Warum die Blockheizkraftwerk-Käufer der GFE Nürnberg ihre Einsprüche gegen das Finanzamt aufrechterhalten soll

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Betrugsopfer können unter gewissen Voraussetzungen Vorsteuerabzug erreichen

Ein Teil derjenigen Personen, die mit Hilfe der GFE-Unternehmensgruppe ab Ende 2009 interessierten Käufern angeblich hoch effiziente Blockheizkraftwerke verkauften und dabei den Kunden hohe Renditen versprochen hatten, sind inzwischen rechtskräftig wegen Betruges verurteilt worden. Als die Ermittlungsbehörden im November 2010 ihre Ermittlungen begangen, war nach Angaben der Staatsanwaltschaft noch nicht einmal ein Prototyp eines Blockheizkraftwerkes fertiggestellt. Knapp über 1.400 Kunden wurden so um mehr als 62 Millionen Euro betrogen. Diese hatten den Kaufpreis inklusive der darauf entfallenden Umsatzsteuer vorfinanziert, jedoch nichts erhalten. Nachdem den Betroffenen dies klar wurde, drohte bereits neuer Ärger, diesmal mit dem Finanzamt. Viele der Käufer hatten für den Betrieb ihres Blockheizkraftwerkes ein Gewerbe angemeldet und wollten die laufenden Pachteinnahmen als eine unternehmerische Tätigkeit verbuchen. Neben der Gewerbesteuer, die abzuführen gewesen wäre, sollte umgekehrt, die auf den Kaufpreis entfallende Umsatzsteuer als Vorsteuer zugunsten der Käufer angesetzt werden. Die jeweils zuständigen Finanzämter setzten nach dem Auffliegen des Betrugsmodells jedoch Umsatzsteuersonderprüfungen an und forderten flächendeckend die Vorsteuer wieder zurück bzw. zahlten diese gar nicht erst aus. Gegen die Bescheide sind viele Geschädigten per Einspruch vorgegangenen, die zum Teil heute noch laufen. Im Jahre 2015 melden sich nun urplötzlich die Finanzämter und fordern die Betroffenen auf, Ihren Einspruch zurückzunehmen. Die nun aufkommende Unsicherheit der Betroffenen ist deshalb Grund genug, einmal den aktuellen Stand der finanzgerichtlichen Rechtsprechung zum Fall „GFE & Umsatzsteuer" darzulegen.

Wie fielen die ersten Urteile in Sachen GFE und Umsatzsteuer aus?

Nachdem die Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth den Geschäftsbetrieb der GFE Unternehmensgruppe Ende 2010 faktisch eingestellt hat und nahezu alle GFE-Gesellschaften daraufhin in die Insolvenz fielen, ergingen ab 2011 auch die ersten finanzgerichtliche Entscheidung in Sachen Umsatzsteuer und GFE. Diese fielen in den Eingangsinstanzen zunächst noch sehr unterschiedlich aus. Bereits 2011 ergingen von vier Senaten des Finanzgerichtes Baden-Württemberg jeweils unterschiedliche Entscheidungen. Zunächst erging die Entscheidungen des 9. Senates zugunsten eines Käufers (FG Baden-Württemberg, Beschl. v. 14.04.2011 – 9 V 3818/10, CuR 2011, 180-182). Während in dieser Entscheidung die Aussetzung der Vollziehung in Bezug auf den Rückforderungsbescheid des Finanzamtes angeordnet wurde, entschieden der 12. Senat, als auch der 14. Senat des gleichen Gerichtes daraufhin gegen die Vorsteuerabzugsberechtigung der GFE-Käufer (FG Baden-Württemberg, Beschl. v. 06.07.2011 – 12 V 3835/10, Beschl. v. 30.11.2011 – 14 V 3816/19). ilex Rechtsanwälte erwirkte seinerzeit im Januar 2012 die vierte Entscheidung des Finanzgerichtes Baden Württemberg, die mit einer sachgerechten Argumentation diesmal zugunsten des GFE-Käufers ausging (FG Baden-Württemberg, Beschl. v. 25.01.2012 – 1 V 2592/11, EFG 2012, 760-762 m. Anmerk. Claudia Büchter-Hole).

Ulrich Schulte am Hülse
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Demgegenüber wies das Finanzgericht des Landes Sachsen-Anhalt den durch eine Klage geltend gemachten Anspruch auf Erstattung der Vorsteuer in Höhe der auf den Kaufpreis entfallenden Umsatzsteuer zugunsten des Fiskus ab (FG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 30.04.2013 – 4 K 840/11, Revision eingelegt). In diese Richtung tendierte auch das Finanzgericht Münster in zwei Entscheidungen und entschied, dass ein Vorsteuerabzug ausscheidet, wenn die Umsatzsteuer in der Rechnung einer ein betrügerisches Schneeballsystem betreibenden GmbH über ein (planmäßig) tatsächlich nie geliefertes Blockheizkraftwerk gefordert werde (Finanzgericht Münster, Urt. v. 03.04.2014 – 5 K 383/12 U, EFG 2014, 877-879; Urt. v. 16.10.2014 – 5 K 3875/12 U, BB 2015, 550-552, m. Anmerk. Dr. Barbara Fleckenstein-Weiland).

Um welche Rechtsfrage geht es im Kern?

Die Käufer der Blockheizkraftwerke in Sachen GFE hatten überwiegend ein Gewerbe angemeldet und wollten im Rahmen eines Pachtbetriebes Strom in das Stromnetz einspeisen. Durch den Kauf eines Blockheizkraftwerkes sind sie in Vorleistung getreten. Die Käufer haben jedoch nichts von dem betrügerischen Schneeballsystem gewusst, ansonsten hätten sie den Vertrag sicherlich nie geschlossen. Es stellt sich daher die Frage, ob sich an der geplanten unternehmerischen Tätigkeit etwas ändert, wenn das Vorhaben aufgrund betrügerischer Machenschaften Dritter nicht verwirklicht werden kann? An dem Status einer unternehmerischen Tätigkeit hängt jedenfalls die Vorsteuerabzugsberechtigung. Grundsätzlich wird man jedoch sagen müssen, dass wenn ein Kaufobjekt aus einer unternehmerischen Tätigkeit gleich aus welchen Gründen untergeht dies an dem Status der geplanten unternehmerischen Tätigkeit nichts ändert. Allenfalls verwirklicht sich das, was man das unternehmerische Risiko nennt. Zwar sind die Details der rechtlichen Bewertung umstritten, angesichts der jüngsten EuGH-Rechtsprechung ist es aber durchaus möglich, dass Betrugsopfer den Vorsteuerabzug mit einer guten und sachgerechten Argumentation dauerhaft behalten könnten.

Was gibt es im Jahre 2015 neues?

Nachdem die ersten Entscheidungen eher gemischt ausfielen, gibt es inzwischen eine ganze Reihe von neueren Entscheidungen, aus der man aus der Sicht der steuerpflichtigen Käufer durchaus eine positive Entwicklung ableiten kann.

Im Juli 2015 widersprach das Finanzgericht München den bislang vorhandenen klageabweisenden Urteilen der übrigen Finanzgerichte und hat mit der bislang wohl sorgfältigsten Begründung zugunsten eines GFE-Käufers entschieden (FG München, Urt. v. 16.07.2015 – 14 K 277/12).

Einen bislang eher ungewöhnlichen Verfahrensverlauf nahm eine Entscheidung des Sächsischen Finanzgerichtes aus dem Jahre 2013, die ebenfalls zugunsten eines GFE-Käufers ausging (Urt. v. 06.11.2013 – 2 K 1198/13). Gegen die für den steuerpflichtigen Käufer günstige Entscheidung legte der Fiskus Revision ein. Der 5. Senat des Bundesfinanzhofes hob das Urteil des Sächsischen Finanzgerichtes zwar auf, wies den Rechtsstreit jedoch zur erneuten Entscheidung an das Sächsische Finanzgericht zurück (BFH, Urt. v. 29.01.2015 – V R 51/13). Der 5. Senat des Bundesfinanzhofes legte dar, dass ein Vorsteuerabzug aus einer Anzahlung voraussetzt, dass eine noch zu erbringende Leistung aus der objektivierten Sicht des Zahlenden nicht „unsicher" sein darf. Es kommt also darauf an, ob es aus Sicht der Käufer absehbar war, dass die jeweilige GFE Gesellschaft nicht liefern werde. Inzwischen hat das Sächsische Finanzgericht die Sache erneut beraten und wieder zugunsten des Steuerpflichtigen entschieden. In dem Urteil aus dem Jahre 2015 legt das Gericht dar, dass die GFE-Käufer nicht haben wissen können, dass der betreffende Umsatz in einen vom Verkäufer begangenen Betrug einbezogen war (Sächsisches Finanzgericht, Urt. v. 17.06.2015 – 2 K 325/15). Doch auch damit gibt sich der Fiskus nicht zufrieden und hat erneut Revision zum Bundesfinanzhof eingelegt.

Mittlerweise sind in Sachen „GFE und Umsatzsteuer" mehrere Revisionsverfahren vor dem fünften und vor dem elften Senat des Bundesfinanzhofes anhängig.

Warum kämpft der Fiskus so intensiv?

Im Fall „GFE" steht ein vergleichsweise hoher Geldbetrag zur Disposition. Der Gesamtschaden soll über 62 Mio. EUR betragen. Der Umsatzsteueranteil beträgt dabei 19 % des Gesamtkaufpreises. Jedoch wird dem Fiskus unter keinen Umständen ein solch hoher Schaden entstehen. Bekanntermaßen haben viele Geschädigte die Bescheide des Finanzamtes ohnehin nie angegriffen, außerdem hat der Fiskus per Schätzung einen vergleichsweise hohen Geldbetrag beim Insolvenzverwalter der „GFE – Gesellschaft für erneuerbare Energien mbH" angemeldet.

Wird der Fiskus auf einen „Schaden" sitzenbleiben, falls er verlieren sollte?

Nein, denn der Fiskus hat überhaupt keinen Schaden. Auf den Kaufpreis der Blockheizkraftwerke entfällt eine Umsatzsteuer von 19 %. Dieses Geld wurde durch die verkaufende GFE-Gesellschaft eingenommen und der Umsatzsteueranteil war insofern von der Verkäuferin im direkten Anschluss an das Finanzamt weiterzuleiten. Es ist deshalb davon auszugehen, dass das zuständige Finanzamt der Betriebsstätte seinen Umsatzsteueranteil erhalten hat. Im vorliegenden Fall geht es nur darum, ob der Käufer diesen Umsatzsteueranteil als Vorsteuer geltend machen kann oder nicht. Bejaht man diese Frage, stellt sich diese Vorsteuerabzugsberechtigung für das Finanzamt grundsätzlich als wertneutral heraus, aber gerade nicht als Verlust.

Geplant war allerdings der Betrieb eines Blockheizkraftwerkes. Hierfür wären natürlich Einnahmen angefallen, die zu versteuern gewesen wären und zwar sowohl im Wege der Gewerbesteuer, als auch im Wege der Einkommenssteuer etc. Zu diesen Einnahmen kam es nicht, da der rechtskräftig ausgeurteilte Betrug das GFE-Geschäftsmodell zu Erliegen gebracht hat. Auch dies ist aber kein Verlust für den Fiskus, da insofern auch gar keine unternehmerischen Einnahmen geflossen sind.

Da aber die Finanzämter die Vorsteuerabzugsberechtigung überwiegend schon seit dem Jahre 2011 nicht anerkennen und viele der über 1.400 GFE-Käufer die Kraft verloren haben, dagegen vorzugehen und den Rechtsweg zu bestreiten, hat der Fiskus im Grunde bereits ein Geschäft gemacht. Nur ein Bruchteil der GFE-Geschädigten hat gegen die Bescheide der Finanzämter überhaupt Einspruch eingelegt und beschreitet den Rechtsweg. Die vorhandenen Urteile der Finanzgerichte in Sachen GFE sind im Vergleich zur Anzahl der Geschädigten eher überschaubar.

Was kann ich tun, wenn mich das Finanzamt anschreibt?

Die Frage nach der Vorsteuerabzugsberechtigung beim Kauf in Sachen GFE ist für einen Nichtfachmann mehr als verworren. Derzeit liegen Hinweise darauf vor, dass einzelne Finanzämter die GFE-Käufer sogar auffordern, ihren diesbezüglichen Einspruch möglichst zurückzunehmen. Davon ist derzeit abzuraten. Die Tendenz der Rechtsprechung geht jedenfalls derzeit in die Richtung, eher den Käufern Recht geben zu wollen.

Kann die Expertise eines Steuerberaters helfen?

Den GFE-Käufern ist zu raten, sich von Spezialisten beraten zu lassen. Der Vorgang sollte zunächst mit dem eigenen Steuerberater besprochen werden. Er kann am besten beurteilen, ob der Umsatzsteuerbescheid für das Jahr 2010 heute noch angegriffen werden kann und ob damals Einspruch eingelegt wurde, der derzeit noch offen ist. Falls etwas zu veranlassen ist, wird der Steuerberater dann ggf. einen fachlich versierten Spezialisten hinzuziehen.

Wie geht es derzeit am wahrscheinlichsten weiter?

Es geht bei der Frage der Vorsteuerabzugsberechtigung immerhin um 19 % aus dem gescheiterten Investment bei der GFE und damit um 19 % des jeweiligen Schadens. Es ist gegenwärtig nicht auszuschließen, vorbehaltlich der noch ausstehenden Entscheidungen des Bundesfinanzhofes, dass der Betrugsfall GFE zu einer Vorsteuerabzugsberechtigung zu Gunsten der Käufer führen könnte.

Am Wahrscheinlichsten ist es derzeit, dass dazu allerdings in jedem Einzelfall sorgfältig vorgetragen werden muss, warum der jeweilige Käufer aus seiner objektivierten Sicht nichts von dem Betrugsfall gewusst hat und er fest mit der Lieferung des Blockheizkraftwerkes gerechnet hatte.

Wie kann mir ein Fachanwalt/Spezialist helfen?

Den für den Erfolg notwendigen Vortrag sollte nicht unterschätzt werden. Ein Steuerberater wird diesen Vortrag im Regelfall nicht leisten wollen oder können, da eine sachgerechte Argumentation voraussetzt, dass man den „Betrugsfall GFE" auch in allen seinen Einzelheiten kennt und über die notwendigen Beweise verfügt. Dazu sollte man beispielsweise die Ermittlungsakte ausgewertet haben, die in einem derart großen Fall aus sehr vielen Akten besteht.

Dr. Ulrich Schulte am Hülse,
Rechtsanwalt und Fachanwalt
für Bank- und Kapitalmarktrecht,

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