Verstoß gegen Grundgesetz durch Kiels Polizeichef und Staatsanwaltschaft

29. Januar 2016 Thema abonnieren
 Von 
Johnny73
Status:
Frischling
(1 Beiträge, 0x hilfreich)
Verstoß gegen Grundgesetz durch Kiels Polizeichef und Staatsanwaltschaft

Sehr geehrte Teilnehmer dieses Forums.

Durch die Medien überschlagen sich die Nachrichten über die aktuelle Flüchtlingssituation in Deutschland. Die Stimmung ist angeheizt und die gesamtpolitische Entwicklung für zunehmend mehr Beobachter nicht frei von Besorgnis.

Ich selbst bin der Meinung, dass Menschen, die Hilfe benötigen geholfen werden muss. Der Hintergrund meiner Frage ist keineswegs rechtsorientiert, sondern in meinem Wunsch nach "Gleichheit" begründet.

Unter anderem in den Kieler Nachrichten war folgender Artikel zu finden:

Ladendiebstahl ohne Strafe

Die Führung der Polizeidirektion Kiel und hochrangige Vertreter der Staatsanwaltschaft haben sich Anfang Oktober 2015 darauf verständigt, Flüchtlinge ohne Ausweispapiere oder behördliche Registrierung bei „einfachen/niedrigschwelligen Delikten" wie Ladendiebstahl und Sachbeschädigung regelmäßig nicht strafrechtlich zu verfolgen.

Den vollständigen Artikel finden Sie hier:

http://www.kn-online.de/News/Aktuelle-Nachrichten-Kiel/Nachrichten-aus-Kiel/Fluechtlingserlass-Kiel-Ladendiebstahl-ohne-Strafe

Ladendiebstahl und Sachbeschädigung straffrei bedeutet eine Resignation des Rechtsstaates.
Polizei unterliegt dem Strafverfolgungszwang, der hier und nur gegenüber einer dedizierten Personengruppe ausgesetzt wird.

Hier stellt sich mir die Frage ob nicht ein klarer und strafbarer Verstoß gegen das Grundgesetz Artikel3, in diesem Fall insbesondere Absatz 1 und 3 vorliegt, welcher zur Anzeiuge gebracht werden sollte:

Auszug Grundgesetz Art.3,
(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.
(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

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4 Antworten
Sortierung:
#1
 Von 
Rechtschreibung
Status:
Lehrling
(1107 Beiträge, 1207x hilfreich)

Zitat:
Ladendiebstahl und Sachbeschädigung straffrei bedeutet eine Resignation des Rechtsstaates.
Schwachsinn.
Der Rechtsstaat sieht Straffreiheit trotz formal deliktischer Begehung ganz eindeutig vor. Nach Ansicht mancher ist das verfassungsrechtlich sogar zwingend so geboten. Dabei steht es Ihnen natürlich frei, hier Dienstaufsichtsbeschwerde zu erheben.
Zitat:
Hier stellt sich mir die Frage ob nicht ein klarer und strafbarer Verstoß gegen das Grundgesetz Artikel3, in diesem Fall insbesondere Absatz 1 und 3 vorliegt, welcher zur Anzeiuge gebracht werden sollte
Lesen Sie das GG mal ganz bis zum Ende:

Art 103
(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.
(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.
(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.


Ich würde doch meinen, dass nirgendwo gesetzlich bestimmt ist, wie man für einen Verstoß gegen Art 3 bestraft werden kann.

Zu Ihrer Beruhigung:
Auch Sie hätten her keine Kriminalsanktion zu befürchten, wenn Sie ein Päckchen Kaugummi an der Kasse einstecken. Insbesondere würde die Polizei dafür keine Großfahndung lostreten, wenn Ihre Identität nicht zweifelsfrei feststeht. Auch ergeht kein Haftbefehl gegen Sie, wenn Sie den Urlaub in Österreich antreten wollen. Auch diese Verhältnismäßigkeiten sind nach Ansicht so mancher aus dem GG herauszulesen. Einen Verstoß kann ich also nicht ausmachen.

Natürlich können Sie Anzeige erstatten. Dann entscheidet daüber die Staatsanwaltschaft, deren "hochrangige Vertreter" die vermeintliche Straftat begangen haben. Ich würde nur meinen, dass Sie dem Rechtsstaat damit nicht den Gefallen tun, den Sie sich ausmalen.

2x Hilfreiche Antwort

#2
 Von 
wirdwerden
Status:
Unbeschreiblich
(38476 Beiträge, 14009x hilfreich)

Nun kommen wir doch mal auf den Boden der Tatsachen zurück. Was immer da wie verständigt wurde, ist nicht bekannt. Diese "Second hand" Infos, sind in der Regel nicht mal das Papier wert, auf welchem sie geschrieben sind. Aber seis drum. Auch Nicht-Asylanten werden beim ersten Lippenstiftdiebstahl nicht bestraft. Auch nicht beim Klauen von Hundefutter. Oder beim Beinchenstellen. Die einzige Frage hier ist doch, ob man so einen Killefitz noch irgendwo registiert oder aber von vornherein einstellt, einfach weil die Ämter überlastet sind. Also, Sachen einstellt, die später ohnehin eingestellt würden.

wirdwerden

2x Hilfreiche Antwort


#4
 Von 
HeHe
Status:
Richter
(8412 Beiträge, 3774x hilfreich)

Hier eine etwas detailliertere Auseinandersetzung mit dem Thema:

Quelle: Spiegel online Donnerstag, 28.01.2016 – 19:27 Uhr

Kiel: Aufregung um Leitlinie zu kleinkriminellen Flüchtlingen

In Kiel gab es eine Absprache zwischen Polizei und Staatsanwaltschaft: Bei Kleinstdelikten müssen Beamte die Verdächtigen nicht unbedingt erkennungsdienstlich behandeln. Die Ermittler wehren sich gegen Kritik, das Verfahren soll trotzdem nicht mehr umgesetzt werden.


Die Kieler Polizei ist wegen einer Vereinbarung mit der Staatsanwaltschaft zum Umgang mit kleinkriminellen Flüchtlingen in die Kritik geraten. Wie mehrere Medien übereinstimmend berichten, heißt es in der Vereinbarung vom Oktober 2015, dass Ersttäter bei einfachem Ladendiebstahl oder Sachbeschädigung nicht erkennungsdienstlich zu behandeln seien, wenn die Identität nicht klar ist. Zur erkennungsdienstlichen Behandlung gehören etwa Fotos und die Abnahme von Fingerabdrücken.

Die Polizei und das Kieler Innenministerium wiesen den Vorwurf zurück, die strafrechtliche Verfolgung von Flüchtlingen sei damit bei einfachen Straftaten eingestellt worden. "Diese Behauptung entbehrt jeglicher Grundlage und ist falsch", so Polizeidirektor Thomas Bauchrowitz. "In jedem Einzelfall ist eine Strafanzeige erstattet worden."

Die Vereinbarung habe nicht dazu geführt, dass Strafverfahren ausgesetzt oder verzögert worden wären, teilte Innenminister Stefan Studt (SPD) mit. "In jedem Fall sind Strafanzeigen erstellt und strafrechtliche Ermittlungen eingeleitet worden. Sämtliche Fälle sind folgerichtig statistisch erfasst worden."

Wie Polizeidirektor Bauchrowitz auf einer Pressekonferenz sagte, gab es seit der Verfügung etwa 20 dieser Fälle. Als Beispiel nannte er einen Diebstahl im Wert von 9,74 Euro in Kiel. (Ein Video der Pressekonferenz finden Sie hier.)

In der Praxis gebe es Probleme bei straffällig gewordenen Flüchtlingen, die keinen Ausweis oder ein anderes Personaldokument bei sich haben, hieß es in der Oktober-Vereinbarung, die der Nachrichtenagentur dpa vorliegt. "Ein Personenfeststellungsverfahren oder eine erkennungsdienstliche Behandlung scheidet in Ermangelung der Verhältnismäßigkeit und aus tatsächlichen Gründen (Identität kann nicht zeitgerecht festgestellt werden) bei einfachen/niedrigschwelligen Delikten (Ladendiebstahl/Sachbeschädigung) regelmäßig aus."

Wie ein Sprecher der Kieler Staatsanwaltschaft nun erläuterte, sollte das Verfahren nur bei Diebstählen geringwertiger Alltagsgegenstände wie einer Packung Kekse oder einer Mütze greifen. Bei sogenannten höherwertigen Straftaten wie Körperverletzung und besonders schweren Fällen von Diebstahl sollten die Beamten Rücksprache mit der Staatsanwaltschaft
halten. Auch Diebstähle von Waren wie Alkohol oder Parfüm, bei denen Verkaufsabsicht unterstellt werden könnte, sollten ausgenommen bleiben.

In dem Schreiben wurden dem Sprecher der Staatsanwaltschaft zufolge rein vorsorglich bestimmte Abläufe für den Fall einer starken Zunahme bestimmter Kleinstdelikte in Verbindung mit dem Zuzug von Flüchtlingen festgelegt. Faktisch seien diese allerdings so gut wie gar nicht zum Tragen gekommen, weil es keinen signifikanten Anstieg gegeben habe. Das Fallaufkommen sei 2015 genau so hoch gewesen wie 2014.

Als akzeptabel eingestuft

Das Risiko, dass Wiederholungstäter durch Angabe eines anderen Namens im Einzelfall erneut als Ersttäter durchgehen könnten, sei dabei selbstverständlich gesehen worden, betonte er. Es sei in der damaligen Situation aber als "akzeptabel" eingestuft worden.

Es sei darum gegangen, Verlässlichkeit und Handlungssicherheit für die Beamten herzustellen, sagte Bauchrowitz. In Fragen der Verhältnismäßigkeit seien keine anderen Maßstäbe als bei deutschen Tatverdächtigen angelegt worden.

In einer Zeit, in der immer mehr Flüchtlinge nach Deutschland kamen, und eine Prognose über den weiteren Verlauf kaum zu erstellen war, waren die Kieler Ermittler offenbar nicht mehr sicher, welchen kriminalistischen Aufwand sie bei einfachen Delikten wie Ladendiebstahl treiben sollten. Die meisten dieser Verfahren wurden auch schon in der Vergangenheit von den zuständigen Staatsanwaltschaften eingestellt. "Luschen" und "Nieten" nennen Kriminalisten diese Bagatellfälle in ihrem Jargon, die seit Jahren nur verwaltet, aber selten aufgeklärt werden.

In der Praxis habe die neue Regelung aber dafür gesorgt, sagt ein Ermittler zu SPIEGEL ONLINE, dass gar keine Täter mehr überführt werden können. "Wenn Sie nicht wissen, wer jemand wirklich ist und wo er lebt, können Sie ihn auch niemals anklagen." Die Vorschrift sei "ein Schnellschuss" gewesen, mit der kurzfristig Entlastung für die Polizei geschaffen werden sollte.

"Damit war der Fall an sich erledigt"

Die Opposition im Landtag reagierte nach der Veröffentlichung der Vereinbarung mit scharfer Kritik. FDP-Fraktionschef Wolfgang Kubicki sprach von einem unglaublichen Vorgang, der nicht folgenlos bleiben dürfe. "Welches Signal gibt die Polizeiführung in Richtung der von Straftaten Geschädigten aus, wenn sie erklärt, bei bestimmten Gruppen seien diese Schäden hinzunehmen?"

Den jetzigen Stellungnahmen zufolge lief die Kommunikation der Causa unglücklich. Schon am 15. Oktober hatte der Generalstaatsanwalt sich mit den Leitern der Staatsanwaltschaften im Land darauf verständigt, den Kieler Vorschlag nicht umzusetzen. "Damit war der Fall an sich erledigt", sagte der Sprecher der Generalstaatsanwaltschaft, Heinz Döllel. Bei der Kieler Polizei kam das jedoch nicht an. Er wisse erst seit heute morgen, so Bauchrowitz, dass dieses vorläufige Verfahren nicht fortgesetzt werden könne.

Innenminister Studt nannte es bedauerlich, dass die "revidierte Rechtsauffassung der zuständigen Staatsanwaltschaft die Polizeidirektion erst mit Verzögerung erreicht hat".

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