Vertragsrechtsänderungsgesetz (VÄndG)

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Die Zulassung eines Vertragsarztes endet nach § 95 Abs. 7 Satz 2 Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) – Gesetzliche Krankenversicherung – (SGB V) am Ende des Kalendervierteljahres, in dem er sein 68. Lebensjahr vollendet hat. Unter der Überschrift „Voraussetzungen und Formen der Teilnahme von Ärzten und Zahnärzten an der Versorgung" ist zu der „Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung" im Gesetz Folgendes geregelt:

(7) Die Zulassung endet mit dem Tod, mit dem Wirksamwerden eines Verzichts oder mit dem Wegzug des Berechtigten aus dem Bezirk seines Kassenarztsitzes. Die Zulassung eines medizinischen Versorgungszentrums endet mit dem Wirksamwerden eines Verzichts, der Auflösung oder mit dem Wegzug des zugelassenen medizinischen Versorgungszentrums aus dem Bezirk des Vertragsarztsitzes. Im übrigen endet ab 1. Januar 1999 die Zulassung am Ende des Kalendervierteljahres, in dem der Vertragsarzt sein achtundsechzigstes Lebensjahr vollendet. War der Vertragsarzt

  1. zum Zeitpunkt der Vollendung des achtundsechzigsten Lebensjahres weniger als zwanzig Jahre als Vertragsarzt tätig und
  2. vor dem 1. Januar 1993 bereits als Vertragsarzt zugelassen, verlängert der Zulassungsausschuß die Zulassung längstens bis zum Ablauf dieser Frist. Satz 4 Nr. 2 gilt für Psychotherapeuten mit der Maßgabe, daß sie vor dem 1. Januar 1999 an der ambulanten Versorgung der Versicherten mitgewirkt haben. Für die Verträge nach § 82 Abs. 1 gelten die Sätze 3 bis 5 entsprechend.

Die Anstellung von Ärzten in einem zugelassenen medizinischen Versorgungszentrum endet am Ende des Kalendervierteljahres, in dem diese ihr 68. Lebensjahr vollenden; Sätze 8 und 9 gelten entsprechend; in den Fällen des § 103 Abs. 4a Satz 1 gelten die Sätze 3 bis 5 entsprechend. Hat der Landesausschuss der Ärzte und Krankenkassen nach § 100 Abs. 1 Satz 1 festgestellt, dass in einem bestimmten Gebiet eines Zulassungsbezirks eine ärztliche Unterversorgung eingetreten ist oder unmittelbar droht, gilt Satz 3 nicht. Die Zulassung endet spätestens ein Jahr nach Aufhebung der Feststellung nach Satz 8.

In der Zulassungsverordnung ist zudem geregelt, dass eine erstmalige Vertragsarztzulassung nach Vollendung des 55. Lebensjahres nicht mehr erteilt wird.

In der jüngeren Vergangenheit ist verschiedentlich diskutiert worden, ob diese Regelungen vor dem Hintergrund nationaler und internationaler Regelungen gegen Diskriminierung Bestand haben können oder rechtmäßig sind.

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hält die Altersgrenze als eine subjektive Zulassungsbeschränkung für verfassungsgemäß. Unter Bezugnahme seiner Rechtsprechung zu anderen Altersgrenzen stellt es vor allem darauf ab, dass die angegriffenen Regelungen auch dazu dienten, den Gefährdungen, die von älteren, nicht mehr voll leistungsfähigen Berufstätigen ausgingen, einzudämmen.

Das Bundessozialgericht (BSG) sieht demgegenüber unter Hinweis auf die Möglichkeiten, über das 68. Lebensjahr hinaus als Vertragsarzt tätig zu sein (als Privatarzt und nach dem Übergangsrecht), keinen Willen des Gesetzgebers, jede patientenbezogene Berufsausübung durch ältere Ärzte als so potenziell gefährdend anzusehen, dass sie ausnahmslos zu unterbleiben hätten. Es stützt sich deshalb bei Bejahung der Verfassungsmäßigkeit vor allem auf die Erwägung des Gesetzgebers, wonach die zur Sicherung der Finanzierbarkeit der gesetzlichen Krankenversicherung für zwingend erforderlich gehaltene Beschränkung der Zahl der zugelassenen Vertragsärzte nicht einseitig zu Lasten der jungen, an einer Zulassung interessierten Ärztegeneration zu verwirklichen sei. Dies gelte auch für die Psychotherapeuten. Eine europarechtliche Dimension der Altersgrenze hat das BSG ausdrücklich verneint.

Das Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen hat noch mit Beschluss vom 20.06.2007 entschieden, dass das Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG) die Wirksamkeit der 68-Jahre-Altersgrenze nicht berühre und die Regelung mit der Richtlinie 2000/78/EG vereinbar sei.

Das BSG hat nun im Februar 2008 erneut im einzelnen begründet, weshalb die 68-Jahres-Altersgrenze nicht gegen Verfassungs- und Gemeinschaftsrecht verstößt. Danach ist die Regelung des § 95 Abs. 7 Satz 3 SGB V, wonach eine Zulassung mit Ablauf des Kalendervierteljahres endet, in dem der Vertragsarzt das 68. Lebensjahr vollendet hat, sowohl mit Verfassungsrecht als auch mit europäischem Recht vereinbar. Die Vereinbarkeit mit europäischem Recht ergebe sich aus den Grundsätzen, die der Europäische Gerichtshof (EuGH) - in Fortführung seiner Entscheidung vom 22.11.2005 - in seinem Urteil vom 16.10.2007 in der Rechtssache C-411/05 dargelegt habe. Ein Anlass zu einer Vorlage gemäß Art. 234 Abs. 3 des Vertrages zur Gründung der europäischen Gemeinschaft (EGV) bestehe nicht, weil der EuGH die Auslegung des europäischen Rechts klar vorgezeichnet habe.

Die bisherige sozialgerichtliche Instanzrechtsprechung sieht auch nach Aufhebung der Zulassungsbeschränkungen für Vertragszahnärzte und der Einfügung der Ausnahmeregelungen in § 95 Abs. 7 Satz 8 SGB V sowie im Hinblick auf die europäische Antidiskriminierungsrichtlinie die Altersgrenze weiterhin einhellig als rechtmäßig an. So hat auch die 12. Kammer des Sozialgericht (SG) Marburg mit Urteil vom 10.10.2007 unter Hinweise auf die Rechtsprechung des BSG deutlich gemacht, dass das Fehlen einer allgemeinen Härteregelung bei der Altersgrenze keine ausfüllungsfähige oder ausfüllungsbedürftige Gesetzeslücke darstelle, sondern der Absicht des Gesetzgebers entspreche. Über den ausdrücklich geregelten Ausnahmetatbestand hinaus sei die Altersgrenze damit auf alle Betroffenen anzuwenden.