Verweigerung des Hamburger Modells: möglicher Schadensersatzanspruch des Arbeitnehmers

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Verweigerung der Maßnahmen zur stufenweisen Wiedereingliederung in das Erwerbsleben (Hamburger Modell) durch den Arbeitgeber kann zu Schadenersatzansprüchen des Arbeitnehmers führen

Ausgangslage

Im Rahmen des so genannten Hamburger Modells sollen Arbeitnehmer, die längere Zeit arbeitsunfähig waren (und es immer noch sind), nach und nach wieder an eine Vollzeittätigkeit gewöhnt werden. Die an sich noch arbeitsunfähigen Arbeitnehmer sollen zunächst stundenweise arbeiten bzw. nur mit eingeschränkten Tätigkeiten betraut werden. Durch langsame Anhebung der Arbeitszeit bzw. Ausweitung der Tätigkeit in tatsächlicher Hinsicht sollen die Arbeitnehmer wieder an den eigentlichen Arbeitsprozess gewöhnt werden. Die Arbeitnehmer gelten während der Zeit als arbeitsunfähig unterhalten Krankengeld von der Krankenkasse und Übergangsgeld vom Rentenversicherungsträger. Arbeitnehmer sind dazu nicht verpflichtet. Problematisch wird das Ganze, wenn der Arbeitnehmer will, sich aber der Arbeitgeber einer solchen Maßnahme verweigert. Ein solcher Fall lag dem Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm zu Grunde.

Urteil:

Das Landesarbeitsgericht geht von einem Rechtsanspruch des Arbeitnehmers aus. Zu den gebotenen Maßnahmen des betrieblichen Eingliederungsmanagements gemäß § 84 Abs. 2 SGB IX gehört auch die Durchführung einer ärztlich empfohlenen stufenweisen Wiedereingliederung. Die frühere Auffassung, dem Arbeitgeber stehe die Entscheidung hierüber frei, ist nach Einführung des § 84 SGB IX überholt. Soweit sich der Arbeitgeber einem berechtigten Verlangen des Arbeitnehmers verweigert, kommen Schadensersatzansprüche des Arbeitnehmers gemäß § 280 BGB, § 823 Abs. 2 i.V.m. § 84 Abs. 2 SGB IX in Betracht (Landesarbeitsgericht Hamm (Westfalen), Urteil vom 04. Juli 2011 – 8 Sa 726/11 –, juris).

Fachanwaltstipp

Der Schadensersatzanspruch ist noch an weitere Voraussetzungen geknüpft. Insbesondere müssen auch die Voraussetzungen für die Durchführung einer stufenweisen Wiedereingliederung vorliegen. Der Schaden besteht in erster Linie in der entgangenen Arbeitsvergütung. Man wird allerdings nur dann davon ausgehen können, dass dem Arbeitnehmer solche Ansprüche entgangen sind, wenn die stufenweise Wiedereingliederung wirklich zu einer Arbeitsfähigkeit geführt hätte. In anderen Fällen mangelt es an einem Schaden. Wäre der Arbeitnehmer nämlich trotz stufenweiser Wiedereingliederung arbeitsunfähig geblieben, hätte auch keine Arbeitsvergütung erzielen können. In der Praxis wird eine Betrachtung immer rückwirkend erfolgen. D.h. ist der Arbeitnehmer später arbeitsfähig geworden, wird man möglicherweise davon ausgehen, dass dieser Prozess im Rahmen einer stufenweisen Wiedereingliederung schneller von statten gegangen wäre. Insgesamt sind die Voraussetzungen für den Schadensersatzanspruch vom Arbeitnehmer in der Praxis sicher nicht so einfach zu beweisen.

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