Verschuldensunabhängige Haftung des Vermieters bei eigenmächtiger Wohnungsräumung

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Der Bundesgerichtshof hat gerade eben (Urteil vom 14. Juli 2010 – VIII ZR 45/09) eine Entscheidung zur Haftung des Vermieters bei eigenmächtiger Wohnungsräumung getroffen.

Ein Mieter war für mehrere Monate mit unbekanntem Aufenthalt ortsabwesend und die Mieten wurden dabei für zwei Monate nicht gezahlt. Daraufhin kündigte der Vermieter das Mietverhältnis fristlos. Im weiteren Verlauf öffnete der Vermieter die Wohnung und entsorgte einen Teil der Wohnungseinrichtung; einen anderen Teil der vorgefundenen Sachen lagerte er ein. Gestützt auf ein Sachverständigengutachten hat der Mieter für die ihm nach seiner Behauptung im Zuge der Räumung abhanden gekommene, beschädigte oder verschmutzte Gegenstände daraufhin Schadensersatz verlangt. Die Instanzgerichte wiesen die Klage des Mieters zunächst ab, erst in der Revision vor dem BGH hatte der Mieter Erfolg.

Der unter anderem für das Wohnraummietrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass der Vermieter für die Folgen einer solchen eigenmächtigen Räumung haftet. Die nicht durch einen gerichtlichen Titel gedeckte eigenmächtige Inbesitznahme einer Wohnung und deren eigenmächtiges Ausräumen durch den Vermieter stellen eine unerlaubte Selbsthilfe gemäß § 229 BGB dar. Das gilt selbst dann, wenn der gegenwärtige Aufenthaltsort des Mieters unbekannt und ein vertragliches Besitzrecht des Mieters infolge Kündigung entfallen ist. Der Vermieter muss sich auch in diesen Fällen – gegebenenfalls nach öffentlicher Zustellung der Räumungsklage – einen Räumungstitel beschaffen und aus diesem vorgehen. Übt ein Vermieter stattdessen im Wege einer so genannten "kalten" Räumung eine verbotene Selbsthilfe, ist er gemäß § 231 BGB verschuldensunabhängig zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.

Von dieser Ersatzpflicht wird nach Ansicht des Gerichts insbesondere eine eigenmächtige Entsorgung der in der Wohnung vorgefundenen Gegenstände erfasst. Dies wird damit begründet, dass den Vermieter, der eine Wohnung ohne Vorliegen eines gerichtlichen Titels in Besitz nimmt, für die darin befindlichen Gegenstände eine Obhutspflicht trifft. Da der Mieter von der Inbesitznahme seiner Wohnung nichts weiß und deshalb auch nicht in der Lage ist, seine Rechte selbst wahrzunehmen, gehört zu dieser Obhutspflicht des Vermieters weiter, dass er ein Bestandsverzeichnis aufstellt und den Wert der darin aufgenommenen Gegenstände feststellt. Kommt er dieser Pflicht nicht in ausreichendem Maße nach, muss er die Behauptung des Mieters widerlegen, dass bestimmte Gegenstände bei der Räumung abhanden gekommen oder beschädigt worden seien, und beweisen, dass sie einen geringeren Wert hatten als vom Mieter behauptet.

Die maßgeblichen, vom Bundesgerichtshof im vorliegenden angewendeten Vorschriften lauten:

§ 229 BGB: Selbsthilfe

Wer zum Zwecke der Selbsthilfe eine Sache wegnimmt, zerstört oder beschädigt oder wer zum Zwecke der Selbsthilfe einen Verpflichteten, welcher der Flucht verdächtig ist, festnimmt oder den Widerstand des Verpflichteten gegen eine Handlung, die dieser zu dulden verpflichtet ist, beseitigt, handelt nicht widerrechtlich, wenn obrigkeitliche Hilfe nicht rechtzeitig zu erlangen ist und ohne sofortiges Eingreifen die Gefahr besteht, dass die Verwirklichung des Anspruchs vereitelt oder wesentlich erschwert werde.

§ 231 BGB: Irrtümliche Selbsthilfe

Wer eine der im § 229 bezeichneten Handlungen in der irrigen Annahme vornimmt, dass die für den Ausschluss der Widerrechtlichkeit erforderlichen Voraussetzungen vorhanden seien, ist dem anderen Teil zum Schadensersatz verpflichtet, auch wenn der Irrtum nicht auf Fahrlässigkeit beruht.

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