Verrechnung von Fremdgeldern mit Honorarforderungen durch den Rechtsanwalt

1. März 2016 Thema abonnieren
 Von 
AxelK
Status:
Philosoph
(13041 Beiträge, 4439x hilfreich)
Verrechnung von Fremdgeldern mit Honorarforderungen durch den Rechtsanwalt

Ein fröhliches Hallo an alle, insbesondere in diesem Fall an die hier mit lesenden und schreibenden Rechtsanwälte. Wie beurteilt Ihr folgenden Sachverhalt:

Eine Rechtsanwaltskanzlei betreibt für einen Mandanten mehrere Mandate, die jeweils nichts miteinander zu tun haben, außer dass der Gläubiger (Mandant) jeweils der selbe ist. Unter anderem betreibt die Kanzlei die Zwangsvollstreckung gegen eine Firma im Ausland, konkret in den Niederlanden. Der dortige Gerichtsvollzieher hat eine Ratenzahlungsvereinbarung mit dem Schuldner getroffen, zieht die Raten regelmäßig ein und und überweist an die Anwaltskanzlei. Von dort werden die Fremdgelder aber nicht an den Mandanten weitergeleitet, sondern mit bestehenden (teilweise aber jedenfalls in der Höhe bestrittenen) eigenen Honorarforderungen verrechnet und zwar auch mit solchen aus anderen Mandaten, die mit der Vollstreckungssache nichts zu tun haben.

Mir ist bekannt, dass die Verrechnung von Fremdgeldern mit eigenen Honorarforderungen, auch mit solchen aus anderen Mandaten, grundsätzlich zulässig ist. Aber:

1. Die Kanzlei weigert sich konkret zu benennen, wann und in welcher Höhe Fremdgelder auf deren Konto eingegangen sind. Die von dort erfolgte Angabe eines Gesamtbetrages deckt sich jedenfalls nicht annähernd mit den Angaben des niederländischen Gerichtsvollziehers zu den weitergeleiteten Ratenzahlungen.

2. Verrechnungen werden durch die Kanzlei auch mit bestrittenen Forderungen vorgenommen.

3. Verrechnungen werden auch mit solchen Forderungen vorgenommen, die noch gar nicht fällig, ja noch nicht einmal abgerechnet sind.

4. Die Kanzlei weigert sich auch den Nachweis zu erbringen, oder zumindest darzulegen, dass die Fremdgelder auf einem Anderkonto verwahrt werden. Im Gegenteil, auf die entsprechende Aufforderung teilt die Kanzlei mit, dass formal gesehen, gar keine Fremdgelder vorhanden sind, weil die noch nicht abgerechneten Gebühren den Betrag an Fremdgeld übersteigen.

5. Laut persönlicher Auskunft durch einen der sachbearbeitenden Anwälte ist kurz vor dem 17.02. (Datum des Gesprächs) ein Betrag von dem niederländischen Gerichtsvollzieher eingegangen, der "in den nächsten Tagen" an den Mandanten überwiesen werden sollte. Eine entsprechende Überweisung ist nicht erfolgt. Vielmehr wird heute eine weitere Rechnung erstellt (betragsmäßig deutlich unterhalb des genannten Zahlungseingangs) und in der Rechnung erklärt, der Betrag werde mit dem vorhandenen Guthaben verrechnet.

Für mich (ich bin eigentlich unbeteiligter Dritter, der lediglich als Zeuge bei zwei Gesprächen des Mandanten mit dem Anwalt anwesend war) ist das gesamt Geschäftsgebaren dieser Kanzlei höchst unseriös. Gleichwohl bin ich mir aber eben nicht sicher, an welcher der vorgenannten Stellen die Kanzlei - rein rechtlich - korrekt handelt und an welcher vielleicht auch nicht. Für entsprechende Meinungen, Hinweise und gerne auch Ratschläge zur weiteren Vorgehensweise, bin ich dankbar.

Gruß,

Axel

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8 Antworten
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#1
 Von 
Eidechse
Status:
Senior-Partner
(6998 Beiträge, 3920x hilfreich)

Gemäß § 4 Abs. 2 Satz 6 BORA muss der RA über Fremdgelder unverzüglich, spätestens mit Beendigung des Mandats, abrechnen. Hier müsste man schon sich alle einzelnen Mitteilungen und Rechnungen vornehmen, um beurteilen zu können, ob hier eine ordnungsgemäße Abrechnung erfolgt. Nach Ziffer 3.8.5 der Anlage zur BORA - Berufsregeln der Rechtsanwälte der Europäischen Union (CCBE) muss zudem über den Transfer von Fremdgeldern vom Anderkonto zum Ausgleich von Honoraransprüchen auf ein anderes Konto informiert werden.

Im Übrigen richtet sich die Zulässigkeit der Verrechnung, wohl treffender Aufrechnung, nach den allgemeinen BGB Vorschriften (§§ 387 ff. BGB ). Danach gibt es kein generelles Verbot mit bestrittenen Forderung aufzurechnen.

Im Hinblick auf die Fälligkeit von Honorarforderungen ist es grundsätzlich so, dass der RA Anspruch auf Vorschuss hat. Dann sollte dazu aber eine Rechnung existieren.

Wenn die RAe hier nicht die notwendigen Mitteilungen machen, dann kann ein standeswidriges Verhalten vorliegen. Um das beurteilen zu können, benötigt man jedoch Einzelkenntnisse.

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#2
 Von 
AxelK
Status:
Philosoph
(13041 Beiträge, 4439x hilfreich)

@Eidechse:

Erstmal danke für Deine erste Einschätzung.

Zitat:
Nach Ziffer 3.8.5 der Anlage zur BORA - Berufsregeln der Rechtsanwälte der Europäischen Union (CCBE) muss zudem über den Transfer von Fremdgeldern vom Anderkonto zum Ausgleich von Honoraransprüchen auf ein anderes Konto informiert werden.


Es scheint allerdings derzeit so, dass die eingegangenen Fremdgelder nie auf ein Anderkonto gezahlt wurden, sonder auf dem laufenden Geschäftskonto der Kanzlei verblieben sind, weil der Anwalt ja davon ausgeht, dass formell überhaupt keine Fremdgelder vorhanden sind.

Zitat:
Im Hinblick auf die Fälligkeit von Honorarforderungen ist es grundsätzlich so, dass der RA Anspruch auf Vorschuss hat. Dann sollte dazu aber eine Rechnung existieren.


Von seinem Recht auf Vorschuss macht der Anwalt auch reichlich Gebrauch. Allerdings sind die diesbezüglichen Rechnungen ausnahmeslos bezahlt. Weitere Vorschüsse sind - Stand gestern, 22:00 Uhr - nicht in Rechnung gestellt.

Zitat:
Um das beurteilen zu können, benötigt man jedoch Einzelkenntnisse.


Die ich jedenfalls bis ins letzte Detail derzeit auch noch nicht habe. Klare Aussage des Mandanten mir gegenüber ist allerdings, dass er zu keiner Zeit - mit Ausnnahme der unter Nr. 5 genannten einmaligen mündlichen Auskunft - keinerlei Mitteilungen zu eingegangenen Fremdgeldern erteilt wurden. Trotz wiederholter Aufforderung hierzu.

Gruß,

Axel

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#3
 Von 
Eidechse
Status:
Senior-Partner
(6998 Beiträge, 3920x hilfreich)

So oder so müssen Fremdgelder (erstmal) aufs Anderkonto. Wenn ein RA oder eine Sozietät sauber arbeitet, dann wird dem Gegner oder Gerichtsvollzieher wahrscheinlich auch stets ein "Sammelanderkonto" zumindest angegeben, damit die Zahlungen von vornherein getrennt sind.

Die Argumentation, dass es sich nicht um Fremdgeld handelt, halte ich im Übrigen für Humbug, da sozusagen von der falschen Seite argumentiert. Für die Beurteilung, ob es sich um Fremdgeld handelt, muss man doch von Seiten des Zahlenden das ganze betrachten. Der überweist doch den Betrag nicht zum Ausgleich einer Honorarrechnung des RA sondern um seine Zahlungspflicht gegenüber dem Mandanten zu erfüllen. Sprich das Geld ist nicht für den RA selbst sondern für einem Fremden (Mandanten) bestimmt.

Wenn wirklich die evtl. vorhandenen Schriftstücke nicht ausreichen, um alles transparent zu machen, dann hilft wohl nur wirklich eine konkrete Abrechnung zu fordern und notfalls auch die RAK einzuschalten.

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#4
 Von 
Rechtsanwalt Marc N. Wandt
Status:
Lehrling
(1169 Beiträge, 633x hilfreich)

Es besteht keine Verpflichtung, ein Anderkonto zu unterhalten.

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#5
 Von 
AxelK
Status:
Philosoph
(13041 Beiträge, 4439x hilfreich)

@RA Wandt:

Das mag so richtig sein, wenn Fremdgelder vom Geschäftskonto umgehend an den Mandanten weitergeleitet werden. Wenn das - aus welchem Grund auch immer - nicht der Fall ist, sehen § 43a BRAO und § 4 BORA meines Erachtens sehr wohl die Pflicht zur Führung eines Anderkontos vor. Und hier werden ja Fremdgelder eben gerade nicht umgehend weitergeleitet, sondern mehr oder weniger willkürlich zurückgehalten.

@Eidechse:

Zitat:
So oder so müssen Fremdgelder (erstmal) aufs Anderkonto.


Also so pauschal und grundsätzlich würde ich das jetzt auch nicht sehen. Wenn z.B. heute Geld auf dem Anwaltskonto eingeht und dieser das Morgen oder Übermorgen an den Mandanten weiterleitet, ist es sicherlich nicht erforderlich, dazwischen auf ein Anderkonto zu zahlen. Und die Angabe des laufenden Geschäftskontos gegenüber Schuldnern, dürfte m.E. genau so häufig vorkommen, wie die Angabe eines (Sammel)anderkontos. Wobei es vielleicht auch etwas auf die rechtliche Ausrichtung der Kanzlei und die Häufigkeit der Entgegennahme von Fremdgeldern ankommt.

Gruß,

Axel



-- Editiert von AxelK am 02.03.2016 22:26

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#6
 Von 
wirdwerden
Status:
Unbeschreiblich
(38463 Beiträge, 14009x hilfreich)

Wir haben nachfolgendes Problem, kannte ich von früher auch nicht. Es gibt bei vielen Banken bei "einfachen" Rechtsanwälten (Achtung, bei Notaren ist es anders) nicht mehr das allgemeine Anderkonto. Es kann nur noch zweckbestimmt für einen konkreten Fall eingerichtet werden. Also, vor oder nach Eingang des Fremdgeldes eben für diesen speziellen Fall. Und dann kommen die Abrechnungsketten dazu. Würden die Mandanten etwas disziplinierter zahlen, dann hätten wir gerade bei Großmandanten diese Problematik nicht. Hier hat sich z.B. mal das Finanzamt vehement gegen diese Sammel-Anderkonten gewehrt. Man befände sich im Graubereich der Steuerhinterziehung.

Aus dem Bauch heraus würde ich sagen, einmal im Monat sollte auch mit Fremdgeldern aufgeräumt werden, wenn eben die Verrechnungslage da ist. Und, ganz wichtig, ist die korrekte Abrechnung. Klar, da muss man sich das ganze Aktenpaket auf einen Schlag vornehmen. Schauen, was man zusätzlich zum Honorar als Vorlage an Gerichtskosten geleistet hat. Aber mehr kann man m.E. kaum verlangen. Nur, dass ein Anwalt täglich auf seinen Kontostand schauen muss, sorry, das steht nirgendwo.

wirdwerden

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#7
 Von 
AxelK
Status:
Philosoph
(13041 Beiträge, 4439x hilfreich)

@wirdwerden:

Zitat:
einmal im Monat sollte auch mit Fremdgeldern aufgeräumt werden,


Einmal im Monat dürfte sich aber kaum mit der Pflicht zur unverzüglichen Weiterleitung (die Aufrechnunserklärung würde ich hier mal der Weiterleitung gleichsetzen) vereinbaren lassen. Unverzüglich heisst nach der wohl überwiegenden Rechtsprechung innerhalb von 3 bis maximal 7 Tagen.

Zitat:
Nur, dass ein Anwalt täglich auf seinen Kontostand schauen muss, sorry, das steht nirgendwo.


Auch wenn da nicht von täglich die Rede ist, sieht jedenfalls das Anwaltsgericht Köln das wohl etwas anders:

https://www.haufe.de/recht/kanzleimanagement/fremdgelder-anwalt-muss-geschaeftskonten-regelmaessig-ueberpruefen_222_131874.html

Eine weitere, ähnliche Entscheidung:

https://www.deubner-recht.de/news/details/artikel/auszahlung-von-fremdgeld.html

Gruß,

Axel

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#8
 Von 
wirdwerden
Status:
Unbeschreiblich
(38463 Beiträge, 14009x hilfreich)

Gerade große und wirklich untadelige Anwaltspraxen arbeiten diese Verrechnungsketten wirklich nur einmal im Monat ab. Hinzu kommen ja noch andere Probleme. Aus Gründen des Datenschutzes lehnen viele Praxen Internet-Banking ab. Auch nachvollziehbar. Dies bedeutet, die Auszüge werden entweder auf postalischem Wege übersandt, oder aber sie werden abgeholt. Und das muss nun mal nicht einmal täglich passieren. Man sollte sich nicht an ein paar Gerichtsentscheidungen auf unterster Ebene befassen, sondern sich z.B. da mal bei den Kammern schlau machen. Gerade in Großpraxen kann man nun mal nicht täglich alles abklären. Mir sagte vor einiger Zeit mal der Chef der Praxis, die wir regelmässig mandatieren, er habe an guten Tagen bis zu 700 Buchungen. Und dann kommt noch das Problem dazu, dass viele Überweisungsträger unvollständig ausgefüllt sind, dass nur Teilbeträge überwiesen werden, deren Zuordnung zeitaufwändig ist.

Das ist die praxisnahe Realität. Leider.

Wo ich allerdings überhaupt nicht flexibel bin, das ist die nachvollziebare saubere Abrechnung. Leider gerät gerade das bei jungen Rechtsanwälten immer mehr in Vergessenheit.

wirdwerden

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