Wer haftet bei der "Scheinsozietät"?

Mehr zum Thema: Gesellschaftsrecht, Haftung, Scheinsozietät, Gesellschaftsvertrag, Rechtsanwalt
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Urteil des BGH vom 17.11.2011 (Az. IX ZR 161/09)

Der BGH hat eine interessante Entscheidung zu der in Praxis häufig vorkommenden Scheinsozietät getroffen.

Der Fall.. .

... betrifft einen Mandanten, einen Rechtsanwalt (in der Folge: Rechtsanwalt A) und noch einen Rechtsanwalt (in der Folge: Rechtsanwalt B). Der Mandant ließ sich von Rechtsanwalt A beraten, welcher unter laut Briefkopf mit "A. Rechtsanwälte" firmierte. Auf dem Briefkopf befand sich auch Rechtsanwalt B. Diese war auch in den Mandatsbesprechungen anwesend.

Das Mandat wurde nicht zur Zufriedenheit des Mandaten abgeschlossen. A und B unterzeichneten (auf Grund der aus ihrer Sicht guten Zusammenarbeit) einen Sozietätsvertrag und gründeten die vorher nicht vorhande Rechtsanwalts-GbR. A will nun wegen eines Beratungsfehlers gegen die GbR vorgehen. Geht das?

Laut BGH geht das nicht!

Die Gründe:

Die Entscheidung hält eine dogmatisch richtige Aufbereitung der allgemeinen Haftungsvoraussetzungen der GbR bereit.

Wie bekannt, handelt es sich bei der Außen-GbRr laut Leitentscheidung des BGH des Jahres 2001 um ein eigenständiges Rechtssubjekt. Da vorliegend die GbR jedoch nach Abschluss des Mandates gegründet worden ist, liegt kein Haftungsgrund vor.

Kein Haftungsgrund folgt aus §§ 280 Abs, 1, 675 BGB i.V.m. § 28 HGB. Dieser Grundsatz aus dem Handelsrecht, wonach die Handelsgesellschaft für alle im Betrieb des Geschäfts entstandenen Verbindlichkeiten des früheren Geschäfteinhabers haftet. Zunächst betreibt der Rechtsanwalt - kaum zu glauben aber wahr - kein Handelsgewerbe (§ 2 Abs. 2 BRAO). Auch eine analoge Anwendung ist laut ständiger Rechtsprechung des BGH aufgrund der besonderen Ausgestaltung des Rechtsverhältnisses zwischen Mandant und Rechtsanwalt nicht möglich (Nachzulesen: Urteil des BGH vom 22.01.2004, Az. IX ZR 65/01 m.w.N.).

Auch eine Haftung aus Rechtsscheinsgesichtspunkten scheitert.

Für M sah es zwar so aus, als wenn A und B bereits vor Abschluss des Sozietätvertrages als GbR mit mehreren Rechtsanwälten tätig waren.

Hieraus folgt jedoch das für den Mandanten unbefriedigende Ergebniw, dass lediglich eine Scheinsozietät vorliegt. Hierunter versteht man den Zusammenschluss mehrerer Rechtsanwälte, die nach außen gemeinsam in Erscheinung treten, ohne dass ein Gesellschaftsvertrag sämtliche nach außen tretende Rechtsanwälte einbezieht (Urteil des BGH vom 12.10.2000, Az. WpSt (R) 1/00 m.w.N.).

In diesen Fällen ist höchstrichterlich nur anerkannt, dass angestellte Rechtsanwälte sowie freie Mitarbeiter im Außenverhältnis wie Sozietätsmitglieder haften, wenn sie den Rechtsschein gesetzt haben, Mitglieder der Sozietät zu sein.

Die Scheinsozietät selbst ist rechtlich nicht existent und kommt als Anspruchsgegnerin nicht in Betracht. Eine Bestimmung im Gesetz, welche die während des Bestehens einer Scheinsozietät entstandenen Ansprüche, die sich nur gegen einzelne Personen oder eine bereits vorhande Gesellschaft richten können, auf eine später gegründete Gesellschaft überleitet, gibt es nicht.

Im Ergebnis kann sich der Mandant direkt gegen den Rechtsanwalt A wenden. Aus Rechtsscheinsgründen (siehe Briefkopf und Anwesenheit in Mandatsbesprechungen) ist auch Rechtsanwalt B dran. Verschont bleibt die neu gegründete GbR.

Das Fazit:

Dem Mandanten wird dieses gesellschaftsrechtliche Ergebnis wahrscheinlich egal sein, solange er sein Geld von A oder B bekommt. Ärgerlich wird es erst, wenn er in einem Klageverfahren seinen Anspruch gegen die falsche Adressatin, die GbR, richtet. Und in diesem Fall wird er sich fragen, ob es gerecht ist, dass die Klassifizierung als "Scheinsozietät" keinerlei Rechtsfolgen hat.