Verwaltungsrecht contra Strafrecht ?

9. Januar 2012 Thema abonnieren
 Von 
Filmsammler
Status:
Schüler
(292 Beiträge, 91x hilfreich)
Verwaltungsrecht contra Strafrecht ?

Beschäftige mich gerade mit einem Fall, wo verwaltungsrecht mit Strafrecht kollidiert-oder auch nicht. Ich skizziere den Fall mal theoretisch:
A bekommt einen Steuerbescheid vom Finanzamt mit, sagen wir mal 50.000 Euro Nachforderung.Ergangen ist er nach einer Betriebsprüfung. Man habe Sachverhalte festgestellt, die zu massiven Steuernachforderungen führen. A hatte auf die Schlußbesprechung verzichtet.Als der Steuerbescheid kam, hat er nicht fristgerecht Einspruch eingelegt-war dumm.A zahlt nun monatlich 500.-€ ab. A erhält nun einen Strafvefehl wegen Steuerhinterziehung und legt Einspruch ein. Es kommt zum Gerichtsverfahren. Hier holt A das nach, was er als Einspruch versäumt hat. Er kann dem Gericht belegen, dass alles seine Richtigkeit hat und er keinen Cent Steuern hinterzogen hat. das Gericht spricht ihn erster Klasse frei.A möchte nun natürlich auch seinen Steuerbescheid abgeändert haben, da er ja richterlich festgestellt zu Unrecht 20.000.-Euro nachzahlt. Das Finanzamt schriebt ihm nun, dass der Steuerbescheid rechtskräftig ist und nicht mehr abgeändert werden kann.
Frage : ist das verhalten des Finanzamtes richtig ? Vor Gericht wurde ja entgegen dem rechtskräftigen Steuerbescheid entschieden, dass A keine Steuern hinterzogen hat. das Finanzamt sagt nun, das sei richtig, man habe das urteil ja anerkannt, das ändere aber nichts an der Rechtskräftigkeit des Steuerbescheides.

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14 Antworten
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#1
 Von 
c_konert
Status:
Schüler
(474 Beiträge, 192x hilfreich)

Ich bin zwar kein Experte im Steuerrecht, aber hier meine Meinung dazu:

Dadurch, dass die Einspruchsfrist gegen den Steuerbescheid nicht genutzt wurde ist dieser in Bestandskraft erwachsen, das bedeutet, dass der Bescheid, auch wenn er rechtswidrig ist, vollstreckt werden kann.

Das Strafurteil ändert hieran nichts. Zwar kann der Strafrichter feststellen, dass der Steuerbescheid rechtswidrig war und dies bei seiner eigenen rechtlichen Betrachtung der Straftatbestände zugrundelegen, er kann jedoch nicht den Steuerbescheid aufheben, das ist den Finanzgerichten / Verwaltungsgerichten zugewiesen.

Das bedeutet, dass der Steuerbescheid nach wie vor wirksam ist und aus ihm auch vollstreckt werden kann (124 Abs. 2 AO).

Es gibt die Möglichkeit den Verwaltungsakt nach § 130 AO zurückzunehmen, und Sie können auch einen Antrag in die Richtung stellen. Allerdings ist es, wenn ich mich richtig erinnere so, dass die Behörde sich bei solchen Anträgen regelmäßig auf die Bestandskraft zurückziehen kann, da sonst das Konzept der Bestandskraft unterlaufen werden würde (das ist jetzt aber nur meine Erinnerung, ich müsste die genaue Rechtsprechung dazu nochmal nachlesen).

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"ref. iur. C.Konert
Diplom- Jurist

"Never attempt to reason with people who know they are right.""

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#2
 Von 
Dieter25
Status:
Lehrling
(1970 Beiträge, 995x hilfreich)

Ein rechtskräftig beendetes Verfahren kann nach den Vorschriften des Vierten Buchs der Zivilprozessordnung(Restitutionsklage) wieder aufgenommen werden (§ 134 FGO )

Ob hier auch eine Vollstreckungsabwehrklage möglich ist,
ist hier schwer zu beantworten. Möglich ist sie m.E. schon,
aber die Voraussetzungen müssen stimmen. Die Gründe, die den Anspruch selbst betreffen müssen später entstanden sein, sonst hätten sie bei Bekanntsein rechtzeitig in dem Verfahren vor dem Finanzamt nach dem Einsruch geltendgemacht werden können.

Ein sachverständiger Anwalt im Verfahrensrecht wäre hilfreich


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#3
 Von 
c_konert
Status:
Schüler
(474 Beiträge, 192x hilfreich)

quote:<hr size=1 noshade>Ein rechtskräftig beendetes Verfahren kann nach den Vorschriften des Vierten Buchs der Zivilprozessordnung(Restitutionsklage) wieder aufgenommen werden (§ 134 FGO ) <hr size=1 noshade>


Ich würde davon ausgehen, dass hier § 134 FGO nicht anwendbar ist, da sich die Norm m.E. nach auf ein rechtskräftig abgeschlossenes finanzgerichtliches und nicht auf ein behördliches Verfahren bezieht.

Im Übrigen würde ich auch die Beratung durch einen Fachanwalt für Steuerrecht empfehlen.

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"ref. iur. C.Konert
Diplom- Jurist

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#4
 Von 
Dieter25
Status:
Lehrling
(1970 Beiträge, 995x hilfreich)


quote:<hr size=1 noshade>hier § 134 FGO nicht anwendbar <hr size=1 noshade>



Das fürchte ich auch!


Wie sieht es damit aus + 173 AO
http://www.finanztip.de/recht/steuerrecht/steuerbescheid-aendern.htm

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#5
 Von 
Filmsammler
Status:
Schüler
(292 Beiträge, 91x hilfreich)

Danke für die Antworten. kam auf den Falll nur, weil das allgemeine rechtsverständnis ja davon ausgeht, dass ein freispruch auch ein freispruch von negativen rechtsfolgen ist. Empfinde das schon als gesetzeslücke. Da erklärt ein gericht, dass jemandem Unrecht getan wurde und der Täter wird gleichzeitig nicht dazu gezwungen das Unrecht rückgängig zu machen, sondern das Opfer ist hier nacxh 130 ZPO auf das Wohlwollen des Täters angewiesen.


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#6
 Von 
c_konert
Status:
Schüler
(474 Beiträge, 192x hilfreich)

Das ist ja eine schöne Argumentation, Sie vergessen aber zu erwähnen, dass es möglich gewesen wäre sich gegen das erlittene "Unrecht" zur Wehr zu setzen, indem man gegen den Steuerbescheid Einspruch einlegt. Der Gesetzgeber hat nun einmal geregelt, dass man in diesem Fall schlicht und ergreifend Pech gehabt hat.

Das Strafgericht hat, wie bereits gesagt, nur die strafrechtliche Seite zu betrachten. Auf die Festsetzung der Steuer hat dies jedoch keinen Einfluss.

Hätte man zum Beispiel gleich Einspruch gegen den Steuerbescheid eingelegt, wäre es möglicherweise gar nicht erst zum Strafverfahren gekommen.

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Diplom- Jurist

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#7
 Von 
PerryRhodan
Status:
Praktikant
(958 Beiträge, 373x hilfreich)

quote:
weil das allgemeine rechtsverständnis ja davon ausgeht, dass ein freispruch auch ein freispruch von negativen rechtsfolgen ist.


Nein, deswegen sind die Gerichtsbarkeiten ja auch getrennt (Strafrecht, Zivilrecht, Verwaltungsrecht, Arbeitsrecht, Finanzrecht, ...).

Es kann dir genau so gut wie OJ Simpson gehen und du wirst in einem Mordprozeß freigesprochen und anschließend in einem Zivilprozeß wegen des Mordes zu Schadensersatz an die Hinterbliebenen verurteilt.

Es wäre mir auch neu, daß das "allgemeine Rechtsverständnis" das anders sieht. Was rechtskräftig ist, ist rechtskräftig, das kann ein anderes Urteil eines ganz anderen Gerichtszweiges nicht Jahre später noch wieder umwerfen.

Mal blöde gesagt, stell dir mal vor, du gewinnst einen Prozeß um einen Kaufvertrag über ein Haus im Wert von 500 Mille. 10 Jahre später stellt dann ein Strafgericht fest, daß dein Gegner damals überhaupt nicht zurechnungsfähig war und damit sei auch dein Kaufvertrag nichtig und du mußt das Haus rausrücken (die 500 Mille siehst du natürlich nicht wieder, weil dein Gegner dank Strafgericht für 30 Jahre hinter Gitter geht). Würde dir auch nicht gefallen.

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#8
 Von 
Filmsammler
Status:
Schüler
(292 Beiträge, 91x hilfreich)

Eure Argumentation ist natürlich richtig.Wer eine Einspruchfrist versäumt hat Pech gehabt.

Ich bin jetzt auf den 173 AO gestossen. Wenn ich nicht falsch liege, wurde durch das Strafgericht rechtskräftig im Beweisverfahren festgestellt,dass die Bewertung des Finanzamtes falsch war,- daher auch Freispruch. Das Finanzamt als Kläger akzeptiert den rechtsspruch. Mit dem Urteil etstehen ja neue Beweise.- da müsste doch 173 greifen.


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#9
 Von 
c_konert
Status:
Schüler
(474 Beiträge, 192x hilfreich)

Nein, durch das Urteil entstehen keine neue Beweise, vielmehr sind die im Verfahren vorgebrachten Unterlagen Beweismittel. Und die waren hier Ihrer Schilderung zufolge sehr wohl bekannt und hätten auch im Einspruchsverfahren geltend gemacht werden können. Das das nicht getan wurde dürfte Verschulden des Steuerpflichtigen sein, weswegen ich bei 173 AO schwarz sehe.

Wie gesagt, suchen Sie einen Fachanwalt für Steuerrecht, der kann Ihnen dabei vielleicht helfen.

Und das Finanzgericht ist nicht an die Beurteilung des Strafgerichtes gebunden. Es kann auch entscheiden, dass der Steuerbescheid vollkommen in Ordnung ist.

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#10
 Von 
Tiger123
Status:
Praktikant
(998 Beiträge, 574x hilfreich)

Zum einen: das Finanzamt ist nicht "Kläger" in dem Strafverfahren, sondern die Staatsanwaltschaft...

Zum anderen: ohne natürlich das jeweilige Urteil zu kennen, das Strafgericht hat wohl nur festgestellt das keine strafbare Steuerhinterziehung vorliegt, nicht das der Steuerbescheid falsch war (dazu wäre es auch nicht befugt).

Es kann natürlich auch ohne strafbare Steuerhinterziehung zu einer Steuernachforderung kommen...

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#11
 Von 
PerryRhodan
Status:
Praktikant
(958 Beiträge, 373x hilfreich)

quote:
Mit dem Urteil etstehen ja neue Beweise


Ein Urteil ist kein Beweis, da ein Urteil keine Tatsachen schafft, sondern nur feststellt.

Man liest zwar leider immer wieder in der Presse sowas wie "BVerfG urteilt: Kravatte tragen nicht mehr strafbar " oder "BGH: eBay-Auktionen sind jetzt Kaufverträge ", aber in Wahrheit hat das Gericht nur festgestellt, daß das schon immer so war (zumindest seit die relevanten Gesetze des letzte mal geändert wurden).

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#12
 Von 
Filmsammler
Status:
Schüler
(292 Beiträge, 91x hilfreich)

sehe es etwas anders mit dem Beweis.

Die Situation im Gerichtssaal :
Klägerbank : Finanzamt und Staatsanwalt

konkreter Fall :
Finanzamt erklärt, es gab eine Einnahme über 100.000 Euro, die nicht versteuert wurde. Es ist Steuerhinterziehung.

Beklagter legt Schreiben der Hausbank vor, dass es sich bei dieser Summe um eine Kreditauszahlung handelt, die natürlich nicht steuerpflichtig ist. Finanzamt und Staatsanwaltschaft erkennen dieses uneingeschränkt an. Es erfolgt Freispruch.
Das Finanzamt hat also im Gerichtssaal anerkannt, dass der neu vorgelegte Beweis dazu führt, dass seine eigene Bewertung falsch war. Demnach meine ich, jetzt gilt der 173 AO. Bei netten Finanzämtern wird der Bescheid von selbst abgeändert, ansonsten auf Antrag.

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#13
 Von 
Tom998
Status:
Student
(2058 Beiträge, 1183x hilfreich)

Im § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO heisst es:

quote:<hr size=1 noshade>...soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekanntwerden, die zu einer niedrigeren Steuer führen und den Steuerpflichtigen kein grobes Verschulden daran trifft, dass die Tatsachen oder Beweismittel erst nachträglich bekannt werden. <hr size=1 noshade>


quote:<hr size=1 noshade>Beklagter legt Schreiben der Hausbank vor... <hr size=1 noshade>

Dafür hatten der Beklagte schon im Steuerfestsetzungsverfahren Monate, wenn nicht Jahre Zeit.
Nach Erlass des geänderten Bescheides hat er auch die Rechtbehelfsfrist verstreichen lassen.

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#14
 Von 
c_konert
Status:
Schüler
(474 Beiträge, 192x hilfreich)

quote:
Die Situation im Gerichtssaal :
Klägerbank : Finanzamt und Staatsanwalt


Es wäre mir neu, dass die StPO das vorsieht.

quote:
Dafür hatten der Beklagte schon im Steuerfestsetzungsverfahren Monate, wenn nicht Jahre Zeit.
Nach Erlass des geänderten Bescheides hat er auch die Rechtbehelfsfrist verstreichen lassen.


Genau so ist es. Was hat denn den Steuerpflichtigen daran gehindert dieses Schreiben im Festsetzungsverfahren vorzulegen? Was hat den Steuerpflichtigen daran gehindert nach dem Bescheid Einspruch einzulegen um dort dieses Schreiben zu bringen?

Man wird das Schreiben daher wohl kaum als neuen Beweis bezeichnen können.

Nochmal: Nehmen Sie sich einen Anwalt, vielleicht kann der was tun!

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