Neue Beweislastregel beim Kauf von mangelhaften Verbrauchsgütern

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Der Sachverhalt

Wer trägt die Beweislast für einen Fehler einer Kaufsache, wenn sich diese nach einem Einbau durch Dritte als fehlerhaft erweist?

Die Anwendung der Beweislastumkehr gemäß § 476 BGB wird nicht schon deshalb ausgeschlossen, weil der Verbraucher die gekaufte Sache - hier: ein Teichbecken - durch einen Dritten hat einbauen lassen.

BGH, Urteil vom 22. November 2004 - VIII ZR 21/04

Der Kläger kaufte von dem Beklagten, der ein Fachhandelsgeschäft für Gartenartikel betreibt, am 11. Juli 2002 ein Teichbecken aus glasfaserverstärktem Kunststoff für seinen privaten Gebrauch. Das Teichbecken wurde dem Kläger am folgenden Tag durch Mitarbeiter des Beklagten geliefert. Anschließend ließ der Kläger das Becken durch einen Fachbetrieb auf seinem Grundstück einbauen. Nach dem Befüllen des Teichbeckens zeigte sich, dass dieses undicht war. Der Kläger ließ das Becken am 24. Juli 2002 in den Betrieb des Beklagten zurückbringen. Zu diesem Zeitpunkt wies es einen Riss von 10 bis 15 cm Länge sowie weitere undichte Stellen auf. Der Beklagte nahm - ohne Anerkennung einer Rechtspflicht - Reparaturmaßnahmen vor. Das vom Kläger mit dem Einbau beauftragte Unternehmen holte das Teichbecken ab und baute es erneut ein; danach trat wiederum Wasser aus. Der Beklagte lehnte die Lieferung eines neuen Beckens sowie weitere Reparaturmaßnahmen ab. Anfang November erklärte der Kläger den Rücktritt vom Kaufvertrag.

Der Kläger hat Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Übergabe des Teichbeckens verlangt und die Feststellung begehrt, dass sich der Beklagte im Annahmeverzug befindet.

Das Amtsgericht hat der Klage nach Durchführung einer Beweisaufnahme hinsichtlich des Zahlungsanspruchs stattgegeben und sie hinsichtlich des Feststellungsantrags abgewiesen. Auf die Berufung des Beklagten hat das Landgericht die Klage insgesamt abgewiesen. Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision begehrt der Kläger die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

Die Entscheidung des BGH

Gemäß § 476 BGB wird vermutet, dass die Sache bereits bei Gefahrübergang mangelhaft war, wenn sich innerhalb von sechs Monaten seit diesem Zeitpunkt ein Sachmangel zeigt, es sei denn, dass diese Vermutung mit der Art der Sache oder des Mangels unvereinbar ist.

  1. Dieser Wortlaut des § 476 BGB bietet nach Ansicht des BGH keinen Anhaltspunkt für die Annahme, die Regelung sei bereits dann nicht anzuwenden, wenn der Käufer, wie vorliegend der Kläger, den bestimmungsgemäßen Einbau der Sache einem Dritten überlässt. § 476 BGB setzt in seinem ersten Halbsatz lediglich voraus, dass sich innerhalb von sechs Monaten seit Gefahrübergang ein Sachmangel zeigt.

    Diese beiden Voraussetzung waren hier erfüllt, da das Teichbecken bereits wenige Tage nach der Anlieferung am 12. Juli 2002 undicht war. Feststellungen, dass die gesetzliche Vermutung im vorliegenden Fall mit der Art der Sache oder des Mangels nicht vereinbar ist (§ 476 BGB, 2. Halbsatz), wurden nicht getroffen.

  2. Auch der Zweck des § 476 BGB rechtfertigt es nicht, die gesetzliche Vermutung und die damit einhergehende Umkehr der Beweislast von vornherein dann nicht anzuwenden, wenn der Käufer die Sache durch einen Dritten einbauen lässt. Die Vorschrift bezweckt den Schutz des Verbrauchers. Sie enthält eine in zeitlicher Hinsicht wirkende Vermutung, dass ein innerhalb von sechs Monaten seit Gefahrübergang aufgetretener Mangel bereits zu diesem Zeitpunkt vorlag (vgl. BGH Urteil vom 2. Juni 2004 - VIII ZR 329/03 NJW 2004, 2299). Nach den Gesetzesmaterialien liegt die Rechtfertigung der Beweislastumkehr in den schlechteren Beweismöglichkeiten des Verbrauchers und den - jedenfalls in engem zeitlichem Zusammenhang mit der Übergabe - ungleich besseren Erkenntnismöglichkeiten des Unternehmers (Begründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts, BT-Drucks. 14/6040, S. 245).

    Der Verbraucher, der den bestimmungsgemäßen Einbau der Sache einem Dritten überlässt, ist hinsichtlich des Nachweises ihrer Beschaffenheit im Zeitpunkt des Gefahrübergangs in gleichem Maße schutzwürdig wie der Verbraucher, der die Sache selbst einbaut. Es ist, so der BGH,

    „kein Grund dafür ersichtlich, im Verhältnis zum Verkäufer den einen Verbraucher schlechter zu stellen als den anderen. Einerseits werden die in der Gesetzesbegründung aufgezeigten Beweisschwierigkeiten des Käufers hinsichtlich der Beschaffenheit der Sache im Zeitpunkt des Gefahrübergangs nicht dadurch verringert, dass er die Sache durch einen Dritten einbauen lässt; andererseits begründet es für die Erkenntnismöglichkeiten des Verkäufers hinsichtlich des Zustandes der Sache im Zeitpunkt des Gefahrübergangs regelmäßig keinen Unterschied, ob der Käufer die Sache nach ihrer Übergabe selbst einbaut oder ob er einen Dritten damit betraut."