Konkrete Verteidigungsmöglichkeiten gegen „Stalking"

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Zivil- und strafrechtliche Mittel zur Verteidigung gegen „Stalking"

Von Justin Roenner

Überblick

Den meisten ist der Begriff des „Stalking" bekannt. Er kommt aus dem Englischen und umschreibt im Deutschen eine fortgesetzte Verfolgung, Belästigung oder Bedrohung einer anderen Person gegen deren Willen. Die Erscheinungsformen und die Schwere des „Stalking" sind vielfältig. Diese reichen von psychischen Angriffen auf das Opfer durch z.B. ständige Telefonanrufe, Verfolgungen oder Kontaktaufnahmen, bis zum schweren körperlichen Angriff.

Auch wenn der Schutz der Opfer vor dem Stalker (Täter) noch nicht so umfassend gesetzlich geregelt ist wie z.B. in den USA, England oder Australien, so bestehen auch im deutschen Recht durchaus zivil- und strafrechtliche Mittel zur Verteidigung gegen „Stalking". Dem Gesetzgeber ist die zunehmende Problematik bewusst geworden, so dass sich dieser zur Zeit zunehmend konkret mit der Ausarbeitung von schärferen Gesetzen zur Bekämpfung des „Stalking" und einem umfassend wirksamen Schutz der Opfer beschäftigt.

Generell ist den Opfern zu empfehlen, sich professionellen Rat bei Opfer- und Gewaltberatungsstellen, Frauenhäusern, Selbsthilfeinitiativen, Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten sowie bei der Polizei und Staatsanwaltschaft einzuholen. Hier bekommen die Opfer Hilfestellung, wie sie sich in ihrer konkreten Situation am besten verhalten.

Strafrechtliche Mittel

Viele Stalking-Handlungen erfüllen Straftatbestände des Strafgesetzbuchs. Hierbei kommen bespielsweise folgende Strafrechtstatbestände in Betracht:

  1. Strafrechtstatbestände und Anzeigenerstattung

    Das Opfer hat somit die Möglichkeit, Anzeige gegen den Stalker bei der Polizei oder Staatsanwaltschaft zu erstatten. Auch wenn die Polizei Ihnen vielleicht von einer Anzeige abraten sollte, da diese, nach Meinung der Polizeibeamten, nicht begründet sei, so sollten Sie sich dennoch von einer Anzeigenerstattung nicht abbringen lassen, sofern Sie von einem Stalker belästigt oder angegriffen werden. Die Polizei ist nicht die Ermittlungsbehörde, die die Anzeigen unter das Gesetz subsumiert. Das macht die Staatsanwaltschaft. Auch wenn Polizisten eine kleine juristische Kurzausbildung haben, ist es dennoch fraglich, ob sie immer die ganze Tragweite eines Sachverhaltes juristisch einordnen können. Aufgrund des „Legalitätsprinzips" (§ 152 Abs. 2 StPO) sind die Ermittlungsbehörden verpflichtet, bei einer Anzeige zu ermitteln. Die genauen Straftatbestände brauchen nicht konkret genannt werden. Es reicht, wenn Anzeige „wegen aller in Betracht kommender Delikte" erstattet und der jeweils nötige Strafantrag gestellt wird.

    Sollte es zu einem Prozess kommen, so kann das Opfer (mit anwaltlicher Vertretung) als Nebenkläger auftreten und hat somit Einfluss auf den Prozess.

  2. Merkblätter

    Bei der Polizei und Staatsanwaltschaft sind zudem Merkblätter über

    • Anti – Stalking – Regeln und über

    • technische Schutzvorkehrungen im Hinblick auf die Wohnungssicherheit

    erhältlich. Hier können Sie sich auch gesondert beraten lassen.

Zivilrechtliche Mittel

Neben dem Strafrecht bietet auch das Zivilrecht dem Opfer Möglichkeiten, sich gegen den Stalker zur Wehr zu setzen. Dabei bietet besonders das Gewaltschutzgesetz vom Januar 2002 diverse Möglichkeiten in Form einer zivilrechtlichen Schutzanordnung im einstweiligen Rechtsschutz.

  1. Zivilrechtliche Schutzanordnung

    Das Gericht kann insbesondere anordnen, dass der Täter es unterlässt,

    1. die Wohnung der verletzten Person zu betreten,
    2. sich in einem bestimmten Umkreis der Wohnung der verletzten Person aufzuhalten,
    3. zu bestimmende andere Orte aufzusuchen, an denen sich die verletzte Person regelmäßig aufhält,
    4. Verbindung zur verletzten Person, auch unter Verwendung von Fernkommunikationsmitteln, aufzunehmen,
    5. Zusammentreffen mit der verletzten Person herbeizuführen, soweit dies nicht zur Wahrnehmung berechtigter Interessen erforderlich ist.

  2. Was passiert beim Verstoß des Täters gegen die zivilrechtliche Schutzanordnung?

    • Bei einer Zuwiderhandlung gegen die Schutzanordnung macht sich der Täter strafbar. Hier kann das Gericht Geldstrafen verhängen und auch Freiheitsstrafen bis zu einem Jahr. Damit ist gewährleistet, dass auch Nachstellungen, die nicht von den Straftatbeständen des StGB erfasst sein sollten, strafrechtlich verfolgt werden können.

    • Das Gericht kann die Maßnahmen auch dann anordnen, wenn eine Person die Tat in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit begangen hat, in den sie sich durch geistige Getränke oder ähnliche Mittel vorübergehend versetzt hat.

    • Sollte es sich um einen Täter handeln, bei dem Anzeichen ersichtlich sind die darauf schließen lassen, dass er während der Tat aufgrund seiner psychischen Erkrankung das Unrecht seiner Tat nicht einsehen konnte und somit schuldunfähig handelte, so kann das Gericht die einstweilige Unterbringung des Täters in einem psychiatrischen Krankenhaus anordnen.

  3. Antragsstellung auf Schutzanordnung im einstweiligen Rechtsschutz

    Wenn Sie eine Schutzanordnung im einstweiligen Rechtsschutz beantragen wollen, so müssen Sie sich an Ihr örtliches Amtsgericht wenden und dort an die Rechtsantragsstelle in der Prozessabteilung. An das Beweismaß im einstweiligen Rechtsschutz sind keine hohen Anforderungen gestellt. Es ist ausreichend, wenn Sie als Antragsteller(in) die Verfolgung oder Bedrohung glaubhaft machen, z.B. durch eine eidesstattliche Versicherung.

    Wenn Sie innerhalb von 6 Monaten vor Antragstellung mit der Person, gegen die die zivilrechtliche Schutzanordnung erwirkt werden soll, einen gemeinsamen Haushalt geführt haben, so ist das Familiengericht zuständig.

  4. Schadenersatz und Schmerzensgeld

    Je nach den Umständen in Ihrem Einzelfall können Sie zivilrechtlich Schadenersatz und Schmerzensgeld einklagen. Darunter können auch Umzugskosten und andere Schäden fallen, die Sie durch den Stalker erlitten haben, sowie Ausgleich für die erlittenen Ängste. Wenn diese Ansprüche gerichtlich rechtskräftig festgestellt wurden, so haben diese eine Verjährungszeit von 30 Jahren. Das bedeutet, dass Sie 30 Jahre Zeit haben, um Ihre Forderungen einzutreiben. Dieses kann z.B. in Form der Pfändung sein.

Prozessfinanzierung

  • Prozesskostenhilfe (PKH)

    Je nach Ihrer finanziellen Lage haben Sie die Möglichkeit, Prozesskostenhilfe in Anspruch zu nehmen. Dazu müssen Sie beim jeweiligen Gericht, vor dem geklagt wird und somit das Verfahren anhängig ist, einen Antrag stellen. Das Gericht wird dann prüfen, ob Sie bedürftig sind, und ob die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung ausreichende Aussicht auf Erfolg hat. Näheres über die PKH können Sie hier nachlesen.

  • Beratungshilfe

    Falls Sie sich eine anwaltliche Beratung nicht leisten können und keine anderen zumutbaren Möglichkeiten für eine Hilfe haben, so besteht für Sie die Möglichkeit einer anwaltlichen Erstberatung bei einem Rechtsanwalt Ihrer Wahl, wenn Ihnen Beratungshilfe zugebilligt wird. Ihr Kostenbeitrag beschränkt sich in solchen Fällen auf EUR 10. Den jeweiligen Antrag ist beim örtlich zuständigen Amtsgericht einzureichen. Näheres über die Beratungshilfe können Sie hier nachlesen.

Anmerkung

Sie sehen also, dass Sie auch nach dem deutschen Rechtssystem heutzutage einen gewissen Schutz und Wehrmöglichkeiten gegen einen Stalker haben, auch wenn nicht in der umfassenden Form wie z.B. in den USA, England oder Australien haben. Da zur Zeit größere Anstrengungen des Gesetzgebers zur Verbesserung des Opferschutzes vor Stalking zu verzeichnen sind, sind in naher Zukunft noch wirksamere und flexiblere Gesetze zu erwarten.

Justin Roenner

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