Was tun, wenn das Licht ausbleibt ?

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Fazit

Von Rechtsanwalt Patrick Inhestern

Im Zuge von immer weiter steigenden Energiekosten und Hartz IV kommt es in immer mehr Haushalten zu unbezahlten Stromrechnungen. Dies ist für die Betroffenen äußerst unangenehm. Der Gesetzgeber meint es jedoch gut: Überspitzt könnte man die bestehende Rechtslage mit dem Slogan „In Deutschland muss niemand im Dunkeln sitzen!" beschreiben. Nachfolgend sollen daher Möglichkeiten aufgezeigt werden, eine drohende Stromsperre zu verhindern oder eine bereits gesetzte Stromsperre aufzuheben.

  1. Spendenantrag

    Patrick Inhestern
    Partner
    seit 2005
    Rechtsanwalt
    Fachanwalt für Sozialrecht, Fachanwalt für Familienrecht
    Köbelinger Str.1
    30159 Hannover
    Tel: 0511 330893 80
    Web: http://www.pi-kanzlei.de
    E-Mail:
    Sozialversicherungsrecht, Arbeitsrecht, Arbeitsrecht

    Zunächst können die Betroffenen einen Spendenantrag stellen. Die Einrichtungen, bei denen dies möglich ist, unterscheiden sich regional. In Hannover kann man die entsprechenden Anträge bei der Caritas oder bei den Diakonischen Werken stellen. Diese leiten dann die Anträge an die Aktion Weihnachtshilfe e.V. weiter, wo über die Anträge abschließend entschieden wird. Zu beachten ist, dass ein Anspruch auf eine derartige Spende selbstverständlich nicht besteht. Weiter kann man einen entsprechenden Antrag im Regelfall nur einmal stellen – also nicht alle Jahre wieder. Gute Aussichten auf eine derartige Spende haben vor allem Familien mit kleinen Kindern. Der große Vorteil einer Spendengewährung liegt für die Betroffenen darin, dass diese nicht zurück bezahlt werden muss.

  2. Antrag auf Darlehensgewährung gegenüber der ARGE

    Sollte eine Spendengewährung nicht oder nur zum Teil erfolgen, dann besteht die Möglichkeit, einen Antrag auf Darlehensgewährung bei der ARGE nach § 23 I SGB II zu stellen. Voraussetzung ist hier, dass ein von den Regelleistungen umfasster Bedarf und nach den Umständen unabweisbarer Bedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts weder durch das Vermögen nach § 12 II Nr. 4 SGB II noch auf andere Weise gedeckt werden kann. Unabweisbar in diesem Sinn sind nach der sozialgerichtlichen Rechtsprechung zumindest etwaige Nachzahlungen aus der jährlichen Turnusrechnung bezüglich Strom. Strom gehört nach den Regelungen des SGB II zu dem von den Regelleistungen umfassten Bedarf, so dass für Stromnachzahlungen die ARGE zu haften hat. Diese Haftung ist nach dem Gesetz allerdings nur darlehensweise ausgestaltet, so dass die durch ARGE übernommenen Beträge von den Betroffenen in Raten zurück zu erstatten sind.

    Trotz der nach dem Gesetz klaren Rechtslage lehnt die ARGE entsprechende Erstanträge mit dem Vermerk ab, Kosten aus der jährlichen Turnusrechnung hinsichtlich Strom seien Schulden und damit vom Träger der Sozialhilfe zu übernehmen. Gegen einen solchen Ablehnungsbescheid sollte wegen der Dringlichkeit zweigleisig vorgegangen werden. Zum einen ist gegen den ablehnenden Erstbescheid Widerspruch einzulegen, zum anderen ist eine einstweilige Anordnung zu beantragen, durch die die ARGE zur Übernahme der Stromkosten verpflichtet wird. Für eine solche einstweilige Anordnung muss immer ein Anordnungsgrund vorliegen. Ein solcher ist nicht erst gegeben, wenn die Stromsperre eingetreten ist, sondern schon dann, wenn eine Stromsperre droht. Deshalb sollten sich die Betroffenen frühzeitig zum Rechtsanwalt begeben, der die entsprechenden Anträge stellt.

    Nach dem Regelungssystem des SGB II kommt eine darlehensfrei Übernahme von Stromschulden nicht in Betracht. Denkbar ist jedoch ein Erlass der Rückzahlungsforderung nach § 44 SGB II, wenn ansonsten eine verfestigte, die Eingliederung erschwerende Verschuldung droht.

  3. Antrag auf Darlehensgewährung gegenüber dem Träger der Sozialhilfe

    Soweit die ARGE als darlehensgewährende Institution nicht in Betracht kommt, muss ein Antrag auf Darlehensgewährung bei dem zuständigen Träger der Sozialhilfe gestellt werden. Anspruchsgrundlage ist dann § 34 I SGB XII. Nach dieser Vorschrift können Schulden nur übernommen werden, wenn dies zur Sicherung der Unterkunft oder einer vergleichbaren Notlage erforderlich ist. Die Vorschrift räumt dem Träger einen Entscheidungsspielraum ein, der in aller Regel dahingehend auszuüben ist, dass ein Darlehen zu gewähren ist. Eine Ausnahme besteht nach der sozialgerichtlichen Rechtsprechung lediglich dann, wenn der Träger der Sozialhilfe den Betroffenen unter angemessener Fristsetzung wegen zu hoher Energiekosten zu einem Wechsel der Unterkunft aufgefordert hat, und diese Frist fruchtlos verstrichen ist. Der Träger der Sozialhilfe – für Hannover ist dies die Region Hannover – wird versuchen, die Zuständigkeit der ARGE zurück zugeben, und reagiert mit einem ablehnenden Erstbescheid. Auch hier muss wegen der Dringlichkeit zweigleisig reagiert werden. Gegen den Erstbescheid ist Widerspruch einzulegen, gleichzeitig ist bei dem zuständigen Sozialgericht eine einstweilige Anordnung zu beantragen. Die Betroffenen sollten sich hierzu an einen Anwalt wenden.

    Die Übernahme der Stromschulden kann darlehensweise oder als Beihilfe erfolgen.

  4. Einstweilige Verfügung gegen den Energieversorger

    Zu denken ist auch an ein direktes Vorgehen gegen das Energieversorgungsunternehmen. Für dieses gilt die Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Elektrizitätsversorgung von Tarifkunden (AVBEltV). Rechtsgrundlage für die Stromsperre ist dort der § 33. Nach dieser Vorschrift kann das Energieversorgungsunternehmen die Energieversorgung insbesondere dann einstellen, wenn der Kunde seinen Zahlungsverpflichtungen nicht nachkommt, und die Sperrung dem Kunden zwei Wochen zuvor angedroht worden ist. Dabei kann die Androhung der Sperrung mit einer Mahnung an den Kunden verbunden sein.

    Ein Sperrung des Stromanschlusses kommt aber dann nicht in Betracht, wenn der Kunde darlegt, dass die Folgen der Einstellung außer Verhältnis zur Schwere der Zuwiderhandlung stehen, und hinreichende Aussicht besteht, dass der Kunde seinen Verpflichtungen nachkommt. Die Folgen der Einstellung sind nach der Rechtsprechung beispielsweise unverhältnismäßig, wenn dem Betroffenen Waschen von Wäsche und Duschen in einer Gemeinschaftsunterkunft, Kochen auf einem Campingkocher oder Kauf warmer Mahlzeiten abverlangt werden. Dies gilt umso mehr, wenn kleine Kinder im Haushalt des Betroffenen vorhanden sind. Weiter muss das Energieversorgungsunternehmen auch weniger weitreichende Maßnahmen in Betracht ziehen. Zu denken ist an eine Verkürzung der Ablesezeiträume, die Installation von Münzzählern und andere Maßnahmen, die jeweils in der Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Elektrizitätsversorgung von Tarifkunden genannt sind.

    Sollte eine bestehende oder bevorstehende Stromsperre nicht die Voraussetzungen des § 33 AVBEltV erfüllen, kann der Betroffene eine einstweilige Verfügung vor dem zuständigen Zivilgericht erwirken. Mit einer solchen einstweiligen Verfügung wird das Energieversorgungsunternehmen dazu gezwungen, weiter Strom zu liefern.

  5. Wer bezahlt den Rechtsanwalt?

    Soweit der Rechtsanwalt außergerichtlich, also im Widerspruchsverfahren gegenüber der ARGE oder dem Träger der Sozialhilfe tätig wird, kann diese Tätigkeit über Beratungshilfe abgerechnet werden. Die Voraussetzungen dafür werden in der Regel vorliegen, denn die Nichtbezahlung der Stromrechung ist ja schon ein Indiz dafür, dass kein Geld da ist. Soweit der Rechtsanwalt gerichtlich im Verfahren über eine einstweilige Anordnung gegen die ARGE oder dem Träger der Sozialhilfe oder im Verfahren über eine einstweilige Verfügung gegen das Energieversorgungsunternehmen tätig wird, kann dies in der Regel über Prozesskostenhilfe abgerechnet werden.

Grundsätzlich ist zu festzustellen, dass Strom eine so existentielle Position ist, dass diese immer bezahlt werden sollte. Manchmal reicht das Geld aber einfach nicht. Dann sollten Sie bei einer Stromsperre bereits dann einen Rechtsanwalt aufsuchen, wenn die Stromsperre angedroht ist, und nicht erst, wenn sie eingetreten ist. Nur so können Sie vermeiden, für einen längeren Zeitraum im Dunkeln zu sitzen. Auch oben genannte Verfahren im einstweiligen Rechtsschutz, die vom Gesetzgeber als Schnellverfahren zur Findung einer umgehenden Regelung ausgestaltet sind, können zwei Wochen dauern.

Gerne übernehme ich Ihre Beratung und Vertretung bei Stellung von Erstanträgen, Einlegung von Widersprüchen und im einstweiligen Rechtsschutzverfahren.

Patrick Inhestern
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Sozialrecht

Rechtsanwaltskanzlei Tarneden & Inhestern
Köbelinger Straße 1
30159 Hannover

Web: www.tarneden-inhestern.de
Mail: inhestern@tarneden-inhestern.de
Tel. : 0511/22062060
Fax : 0511/22062066
Leserkommentare
von justme123 am 06.06.2013 11:58:00# 1
Hallo,
ersteinmal danke für diesen Informativen Beitrag.

Wenn es gestattet ist würde Ich gerne wissen, wie es sich in einem fiktivem Falle verhält:

Wenn also Person (A) der Antragsteller ein Dahrlehen bei der ARGE/JC stellt, weil die Stromsperrung in ca. mind. 1 Monat bevorsteht und Person (B) der Bearbeiter, diesen Antrag verliert/nicht bearbeitet oder sogar um ca. 6-8 Wochen hinauszögert, so dass die Stromsperrung in Kraft tritt. Wenn Person (A) dann ca 2-4 Wochen ohne Strom leben muss, bis der Antrag schlussendlich gewährt wird.
Besteht dann die Möglichkeit auf eine Entschädigung zu klagen?


Mit freundlichen Grüßen