Wechselmodell und Kindesunterhalt

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Befreit das Wechselmodell vom Kindesunterhalt?

In seiner Entscheidung vom 05.11.2014 hatte der Bundesgerichtshof darüber zu befinden, welche Auswirkungen das Wechselmodell auf den Kindesunterhalt hat. Der geschiedene Ehemann betreute die beiden gemeinschaftlichen minderjährigen Kinder (10 und 8 Jahre alt) an 6 von 14 Tagen. Er war vom Amtsgericht und Oberlandesgericht dennoch zur Zahlung von Kindesunterhalt verurteilt worden.

Grundsätzlich stellte der BGH fest, dass bei einem Wechselmodell kein Elternteil vom Barunterhalt für das Kind befreit wird. Andernfalls wären beide Elternteile vom Barunterhalt befreit, obwohl nur der Betreuungsbedarf des Kindes gedeckt wäre.

Eric Schendel
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Bei einem echten Wechselmodell haben daher beide Elternteile für den Barunterhalt einzustehen. Der Unterhaltsbedarf bemisst sich in diesem Fall nach dem beiderseitigen Einkommen der Eltern und umfasst neben dem sich daraus ergebenden erhöhten Bedarf insbesondere auch die Mehrkosten des Wechselmodells (z.B. Wohn- und Fahrtkosten). Dieser Bedarf des Kindes beim Wechselmodell liegt daher regelmäßig über dem Unterhaltsbedarf bei dem herkömmlichen Residenzmodell, bei dem nur ein Elternteil das Kind betreut.

Im vorliegenden Fall stellte der BGH fest, dass der Schwerpunkt der Betreuungsverantwortung bei der Kindesmutter liegt, zumal der Kindesvater die gemeinschaftlichen Kinder an nur 6 von 14 Tagen betreut. Die Kindesmutter hat demnach keinen Barunterhalt zu leisten, während der Kindesvater für den vollen Barunterhalt aufkommen muss.

Ein echtes Wechselmodell hingegen liegt nur dann vor, wenn das deutliche Schwergewicht der Betreuung nicht mehr bei nur einem Elternteil liegt. Andernfalls geht man davon aus, dass dieser Elternteil die Hauptverantwortung für das Kind trägt und also dadurch den Betreuungsunterhalt leistet, während der andere Elternteil zum Barunterhalt verpflichtet ist.

Selbst dann, wenn der andere Elternteil im Rahmen eines über das übliche Maß hinaus wahrgenommenen Umgangsrechts seinerseits Betreuungs- und Versorgungsleistungen erbringt, wird das deutliche Schwergewicht der Betreuung des anderen Elternteils nicht infrage gestellt.

Der BGH stellt dabei wesentlich auf das Kriterium der Hauptverantwortung für ein Kind ab. Die zeitliche Komponente der Betreuungsleistungen habe lediglich eine Indizwirkung. Die Beurteilung brauche sich hierauf nicht allein zu beschränken. Selbst bei annähernd hälftiger Mitbetreuung ist von der Barunterhaltspflicht eines Elternteils auszugehen, wenn das deutliche Schwergewicht der Betreuungsverantwortung bei dem anderen Elternteil verbleibt.

In diesem Fall kann der andere Elternteil allenfalls seine finanzielle Mehrbelastung dadurch geltend machen, dass er eine Herabstufung um eine oder mehrere Einkommensgruppen in der Düsseldorfer Tabelle verlangt. Auch kann er etwa erbrachte Naturalleistungen von dem geschuldeten Kindesunterhalt in Abzug bringen.

Rechtsanwalt Eric Schendel, Ihr Scheidungsanwalt in Mannheim
Leserkommentare
von guest-12304.06.2018 10:31:36 am 18.12.2014 19:44:56# 1
6 von 14 Tagen ist ja auch extrem weit entfernt von der Hälfte ...
Die gegenseitige Aufrechnung des Unterhaltes wird in der Praxis geschlechterneutral wie folgt gehandhabt:
Die Mutter kann wegen der Betreuung Kinder nur einen Nebenjob annehmen, so dass ihr Einkommen unter dem Bedarfskontrollbetrag liegt und daher kein Unterhalt leistbar ist, der zur Gegenrechnung gezählt werden kann. Bei Vater hingegen ist von erhöhter Erwerbsobliegenheit auszugehen, so dass der Mindestunterhalt zu leisten ist, auch wenn sein Einkommmen unterhalb des Bedarfskontrollbetrages liegt. Der Aufenthalt der Kinder beim Vater darf nicht die effektive Arbeitszeit und in deren Folge den Einkommenserwerb nachteilig beeinflussen - der Barunterhalt hat hier unzweifelhaft rechtlichen Vorrang vor dem Umgang mit den Kindern.
Die Tatsache, dass der Vater keine abgeschlossene Berufsausbildung vorweisen kann, während die Mutter über einen qualifizierten Berufsabschluss verfügt, findet bei der Entscheidung keine Berücksichtigung, da private Arbeitsvermittlungen auch für ungelernte Hilfskräfte regelmässig offene Stellen vorhalten. Bei Erbringung von Überstunden (erhöhte Erwerbsobliegenheit) kann auch bei einem geringeren Stundenlohn ein ausreichendes Einkommen erzielt werden, um den vollen Unterhalt zu leisten.

Interessiert an den Prozessakten der letzten zwei Jahrzehnte Unterhaltskrieg ?
Ich lade Sie gerne zu einem gemütlichen Wochenende in meiner Garage ein, wo die Akten eingelagert sind.

    
von traxx123 am 19.12.2014 07:03:55# 2
Eine Entscheidung des BGH zum Wohle der Kinder...?

Nein, doch wieder ein Schlag in das Gesicht der Unterhaltsschuldner.
Dreht sich im Zuge einer Ehescheidung "alles" um das Wohl des Kindes,
hört der Spaß offenbar selbst für den BGH beim Geld auf. Was gibt es besseres für ein Kind auch weiterhin vom zweiten Elternteil betreut zu werden und diesen nicht nur alle 14Tage einmal sehen zu dürfen.
Anstelle den überobligatorischen Einsatz des Mannes, welcher eine Kindesbetreuung von 43% gewährleistet, zu honorieren, wird einmal mehr der Kindsmutter in die Karten gespielt.

Und hinterher wundert man sich über eine belastete Beziehung zwischen Vater und Kind. Das verwundert mich aber......
    
von Pudel04 am 19.12.2014 10:35:39# 3
Typisches Herumgeeiere des BGH. Nicht überraschend. Die Aktion hätte der Vater sich sparen können. Ein ganz beliebtes Mittel deutscher Familiengerichtsrechtsprechung ist es eben, dass nur nahezu 50% Betreuung seitens des Vaters erreicht wird, um eben weiter Unterhaltsmaximierung zu betreiben. Also gilt es, ein echtes Wechselmodell schlicht zu verhindern. Und da Unterhaltsrecht - man möge mir dies jetzt verzeihen - ja eine Anwaltspflicht nach sich zieht, läßt sich an diesem Trog nach wie vor gut laben.
Dem Vater ist nach diesem kruden Rechtsverständnis zum angeblichem Wohle der Kinder nur zu raten, den vollen Unterhalt zu zahlen, trotz seines schlecht bezahlten Jobs, um dann aufstockende Leistungen nach SGB II (Hartz IV) zu beantragen, weshalb ihm zusätzlich noch die Betreuungskosten - wenn die Kinder bei ihm sind - zuzurechnen sind. Wenn unsere Rechtssprechung und der Gesetzgeber eben weiterhin der Meinung sind, dass Väter nichts weiter wert sind als zahlende Esel zu sein, muss man den Spies rum drehen und die Kosten eben auf den Staat abwälzen. Und dies so teuer wie möglich machen!
    
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