, wenn die sich daraufhin ergebende selbstständige Tätigkeit in den Geltungsbereich des § 2 SGB VI fällt, das heißt, wenn diese selbstständigen Personen ausnahmsweise pflichtversichert in der gesetzlichen Rentenversicherung sind.

Es mag sein, dass ich mit meiner Einschätzung falsch liege. Mir ist insbesondere aufgefallen, dass die GEW als die zuständige Gewerkschaft keine entsprechende Einschätzung abgegeben hat. Jedenfalls habe ich eine solche Stellungnahme nicht auffinden können. Warum veranlassen die betroffenen Lehrer nicht selbst entsprechende Statusfeststellungsverfahren? Vielleicht weil sie Angst darum haben, weiter beschäftigt zu werden. Vielleicht sollten diejenigen Lehrer, die zwischenzeitlich andere Beschäftigungsverhältnisse gefunden haben, ihre früheren Tätigkeiten als Integrationslehrer durch Statusfeststellungsverfahren überprüfen lassen, um gegebenenfalls nachträglich in den Genuss von Sozialversicherungsbeiträgen zu kommen. Dies wird jeder Betroffene selbst entscheiden müssen. Ich sehe durchaus die Gefahr, dass von solchen Statusverfahren betroffene Volkshochschulen ein erhebliches Beitragsrisiko zu tragen hätten. Sollten sich entsprechende Statusfeststellungsverfahren jedoch flächendeckend als erfolgreich für die betroffenen Lehrkräfte erweisen, würde dies wohl auch die zuständigen Behörden zum Handeln zwingen.

Leserkommentare
von guest-12304.06.2018 10:31:36 am 24.03.2016 20:27:10# 1
In der Sache mögen Sie ja Recht haben, aber muss man wieder bis ins letzte Detail in den Paragraphen verhangelt werden?
Nachdem eine gewisse Dame ohne sich vorher parlamentarischen Rückhalt in üblicher demokratischer Weise über tausende von Gesetzen, Vorschriften, Ordnungen und Ausführungsbestimmungen hinweggesetzt hat und in diktatorischer Weise die Umsetzung ihrer ureigenen Ideen beschlossen hat, ohne bislang strafrechtlich deshalb auch nur ein einzelnes Briefchen erhalten zu haben, sehe ich den Rechtsstaat in seiner bisherigen prämerkeralen Verfassung de facto vollständig außer Kraft gesetzt.

Wenn die Diktatorin befindet, dass Integrationslehrer sozialversicherungsfrei unterrichten, dann gibt es daran nichts zu rütteln. Wer glauben Sie denn wer Sie sind - wie können Sie es wagen merkulöse Praktiken anzuzweifeln?
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Aber mal Ernst beiseite,
wenn die VHS "ordentlich angestellte Dozenten" beschäftigen würde, wären die Kursgebühren entweder so hoch, dass mangels Teilnehmer nur senile Professoren mit Neigung zu Selbstgesprächen dozieren würden, oder der jeweilige Zubutterungsverein/Träger das entweder nicht mitmacht die üblichen Lohnnebenkosten zu bezahlen, oder das kommunale Kässchen die Differenz draufschippt.
Dann würde der Staat dafür aufkommen, dass der Staat Geld bekommt - auf dem Umweg von zigtausenden Lohnabrechnungen und deren unsäglicher Verwaltungsrattenschwänze.
Haben sie schon mal eine Lohnabrechung gemacht? Das wird die bisher ehrenamtlich tätige Sekretärin der VHS gaaanz sicher nicht mitmachen - also nochmal Extraausgaben für Lohnbüro oder Fachpersonal fällig.

Aber grundsätzlich finde ich Ihre Idee gut - die Kursgebühren verdreifachen, damit auch wirklich alles korrekt zugeht. Findet sicher großen Zuspruch bei den Teilnehmern und den Trägern. Noch so ne tolle Idee auf Lager? Haben Sie nix zu tun in Ihrer Kanzlei --- wenn Sie soviel Zeit haben, um auf so geniale Gedanken zu kommen ?!