Wir brauchen einen Kaiser. Der darf das.

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In Deutschland ist Korruption Alltag

In Köln wurde bestochen. Profitiert haben Unternehmen und Politiker. Geschädigt wurde das Finanzamt, also der Staat und mit ihm der Bürger. Soweit die Fakten. Gestritten wird derzeit landauf, landab über Beteiligte, Ausmaß und Wirkung. Die Wellen schlagen hoch, Medien wittern einen Skandal und versuchen, die Öffentlichkeit zu mobilisieren. Die Veröffentlichungen der letzten Tage lassen den Schluss zu, etwas Außergewöhnliches, Schockierendes wäre passiert. Die Republik sei in Aufruhr.

Mitnichten. Ein schockierendes Ereignis hat auch immer ein Element der Überraschung. Einen unerwarteten Knalleffekt. Davon kann aber im Kölner Fall keine Rede sein, weshalb man auch nicht von einem Skandal sprechen kann. Es ist Zeit, die Augen aufzumachen: In Deutschland ist Korruption Alltag. Nur einige politikinteressierte Aktivbürger können sich über solche Geschehnisse noch echauffieren. Man hat es ja schon immer gewusst. Kurzes Kopfschütteln. Weiter.

Korruption ist vor allem auch politischer Alltag. Die Reaktionen der Betroffenen zeigen es uns deutlich. Floskeln wie "brutalstmögliche Aufklärung", "rückhaltslos" und "Sumpf ausheben" zeigen, dass sich in der Politik inzwischen ein festes Skandalvokabular etabliert hat. Man kennt es zur Genüge, man hat sich schon daran gewöhnt. Das mit der SPD und der CDU diesmal (vermeintliche) Opfer und Täter die Fronten gewechselt haben, ist lediglich eine taktische Umstellung, die im Verständnis der Bürger schon lange vollzogen ist. Und auch die CDU-Führung weiß das und hat daher entschieden, den Kölner Fall nicht zum Wahlkampfthema zu machen. Für die Wähler sitzen spätestens jetzt alle Politiker im Glashaus.

Dieses Glashaus wird immer voller. Um wieder etwas Platz zu schaffen, ist die typische Reaktion auf Korruption die Anprangerung eines Sündenbocks: Ehemalige Genossen isolieren und der Menge zum Fraß vorwerfen. Vielleicht ist dann Ruhe. Dabei wird es mittlerweile gar nicht mehr richtig laut, fehlte doch der Überraschungs-, der Showeffekt. Vergebene Liebesmühe, wozu Kritik?

Kritik stünde dem deutschen Michel auch nicht gut zu Gesicht. Mit welchem Recht könnte man diejenigen moralisch verurteilen, die sich darauf berufen können, sich an die gesellschaftlichen Spielregeln gehalten zu haben? Hierzulande ist derjenige besonders klever, der ein gutes Geschäft macht und beim Schummeln nicht erwischt wurde. Wer die Möglichkeit hat, der nutzt sie auch: Wieviele Leute begegnen einem täglich, die mal wieder erzählen, wie ausgefuchst sie diesmal Geld gespart oder sich einen Vorteil verschafft haben? Wer nutzt denn nicht seine Verbindungen zu Handwerkern, um den Umbau des Reihenendhauses günstiger zu kriegen? Um wieviel werden die Versicherungen jährlich betrogen? Wie viele bringen ihre Ersparnisse vor dem Fiskus in Sicherheit? Die Oberschlaubürger regieren das Land. Diejenigen, die jeden Vorteil mit sicherer Nase suchen und finden, wenn der Nächste nur dumm genug ist.

Und so ist es weder Zufall, noch ungerechtfertigt, dass Deutschland im internationalen Korruptionsindex dieses Jahr weiter abgerutscht ist, mittlerweile auf Platz 20. Weil der Besitzstand und der persönliche Erfolg, man könnte auch die persönliche Bereicherung sagen, gesellschaftliche Leitmotive sind. Begriffe wie Moral, Ehre, und Rücksicht haben wenig Bedeutung. Ob Sie jemals weiter oben in der Liste der gesellschaftlichen Leitbilder standen, sei dahingestellt. Man träumt gerne davon, aber Wunsch und Realität driften hier wohl weit auseinander. Wer mag da aus Überzeugung die Kölner SPD, oder CDU oder FDP oder irgendeine andere Partei anklagen? Korruption ist doch Alltag in Deutschland.

Was kann man tun? Man kann die Regeln zur Parteienfinanzierung verbessern. Sinnvolle Vorschläge liegen vor. Allerdings müssen Sie von der Politik beschlossen werden, da wird der Bock zum Gärtner. Auch die Gesetze zur Korruptionsbekämpfung sind verbesserungsfähig. Einen Ansatz bieten Vorschläge, die Strafen für juristische Personen ermöglichen und vorbeugende Maßnahmen gegen Korruption belohnen. Der Haken: Kein Gesetz kann Moral, Fairness und Ehrlichkeit erzwingen oder Übervorteilung lückenlos verhindern. Dazu bedarf es eines Bewusstseinswandels in der gesamten Bevölkerung. Aber so schnell schießen die Preußen nun mal nicht.

Daher bietet sich eine radikale Lösung: Deutschland besorgt sich einen Kaiser. Nicht in München, sondern in Berlin. Der Vorteil liegt auf der Hand: Kaiser dürfen alles, ohne sich rechtfertigen zu müssen. Der darf das einfach. Und der kann dann aus dem Brustton der Überzeugung verkünden: Ihr dürft das nicht.

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