Darf man 1,3 Millionen Seiten Verwaltungsakten lesen?

Mehr zum Thema: Verwaltungsrecht, Informationsfreiheit, Treuhandanstalt, Leuna, Minol, Transparenz, Akteneinsicht, Informationszugang
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Bundesverwaltungsgericht entscheidet am 17.03.2016 über Zugang zu Leuna/Minol-Akten

Es geht um viel, wenn der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts am 17. März mündlich verhandelt. Um viel Papier einerseits, nämlich 4.255 Ordner mit jeweils knapp 300 Blatt Papier. Um viel Geschichte andererseits, nämlich die Privatisierung der Leunawerke AG, ein Chemieunternehmen mit Erdölraffinerie in Leuna, sowie der Minol-Mineralölhandel AG, Eigentümerin des Tankstellennetzes der DDR, durch die Treuhandanstalt. Und schließlich um viel für den Kläger, er ist nämlich in Frankreich wegen Beihilfe zur Untreue und Hehlerei verurteilt worden. Nach seiner Schilderung maßgeblich, weil er als Lobbyist für den Bieter Elf Aquitaine angeblich nicht im Privatisierungsverfahren aktiv wurde, sich aber bezahlen ließ. Hiergegen möchte er sich mit den Millionen Seiten aus den Treuhandakten verteidigen.

Informationszugang zur deutsch-deutschen Geschichte

Das Verfahren berührt also die noch jüngere deutsch-deutsche Geschichte. Und der Kläger nutzt die Möglichkeit des Informationsfreiheitsgesetzes. Auf dessen Grundlage beantragte er bereits 2006 und 2007 Akteneinsicht in die Treuhandakten und Akten einer Sonder-Task-Force. Wenigstens bat er um Beantwortung von speziellen Fragen zum Inhalt der Akten.

Die Bundesrepublik erfüllte den Anspruch nur scheibchenweise. Die Fragen wurden beantwortet, ein paar Kopien erhielt der Kläger ebenso, ein Teil der Akten ging ins Bundesarchiv und konnte sodann eingesehen werden, von einem anderen Teil erhielt er Inhaltsverzeichnisse.

Das Verwaltungsgericht Berlin lehnte schließlich 2009 die Klage auf Informationszugang zu den Akten ab. Der Informationszugang sei der Behörde nicht zuzumuten. Die Durchsicht der Akten, die Prüfung von immer noch schützenswerten Geschäfts- und Privatgeheimnissen sei quasi unmöglich.

Wann ist die Prüfung von Geheimnissen für eine Behörde unzumutbar?

Das sah 2014 das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg in seinem Urteil anders. Es verurteilte die Behörde, die Informationen zugänglich zu machen. Unzumutbar sei es nicht, die Akten durchzusehen und es sei auch vielfach gar nicht plausibel, dass noch Geheimnisse zu schützen wären. Etwa müssten Rechtsanwälte, die namentlich in den Treuhandakten genannt würden, schon von Berufswegen damit rechnen, dass ihre Daten bekannt würden. Das gelte auch für andere pauschale Angaben der Behörde.

Das Oberverwaltungsgericht war sich seiner Sache sicher und verweigerte die Zulassung der Revision.

Hiergegen legte die Bundesrepublik Nichtzulassungsbeschwerde ein. Dieser Beschwerde gab das Bundesverwaltungsgericht ein knappes Jahr später statt. Die Frage, wann genau ein Informationszugang unzumutbar sei, sei von grundsätzlicher Bedeutung und müsse noch einer Klärung zugeführt werden.

Hierüber entscheidet der Senat daher am 17. März in mündlicher Verhandlung. Die Entscheidung darf mit einer gewissen Spannung erwartet werden, auch wenn nicht jeder Verwaltungsvorgang 1,3 Millionen Blatt umfasst, steht doch allzu häufig die Frage im Raum, wann ein Zugang für den Bürger "unzumutbar" für die Behörde ist.

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