BGH-Urteil: Heimlich eingeholte Vaterschaftstests sind nicht vor Gericht verwertbar

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Von Rechtsanwalt Klaus Wille

Nach einer Studie der US-Universität Virginia Commonwealth (Richmond) gibt es etwa 5 % bis 10 % "Kuckuckskinder", d.h. diese Kinder stammen (biologisch gesehen) nicht von demjenigen Vater ab, der als Vater vor dem Gesetz betrachtet wird. Daher gab es immer mehr Väter, die einen Vaterschaftstest machen ließen. Einige Väter erhielten für die Durchführung der Tests nicht die Zustimmung der Kindesmutter. Daher nahmen diese Väter zum Teil die DNA-Analysen ohne deren Zustimmung vor.

Der 12. Senat des Bundesgerichtshof (BGH) hat mit Urteilen vom 12.01.2005 (gerichtliche Aktenzeichen: XII ZR 60/03 sowie XII ZR 227/03) entschieden, dass die Anfechtung der Vaterschaft nicht auf einen heimlich eingeholten DNA-Vaterschaftstest gestützt werden kann. Damit hat der BGH eine lange Diskussion in der Literatur und der Rechtsprechung beendet. Diese Thema ist aufgrund der neuen Initiative der Bundesjustizminsterin äußerst aktuell.

Klaus Wille
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  1. Der BGH hatte zu entscheiden, ob eine DNA–Analyse im Rahmen einer Vaterschaftsanfechtungsklage verwertet werden kann, wenn diese Analyse ohne Zustimmung des Kindes bzw. der Kindesmutter eingeholt wurde.

    Der BGH hat laut der – bisher vorliegenden – Pressemitteilung vom 12.01.2005 (Nr. 04/2005) sich darauf gestützt, dass das heimlich eingeholte DNA-Gutachten gegen Art. 2 Abs. 1 GG bzw. dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung des Kindes verstoße.

    Auch die Weigerung der Kindesmutter als Vertreterin des Kindes sei nicht geeignet, einen Anfangsverdacht zu begründen und damit eine Vaterschaftsfestsellungsklage zuzulassen. Dass mit der Verweigerung auch der Verdacht auf Seiten des Mannes erhöht werde, wurde – soweit ersichtlich - nicht thematisiert.

  2. OLG Celle

    Schon das OLG Celle (Urteil vom 29.10.2003, gerichtliches Aktenzeichen: 15 UF 84/03) hatte in der Vorinstanz zwei Begründungen:

    Zum einen sei das Ergebnis des vorgelegten Vaterschaftstests nicht geeignet, Zweifel an der Vaterschaft zu wecken. Denn der Vaterschaftsnachweis enthalte keinerlei Identitätsfeststellung der untersuchten Personen. Es stehe nicht fest, ob das untersuchte Material von den Parteien stammt.

    Außerdem sei das Ergebnis des heimlich eingeholten DNA-Vaterschaftsnachweises prozessual nicht verwertbar. Der heimlich eingeholte Vaterschaftsnachweis verletze das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Kindes in seiner Ausformung als Recht auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs.1 GG). Daraus folge die Befugnis, selbst darüber zu entscheiden, wann, wie und innerhalb welcher Grenzen persönliche Lebenssachverhalte offenbart würden. Das OLG führt weiter aus:

    „Ob ein Eingriff in Grundrechte der anderen Partei gerechtfertigt ist, richtet sich nach dem Ergebnis der Abwägung zwischen den gegen die Verwertung streitenden verfassungsrechtlichen Positionen, wobei dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG besondere Bedeutung zukommt, auf der einen Seite und einem für die Verwertung sprechenden rechtlich geschützten Interesse auf der anderen Seite" (BVerfG FamRZ 2003, Seite 25 m. w. N.).

    Hier stehe auf der einen Seite das Persönlichkeitsrecht des Kindes und auf der anderen Seite das „Recht des rechtlichen Vaters auf Kenntnis seiner Fortpflanzung oder auf Kenntnis der Vaterschaft (Rittner/Rittner NJW 2002, S. 1746, S. 1749)" gegenüber.

    Letzteres müsse in diesem Fall zurücktreten.

    Das OLG Celle hatte damit im Wesentlichen das Urteil der ersten Instanz (AG Hildesheim) vom 04.03.2003 bestätigt.

  3. Es soll nur am Rande auf eine Entscheidung des Landgerichts München I vom 10.7.2003 (gerichtliches Aktenzeichen: 17 HK O 344/03) hingewiesen werden. Danach hatten Väter die Abstammung eines Kindes ohne Wissen der Mutter genetisch überprüfen lassen dürfen.

    Die Väter hätten ein Recht darauf zu erfahren, ob sie der biologische Vater eines Kindes sind. Um dieses Recht durchzusetzen, dürfen sie die Abstammung des Kindes auch heimlich überprüfen lassen. Ein heimlicher DNA-Test sei für das Kind weniger belastend als die gesetzlich zulässig erzwungene Klärung der Vaterschaft.

    Dies ist aber – soweit ersichtlich – eine Einzelentscheidung geblieben.

  4. Aktualität des Urteils

    1. Das Urteil des BGH ist auch deswegen so interessant, weil das Thema der „heimlichen Vaterschaftstests" Anlass politischer Initiativen ist. Bundesjustizminsterin Zypries (SPD) hat sich in den letzten Monaten intensiv und häufig zu diesem Thema geäußert. Sie beabsichtigt, den ohne Einwilligung des Kindes bzw. der Kindesmutter eingeholten Vaterschaftstest unter Strafe zu stellen. Dabei sollen die Väter strafrechtlich belangt werden. Es drohen sogar Haftstrafen bis zu 1 Jahr Freiheitsstrafe.

      Die Auswirkungen einer solchen Kriminalisierung für die Familie und die einzelnen Personen sind bisher noch nicht abzusehen.

    2. Darüber hinaus ist auch noch völlig offen, ob es bei der sehr kurzen Anfechtungsfrist von zwei Jahren für die Einlegung einer Anfechtungsklage bleiben soll. Die Anfechtungsfrist beginnt gemäß § 1600 b Abs. 1 Satz 2 BGB mit dem Zeitpunkt an zu laufen, in dem der Anfechtungsberechtigte von den Umständen erfährt, die gegen die Vaterschaft sprechen. Die Frist wird aber schon dann in Gang gesetzt, wenn der Anfechtungsberechtigte Kenntnis von Tatsachen hat, aus denen sich die nicht fernliegende Möglichkeit einer Abstammung von einem anderen Mann ergibt (BGH, Urteil vom 22. April 1998 – XII ZR 229/96, in: FamRZ 1998, S. 955).

      Außerdem ist noch völlig offen, ob und gegebenenfalls welche Anforderungen an die Schlüssigkeit einer Anfechtungsklage gestellt werden. Nach einer Entscheidung des OLG Kölns reichen z.B. anonyme Hinweise auf eine nichtbestehende Vaterschaft eines als Vater geltenden Mannes nicht aus (Urteil vom 6.5.2004; gerichtliches Aktenzeichen: 15 UF 235/03). Auch reiche eine „mangelnde Ähnlichkeit des Kindes mit dem Vater nicht aus, außer die Eltern hätte „weiße" Haut, während das Kind eine schwarze Hautfarbe habe (OLG Köln a.a.O Seite 5; OLG Jena in: FPR 2003, Seite 374)

    3. Nach derzeitiger Rechtslage gehören zur Schlüssigkeit der Klage alle Tatsachen, die notwendig sind, damit die Klage begründet erscheint. Dazu gehören alle Umstände, die gegen eine Vaterschaft sprechen sollen. Der Anfechtende muss die Umstände darlegen, auf die er seine Zweifel an der Vaterschaft stützt.

      Dies erfordert die konkrete Darlegung der Anhaltspunkte, die die Annahme zulassen, dass das Kind nicht vom Scheinvater abstammt (BGH in: FamRZ 1998, Seite 955). Dies sind z.B., dass der mehrfache Geschlechtsverkehr der Mutter des Kindes substantiiert dargelegt wird.

      Erst wenn man diese (hohe) Hürde überwindet, kann das Gericht eine Abstammungsgutachten beauftragen. Ist der Vortrag nämlich unsubstaniiert, dann wird das Gericht kein Gutachten einholen.

    4. Auch die Politik ist sich nicht einig: Während die Ministerin auf eine schnelle Entscheidung in ihrem Sinne drängt, wägt der Fraktionspartner noch ab. Die Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bundestag, Göring-Eckardt, sagte, eine Vaterschaftsanfechtung vor Gericht könne einer Familie wesentlich mehr Schaden zufügen als ein heimlich vorgenommener Test. Bestätige der heimliche Test die Vaterschaft, werde die Familie nicht unnötig belastet. Die Opposition kritisiert das Vorhaben der Ministerin mehrheitlich.

Es bleibt daher abzuwarten, welchen Weg die Politik einschlagen wird.

Entschieden ist durch das Urteil nur, dass die heimlich durchgeführten Tests nicht vor Gericht verwertet werden können.

Fazit: Stimmt die Kindesmutter nicht zu und kann man die Zweifel an der Vaterschaft nicht substantiiert darlegen, so hat man nach derzeitiger Rechtslage kaum Möglichkeit, eine Vaterschaftsanfechtung erfolgreich zu erreichen.


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