Wesentliche Änderungen durch geplante Reform des Unterhaltsrechtes

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Referentenentwurf eines Gesetzes zur Änderung des Unterhaltsrechtes vom 26.04.2006

Von Rechtsanwalt Claus-Rudolf Löffler

Das Unterhaltsrecht betrifft jeden Einzelnen am Lebensnerv. Ob Kind, ob Mutter oder Vater, ob Ehefrau oder Ehemann: Durch die Verbindung im Familienverband und durch verwandschaftliche und eheliche Solidarität ist Übernahme von Verantwortung zwischen Ehegatten und Kindern und Eltern im BGB niedergelegt.

Die Gesellschaft hat sich in den vergangenen Jahren geändert.
Dieser Änderung trägt der Gesetzgeber Rechnung:

Claus-Rudolf Löffler
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Notar und Rechtsanwalt
Fachanwalt für Familienrecht, Fachanwalt für Erbrecht
Volgersweg 26
30175 Hannover
Tel: 0511 343435
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E-Mail:
Mediation, Insolvenzrecht, Kaufrecht

Es ist ein Entwurf zum neuen Unterhaltsrecht eingebracht, der bereits in der 1. Lesung im Bundestag war. Er verfolgt 3 Ziele:

  1. Förderung des Kindeswohls
  2. Stärkung der nachehelichen Eigenverantwortung
  3. Vereinfachung in zentralen Fragen

Im Klartext heißt dies aber für den Einzelnen etwas anderes:

  1. Änderung der Rangfolge im Unterhaltsrecht
  2. Besserstellung nichtverheirateter Mütter, die Kinder betreuen
  3. gesetzliche Definition des Mindestunterhaltes von Kindern
  4. Schwächung der Unterhaltsansprüche der geschiedenen Ehefrau in ganz wichtigen Punkten

Im Einzelnen:

1. Geänderte Rangfolge

Künftig soll der Kindesunterhalt Vorrang vor allen Unterhaltsansprüchen haben, weil Kinder nicht für sich selbst sorgen können. Kinderbetreuende Elternteile haben daher Vorrang, unabhängig davon, ob sie verheiratet sind oder waren, gemeinsam oder allein ein Kind erziehen.

Im Klartext: Sowohl die erste als auch die zweite Ehefrau, die Kinder betreuen, aber auch nichtverheiratete Mütter werden gleich behandelt. Die erste Ehefrau geht der zweiten Ehefrau nicht mehr vor! Die langjährige Ehefrau, die keine Kinder mehr betreut, befindet sich im zweiten Rang. Der geschiedene Ehegatte, der nur kurz verheiratet war und keine Kinder hat, findet sich künftig im dritten Rang wieder.

Was heißt das konkrekt:

Der nach 20 Jahren geschiedene Mann hat aus erster Ehe 2 Kinder. Seine Frau hat die Kinder betreut und nicht gearbeitet. Die Kinder stehen kurz vor dem Abitur und die geschiedene Frau findet nach der Scheidung keinen Arbeitsplatz. Der Mann hat nach der Scheidung erneut geheiratet und mit seiner zweiten Ehefrau 2 minderjährige Kinder. In diesem Fall werden nach Abzug des so genannten Selbstbehaltes des Mannes zunächst die Unterhaltsansprüche aller Kinder erfüllt. Falls dann noch Einkommen zur Verfügung steht, müssen erste und zweite Ehefrau sich das Geld teilen. Sie befinden sich im zweiten Rang. Die erste Ehefrau, weil die Ehe von langer Dauer war (20 Jahre) und die zweite Ehefrau, weil sie ihre minderjährigen Kinder betreut.

Anders wäre es allerdings, wenn die erste Ehe nur 4 Jahre gedauert hat und kinderlos geblieben ist, die Ehefrau aber gleichwohl nicht gearbeitet hat und nun keinen Arbeitsplatz findet. Hier würden wieder die Kinder aus der zweiten Ehe erstrangig sein. Im zweiten Rang befindet sich die kinderbetreuende zweite Ehefrau und, wenn noch Geld überbleibt, auch der Anspruch der ersten Ehefrau.

2. Besserstellung der nichtverheirateten Mutter

Die nichtverheiratete Mutter erhält heute nach der Geburt des Kindes bis zu 3 Jahre Betreuungsunterhalt. Danach muss sie wieder arbeiten gehen, wenn dies nicht grob unbillig ist. Die Schwelle für eine Verlängerung des Betreuungsunterhaltes der nichtehelichen Mutter wird abgesenkt.

Das Wort "grob" soll gestrichen werden. Damit ist eine Verlängerung über den 3 Jahrszeitraum leichter möglich, wenn dies nicht unbillig ist. Diese Abwägungsentscheidung soll durch Heranziehung aller kind- und elternbezogen Belange oder sonstige Umstände gefunden werden und den Gerichten genügend Raum geben, um eine dem Einzelfall gerecht werdende Lösung zu finden. Zunächst muß der Richter also entscheiden, ob generell eine Verlängerung in Betracht kommt, dann ob der Höhe nach oder in zeitlicher Hinsicht eine Begrenzung des Unterhaltsanspruches in Frage kommt. Da auch in der Ehe der Zeitpunkt an dem wieder Erwerbstätigkeit zugemutet werden kann, durch Betonung der Erwerbsobliegenheit und Eigenverantwortung abgesenkt werden soll, wird in der Praxis die Regelung zu einen Kinderbetreuungsaufstockungsunterhalt führen, der die Differenz des Einkommens aus Teilzeittätigkeit und Existenzminimum ausgleicht.

Nach den Arbeitsmöglichkeiten wird man vermutlich in der Rechtsprechung die formulierten Grenzen, ab welchem Kindesalter von dem betreuenden Elternteil (Teil-) Erwerbstätigkeit zugemutet werden kann, reduzieren.

Ab 3 Jahre und Kind im Kindergarten Teilzeittätigkeit stundenweise (08:00 bis 12:00 Uhr),
Ab 6 Jahren und Kind in der "sicheren" Grundschule mit Betreuung bis 13:00 Uhr Teilzeittätigkeit 08:00 bis 13:00 Uhr,
Ab 12 Jahren echte Halbtagstätigkeit,
Ab 16 Jahre 2/3- bis Vollzeittätigkeit,

3. gesetzliche Regelung des Mindesunterhaltes von Kindern

Es gibt einen Mindestunterhalt von Kindern.

Die Regelbetragsverordnung entfällt. Die neue Fassung des § 1612 a Abs. 3 BGB (vgl. bisher die Regelung des § 1612 b BGB - Anrechnung des Kindergeldes) führt zu folgendem Ergebnis:

1. Altersgruppe
geltendes Recht 276,00 EUR minus 77,00 EUR Kindergeld
= 199,00 EUR.
künftiges Recht 258,00 EUR

2. Altersgruppe
geltendes Recht 334,00 EUR minus 77,00 EUR Kindergeld
= 257,00 EUR.
künftiges Recht 304,00 EUR

3. Altersgruppe
geltendes Recht 393,00 EUR minus 77,00 EUR Kindergeld
= 316,00 EUR.
künftiges Recht 350,00 EUR

Zugrundezulegen sind 135 % des Regelbetrages 6. Gruppe.

Die tägliche Handhabung der Unterhaltsrechtspraxis wird diese Vereinfachung deutlich spürbar sein, denn der Kinderfreibetrag ergibt sich aus dem Einkommenssteuergesetz, weitere Feststellungen müssen für das Existenzminimum nicht getroffen werden. Dementsprechend wird die Regelbetragsverordnung entbehrlich und soll im Zuge des Reformgesetzes aufgehoben werden.

Hier werden die Kinder gewinnen. Dieser Teil der Reform wird das Wohl der Kinder stärken.

4. geschiedener Ehegatte muss früher arbeiten als bisher:

  1. Der Entwurf will künftig nacheheliche Unterhaltsansprüche insgesamt befristen und herabsetzen. § 1587 b EBGB enthält hierzu einen gesetzlichen Befehl für alle Unterhaltsansprüche, den er formuliert, der Unterhaltsanspruch des geschiedenen Ehegatten "ist auf den angemessenen Lebensbedarf herabzusetzen", wenn eine (längere) Bemessung an den ehelichen Lebensverhältnissen unbillig wäre. Einen ähnlichen Befehl enthält § 1587 b Abs. 2, wenn es dort heißt: Der Unterhaltsanspruch ist zeitlich zu begrenzen, wenn ein zeitlich unbegrenzter Unterhaltsanspruch unbillig wäre.

    Absatz 3 formuliert, dass Herabsetzung und zeitliche Begrenzung miteinander verbunden werden können.

    Die wesentliche Neuheit ist:

    § 1587 b EBGB ordnet künftig eine generelle höhenmäßige Herabsetzung des nachehelichen Unterhaltsanspruchs auf den (eigen) angemessenen Lebensbedarf an, wenn eine weitere Bemessung des Unterhaltsanspruches nach den Lebensverhältnissen unbillig wäre.

    Ob dies unbillig wäre, soll sich vor allem danach richten, was sehr wichtig ist, ob der Berechtigte durch die Ehe Nachteile in seinem eigenen beruflichen Fortkommen erlitten hat, Abs. 1 Satz 2. Die möglichen Ursachen für solche Nachteile zählt das Gesetz auf:

    • Dauer der Kindererziehung,
    • - Aufteilung von Haushaltsführung
    • - Erwerbstätigkeit zwischen den Eheleuten,
    • - Dauer der Ehe.

    Der Entwurf begründet die drastische künftige generelle Reduzierung von Unterhaltsansprüchen damit, dass einschneidende wirtschaftliche Folgen einer Trennung und Scheidung, wie sie insbesondere durch die Auferlegung einer grundsätzlich lebenslangen Unterhaltspflicht bisher entstanden waren, nicht völlig losgelöst von Billigkeitsgesichtspunkten geregelt werden kann.

  2. Ist eine Mittags-Betreuung in der Schule vorhanden, kann von dem kinderbetreuenden Elternteil künftig durchaus früher die Wiederaufnahme der Erwerbstätigkeit erwartet werden. Es kommt künftig auf den Einzelfall an. Einmal Chefarzt-Frau, immer Chefarzt-Frau, wird gekippt. Der geschiedene Ehegatte muss auf eigenen Füßen stehen. Er bekommt nur für eine Übergangszeit Differenzunterhalt, bis er sich im Erwerbsleben wieder eingeordnet und die Rückkehr in den erlernten und vor der Ehe ausgeübten Beruf geschafft hat. Dies gilt selbst dann, wenn damit ein geringerer Lebensstandard als in der Ehe verbunden war! Hier kommt es allerdings auch auf den Einzelfall an, Dauer der Ehe, Dauer der Kinderbetreuung und Rollenverteilung in der Ehe. Die Stellung der geschiedenen Ehefrau im Rahmen des Differenzunterhaltes wird aber deutlich verschlechtert durch die neue Gesetzgebung.

    Nach den Arbeitsmöglichkeiten wird man vermutlich in der Rechtsprechung die formulierten Grenzen, ab welchem Kindeshalter von dem betreuenden Elternteil (Teil-) Erwerbstätigkeit zugemutet werden kann, reduzieren.

    Ab 3 Jahre und Kind im Kindergarten Teilzeittätigkeit stundenweise (08:00 bis 12:00 Uhr),
    Ab 6 Jahren und Kind in der "sicheren" Grundschule mit Betreuung bis 13:00 Uhr Teilzeittätigkeit 08:00 bis 13:00 Uhr,
    Ab 12 Jahren echte Halbtagstätigkeit,
    Ab 16 Jahre 2/3- bis Vollzeittätigkeit.

  3. Der Grundsatz der Eigenverantwortung ist das erklärte Ziel der vorliegenden Unterhaltsrechtsreform.

    Eine weitere wichtige Veränderung enthält § 1574 e BGB:Über die Zumutbarkeit einer nachehelichen Erwerbstätigkeit des Berechtigten soll nicht vor allem eheliche Lebensstandard entscheiden, vielmehr soll der Berechtigte künftig eine angemessene Erwerbstätigkeit ausüben müssen, die vor allem seiner früheren Erwerbstätigkeit entspricht.

    Nach einer Reihe anderer Kriterien wird erst an letzter Stelle gefragt, ob eine solche Tätigkeit nach den ehelichen Lebensverhältnissen grob unbillig wäre. Die absolute Anbindung der angemessenen Erwerbstätigkeit an die ehelichen Lebensverhältnisse im geltenden § 1574 Abs. 1 Satz 2 BGB soll also entfallen.

    Es erfolgt eine Umkehr der Sichtweise: Nach § 1574 muss jeder das tun, was er gelernt hat, es werden lediglich ehebedingte Nachteile ausgeglichen.

    Der Entwurf begründet diese erheblichen Einschränkungen im Unterhaltsrecht mit gesellschaftlichen Veränderungen und gewandelten Wertvorstellungen.

Ich fasse zusammen:

Das Unterhaltsrecht wird in vier wichtigen Punkten vereinfacht.

  1. Gesetzliche Regelung des Mindestunterhaltes von Kindern, s.o.

  2. Wegfall der alle 2 Jahre anzupassenden Regelbetragsverordnung, die überhaupt in Wegfall kommt, s.o.

  3. Klare und verständliche Regelung der unterhaltsrechtlichen Rangfolge.

  4. Konzentration der verstreuten Befristungsregelung auf eine Norm und zugleich Ausweitung der Befristung und Begrenzungsmöglichkeiten. Das ist für die unterhaltspflichtigen Ehemänner von größter Bedeutung.

Das neue Unterhaltsrecht dürfte zu einer beträchtlichen Veränderung der unterhaltsrechtlichen Landschaft führen.

Die Bundesministerin Zypries hat sich zuversichtlich geäußert, dass das Reformgesetz noch in diesem Jahr (2006) verabschiedet wird und dann im Jahr 2007 in Kraft treten könnte.

Claus-Rudolf Löffler
Fachanwalt für Familienrecht
Fachanwalt für Erbrecht
Fachanwalt für Steuerrecht
Mediator
Notar
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