Vertragsauflösung leicht gemacht? Die Störung der Geschäftsgrundlage beim Kaufvertrag

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Grundsätzlich gilt im deutschen Recht der Grundsatz das Verträge einzuhalten sind. Dies gilt erst recht, wenn die leistende Partei keinerlei Verschulden also vor allem keine mangelhafte Leistung oder dergleichen trifft.

Das Bürgerliche Gesetzbuch nimmt den Grundsatz der Vertragsbindung sehr ernst. Ausnahmen bestehen eben nur dann, wenn im Rahmen der Gewährleistungsrechte nicht ordnungsgemäß geleistet wird oder in den eng umgrenzten Fällen eines Irrtums beim Vertragsschluss.

Vor Inkrafttreten des BGB im Jahre 1900 waren aber Verträge unabhängig der oben genannten Ausnahmen auch davon abhängig, dass sich die für das Geschäft maßgeblichen Verhältnisse nicht änderten.

So hatten Verträge keinen Bestand, wenn z.B. die Lieferung eines Wagens etwa an Exportverboten, einer Rohstoffknappheit oder eines Staatseingriffs scheiterte. Ganz anders sah das das BGB, das eine solche Lösung zunächst nicht erlaubte. Es bedurfte erst der umstürzenden Verhältnisse der Kriege und Inflation, bis man endgültig einsah, dass man an die alte Lehre, wenigstens in Ausnahmekonstellationen zurückgreifen müsste. Es begann eine Rechtsfortbildung dessen Ergebnis durch die Schuldrechtsmodernisierung als Gesetz unter dem Begriff der sog. Störung der Geschäftsgrundlage als weitere Ausnahme zum Grundsatz der Vertragsbindung festgeschrieben wurde.

Soweit also mangelfrei geleistet wird und auch keine Irrtümer hinsichtlich dem Inhalt oder Eigenschaften des Vertrages oder gar wegen arglistiger Täuschung bestehen, ist die oftmals letzte verbleibende Möglichkeit die Störung der Geschäftsgrundlage.

Auf die Regeln zur Störung der Geschäftsgrundlage lässt sich allerdings erst dann zurückkommen, wenn das oben beschriebene Leistungsstörungsrecht (Gewährleisungsrecht) nicht einschlägig ist, kein zur Anfechtung des Vertrages berechtigender Irrtum vorliegt und auch die ergänzende Vertragsauslegung zu keinem brauchbaren Ergebnis gelangt. Ferner darf die Leistung nicht unmöglich sein oder ein zur Kündigung berechtigendes Dauerschuldverhältnis gegeben sein, weil auch dann andere besondere Regelungen eingreifen würden.

Erst nach einer kurzen Vorprüfung der obigen Punkte gelangt man zu einer Anwendbarkeit der Störung der Geschäftsgrundlage, soweit deren Voraussetzungen allesamt erfüllt sind:

Erste Voraussetzung für eine Anwendbarkeit müsste das Vorliegen von Umständen sein, die Vertragsgrundlage (nicht Vertragsinhalt, z. B. Bedingung vereinbart) waren und sich schwerwiegend verändert haben.

Dabei wird die Geschäftsgrundlage eines Vertrages gemäß der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gebildet durch die „nicht zum eigentlichen Vertragsinhalt erhobenen, aber bei Vertragsschluss zutage getretenen gemeinschaftlichen Vorstellungen beider Vertragsparteien oder die dem Geschäftsgegner erkennbaren und von ihm nicht beanstandeten Vorstellungen der einen Vertragspartei von dem Vorhandensein oder dem künftigen Eintritt gewisser Umstände, auf denen der Geschäftswille der Parteien sich aufbaut“.

Erforderlich ist also eine so schwerwiegende (wesentliche) Änderung, dass das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung erheblich erschüttert ist. Dabei stellt die Vorschrift nur auf objektive Umstände ab! Subjeltive Umstände bleiben vorerst außen vor!

Nicht jede einschneidende Veränderung der bei Vertragsabschluss bestehenden oder gemeinsam erwarteten Verhältnisse rechtfertigt eine Vertragsanpassung nach § 313. Weitere Voraussetzung eines solchen Eingriffs ist vielmehr, dass ein Festhalten an der vereinbarten Regelung zu einem untragbaren, mit Recht und Gerechtigkeit schlechthin unvereinbaren Ergebnis führen würde und der betroffenen Partei daher nicht zumutbar ist. Dies erfordert eine umfassende Interessenabwägung unter Würdigung aller Umstände, insbes auch der Vorteile, die der betroffenen Partei neben den Nachteilen aus den eingetretenen Veränderungen erwachsen sind.

Wo die Wesentlichkeitsgrenze zu ziehen ist, hängt von der Art des Vertrages und der aufgetretenen Störung sowie den sonstigen Umständen des Einzelfalles ab. Allgemein lässt sich sagen, dass eine Störung (nur dann) schwerwiegend ist, wenn nicht ernstlich zweifelhaft ist, dass zumindest eine der Parteien bei Kenntnis der Änderung den Vertrag nicht oder nur mit einem anderen Inhalt abgeschlossen hätte.

Zweite Voraussetzung für die Anwendbarkeit der Vorschrift ist dass die Parteien, wenn sie diese Veränderung vorausgesehen hätten, den Vertrag nicht oder nicht mit diesem Inhalt geschlossen hätten. Hierbei handelt es sich um einen Fall, in dem jetzt der hypothetische Parteiwille berücksichtigt wird. Der mutmaßliche Wille der Parteien ist durch ergänzende Auslegung zu ermitteln. Man muss sich also fragen, ob man den Vertrag auch dann abgeschlossen hätte, wenn man von der neuen (schwerwiegenden) Veränderung schon zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses gewusst hätte.

Problematisch ist vor allem die letzte Voraussetzung, nämlich die Frage ob ein Festhalten am Vertrag mit unverändertem Inhalt zumutbar ist oder nicht. Von einer Unzumutbarkeit ist nur dann auszugehen, wenn das Festhalten am Vertrag zu untragbaren, mit Recht und Gerechtigkeit nicht zu vereinbarenden Ergebnissen führen würde; andernfalls bleibt es bei dem Grundsatz der Vertragsbindung!

Das Vorliegen von Unzumutbarkeit setzt insbesondere voraus, dass

  a. die Veränderung nicht voraussehbar war (sonst idR Risikogeschäft),

  b. das Risiko nicht der einen Partei zuzuordnen ist und

  c. die Partei, die Anpassung verlangt, die Veränderung nicht verschuldet

hat.

Zu a)

Voraussehbare Änderungen begründen grds. keine Rechte aus § 313, weil im Falle der Erkennbarkeit die Partei, zu deren Lasten diese Umstände eingetreten sind, das Risiko hierfür übernommen hat, indem sie für den Fall des Eintritts veränderter Umstände keine vertragliche Regelung vereinbart hat. Anderes kann nur dann beispielsweise gelten, wenn beide Parteien davon ausgegangen sind, dass die objektiv voraussehbare Entwicklung nicht eintreten werde  oder wenn sie insoweit keine Vorsorge treffen konnten

Zu b)

Ist die Leistung also mangelfrei, trägt grds. der Gläubiger das Verwendungsrisiko. Der Käufer kann daher aus § 313 keine Rechte herleiten, wenn er beispielsweise für die gekaufte Ware keine Verwendung hat, wenn ihm z.B. die Gaststätte, für die er Waren bestellt hat, gekündigt wird, oder wenn die Straße, für deren Anlage das Grundstück gekauft worden ist, nicht gebaut wird. Gleiches gilt beim Kauf von Bauerwartungsland, wenn sich die Erwartung der Bebaubarkeit nicht erfüllt.

Zu c)

Hat ein Vertragsteil die entscheidende Änderung der Verhältnisse verschuldet oder in sonst zurechenbarer Weise verursacht, kann er aus der dadurch herbeigeführten Vertragsstörung keine Rechte herleiten.

Hiervon macht die Rechtsprechung allerdings großzügige Ausnahmen, sodass die vom Gläubiger beabsichtigte Verwendung ganz ausnahmsweise doch ein unzumutbarer Umstand der Geschäftsgrundlage sein kann.

Dies ist dann der Fall, wenn dem Vertragspartner die geplante Verwendung bekannt ist und er darüber hinaus an der geplanten Verwendung in irgendeiner Art und Weise teilhat, so dass sein Festhalten an dem Vertrag trotz der aufgetretenen Zweckstörung gegen das Verbot widersprüchlichen Verhaltens verstößt.

Eine Störung der Geschäftsgrundlage ist z.B. angenommen worden beim Kauf von Fertighäusern durch die Versagung der Baugenehmigung (BGH JZ 1966, 409 ), bei der Pacht von Bauland oder wenn der Pächter das Bauvorhaben aus von ihm nicht zu vertretenden Gründen nicht durchführen kann (BGH NJW 1958, 785 ).

Als Rechtsfolge sieht das Gesetz bei einer Störung der Geschäftsgrundlage zwei verschiedene Möglichkeiten vor, die allerdings in einem Stufenverhältnis stehen:

Zunächst besteht nur ein Anspruch auf Anpassung des Vertrages, denn gemäß der gesetzlichen Vorschrift zur Störung der Geschäftsgrundlage kann derjenige Vertragspartner, dem ein Festhalten am Vertrag unzumutbar ist, eine Anpassung des Vertrages verlangen. Diese Anpassung muss der berechtigte Vertragspartner aber gegenüber seinem Vertragspartner geltend machen. Dadurch wird erreicht, dass die Parteien zunächst selbst über die Anpassung verhandeln. Wenn sie sich nicht einigen, kann der Anspruch auf Anpassung in einem Prozess durch eine Klage, die unmittelbar auf die angepasste Leistung gerichtet ist, geltend gemacht werden.

Erst und nur dann wenn  eine Anpassung des Vertrages nicht möglich oder dem anderen Teil nicht zumutbar ist besteht das Recht zum Rücktritt vom Vertrag oder zur Kündigung des Vertrages.

Zusammenfassend bleibt also festzuhalten, dass Verträge grundsätzlich einzuhalten sind, soweit mangelfrei geleistet wird und keine Nichtigkeitsgründe wie Geschäftsunfähigkeit, Formmängel oder anerkannte Irrtümer beim Vertragsschluss vorliegen.

Nur dann, wenn sich Umstände ergeben, welche die für beide Vertragsparteien bei Vertragsschluss erkennbare Geschäftsgrundlage für mindestens eine Vertragspartei unzumutbar werden lässt, kann unter Umständen eine Vertragsanpassung oder eine Vertragsauflösung greifen wenn eine Vertragsanpassung schlicht weg unzumutbar wäre.

Dabei ist zu beachten, dass die Rechtsprechung an die Voraussetzungen der Unzumutbarkeit hohe Anforderungen stellt.   

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