Vorzeitige Beendigung der Elternzeit, Übertragung der Restelternzeit und Verlängerung der Elternzeit

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Zusammenfassung aktueller Rechtsprechung und Gesetzesänderungen

Was passiert, wenn eine Arbeitnehmerin während der für das erste Kind beantragten und gewährten dreijährigen Elternzeit ein zweites Kind bekommt und die Elternzeit für beide Kinder auf insgesamt sechs Jahre verlängern möchte? Wäre es auch möglich, die für das erste Kind beantragte Elternzeit nur zum Zwecke der Inanspruchnahme eines zweiten Mutterschaftsurlaubs zu beenden? Was passiert, wenn eine Arbeitnehmerin die Elternzeit für ein- und dasselbe Kind verlängern möchte, weil sich herausgestellt hat, dass der ursprünglich beantragte Zeitraum zu kurz bemessen war?

Zur ersten Frage hat das Bundesarbeitsgericht in seiner Entscheidung vom 21.04.2009, BAG 9 AZR 391/08, Ausführungen gemacht. Diese beziehen sich zwar auf das Bundeserziehungsgeld-gesetz (BErzGG), das nur für Kinder gilt, die vor dem 01.01.2007 geboren sind. Die maßgeblichen Vorschriften sind jedoch gleichlautend mit dem nunmehr geltenden Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz, das für ab 2007 geborene Kinder Anwendung findet.

Elke Scheibeler
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Die für die erstgeborene Tochter beantragte und gewährte Elternzeit endete gemäß § 16 Abs. 3 S. 2 BErzGG durch die Mitteilung der Arbeitnehmerin, sie wolle jetzt erst Elternzeit für den zweiten Sohn nehmen und die verbleibende Elternzeit für die Tochter im Anschluss nehmen. Das BAG führte in diesem Fall  aus, dass aus § 16 Abs. 3 S. 2 BErzGG ein einseitiges Gestaltungsrecht der Arbeitnehmerin folge. Der Arbeitgeber könne diesem nur begegnen, wenn er die Beendigung der Elternzeit nicht wegen dringender betrieblicher Gründe ablehnt. Eine ausdrückliche Zustimmung sei nicht erforderlich. Da der Arbeitgeber die Frist zur Ablehnung nicht eingehalten hatte, war die Elternzeit nach der Tochter beendet und der verbliebene Teil nach Maßgabe des § 15 Abs. 2 S. 4 BErzGG bis zur Vollendung des achten Lebensjahres der Tochter übertragbar, wofür allerdings die Zustimmung des Arbeitgebers erforderlich war. Das BAG führt aus, dass bei der Zustimmung der Arbeitgeber an billiges Ermessen gebunden ist, § 315 Abs. 3 S. 1 BGB, also kein ungebundenes freies Ermessen hat, sondern die Interessen der Eltern an der Betreuung ihrer Kleinkinder berücksichtigen muss. Da der Arbeitgeber keine konkreten negativen betrieblichen Auswirkungen der Übertragung der Elternzeit nennen konnte, wurde er verpflichtet, der Verlängerung zustimmen.

Wie erwartet hat das BAG inzwischen für das Bundeselterngeld– und Elternzeitgesetz (BEEG) in Beantwortung der dritten Frage ebenso argumentiert, wobei es also um die Verlängerung der Elternzeit für ein- und dasselbe Kind ging. In seiner Entscheidung vom 18.10.2011, 9 AZR 315/10, klagte eine Mutter, die nach der Geburt ihres fünften Kindes am 02.01.2008 zunächst ein Jahr Elternzeit beantragt hatte. Im Dezember 2008 meldete sie sich dann beim Arbeitgeber und bat mit Hinweis auf ihren schlechten Gesundheitszustand um die Verlängerung der Elternzeit um ein weiteres Jahr unter Berufung auf § 16 Abs. 3 S. 1 BEEG. Der Arbeitgeber lehnte ab, und erteilte ihr eine Abmahnung, als sie am 05.01.2009 nicht zur Arbeit erschient. Das Arbeitsgericht gab der Arbeitnehmerin Recht, während das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg am 14.10.2010, AZ 10 Sa 59/09 zugunsten des Arbeitgebers urteilte. Dieser könne die Zustimmung zur Verlängerung der Elternzeit nach Ansicht des Landesarbeitsgerichts bis zur Grenze des Rechtsmissbrauchs verweigern. Das Bundesarbeitsgericht hob diese Entscheidung auf, da der Arbeitgeber bei der Erteilung der Zustimmung nach § 16 Abs. 3 S. 1 BEEG an billiges Ermessen gebunden sei. Da noch weiter ermittelt werden musste, ob die Gründe für die verweigerte Zustimmung billigem Ermessen entsprachen, verwies er den Fall zurück.

Die zweite Frage, ob die Elternzeit auch vorzeitig beendet werden kann, nur um erneut Mutterschaftsurlaub in Anspruch zu nehmen, kann für Kinder, die ab dem 01.01.2013 geboren werden, klar zugunsten der jeweiligen Arbeitnehmerin beantwortet werden. Das am 18.09.2012 beschlossene „Gesetz zur Vereinfachung des Elterngeldbezugs“, das für ab 2013 geborene Kinder gelten wird, ändert § 16 Abs. 3 des BEEG dahingehend ab, dass die Elternzeit ohne Zustimmung des Arbeitgebers zur Inanspruchnahme der Mutterschutzfristen in Anspruch genommen werden kann. Die Arbeitnehmerin soll die Beendigung der Elternzeit dem Arbeitgeber lediglich noch mitteilen.

Für Kinder, die vor 2013 geboren sind, kann diese Frage nicht so eindeutig beantwortet werden, da § 16 Abs. 3 des BEEG in der bis Ende 2012 geltenden Fassung die vorzeitige Beendigung einer Elternzeit zwecks Inanspruchnahme des Mutterschaftsurlaubs ausdrücklich verbietet. Ausgenommen sind lediglich die Fälle, in denen die Mutter während der Elternzeit eine zulässige Teilzeitarbeit ausgeübt hat. Diese gesetzliche Regelung steht, wie seit dem Urteil des Europäischen Gerichtshofes in der Sache Kiiski vom 20.09.2007, C 116/06 bekannt ist, im Widerspruch zu Europäischem Recht, insbesondere zur Gleichbehandlungsrichtlinie 76/207 und zur Richtlinie bezüglich der Einräumung eines Mutterschaftsurlaubs 92/85. Allerdings ist zu beachten, dass Richtlinien der Europäischen Union gemäß Art. 288 Abs. 3 AEUV in den Mitgliedstaaten nicht unmittelbare Anwendung finden, sondern erst in nationales Recht umgesetzt werden müssen. Lediglich die Mitgliedstaaten selbst sind unabhängig von der Umsetzung der Richtlinien bereits an das Europäische Recht gebunden. Beamtinnen und Arbeitnehmerinnen im öffentlichen Dienst haben also gute Aussichten, ihre Elternzeit zwecks Inanspruchnahme des Mutterschaftsurlaubs für ein zweites Kind vorzeitig zu beenden. So haben die Verwaltungsgerichte Gießen und Frankfurt in Fällen von verbeamteten Lehrerinnen am 18.03.2010, AZ 5 K 1084/09.Gi bzw. am 02.08.2012, AZ 9 K 5006/12 F., entschieden, dass trotz einer dem bis Ende 2012 gültigen BEEG ähnlichen Regelungen für Beamte in Hessen die betroffenen Lehrerinnen jeweils die Elternzeit vorzeitig zwecks Eintritt in den erneuten Mutterschaftsurlaub beenden konnte. Urteile der Arbeitsgerichte in Bezug auf bei privaten Arbeitgebern angestellte Arbeitnehmerinnen existieren soweit ersichtlich nicht, und die Aussichten sind hier auch aufgrund der eindeutigen Regelung in § 16 Abs. 3 BEEG in der bis Ende 2012 geltenden Fassung zweifelhaft.

Dr. Elke Scheibeler
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