Vermögen von Flüchtlingen: Geld gegen Unterkunft?

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Flüchtlinge in Deutschland müssen Geld abgeben, um sich an den Kosten zur Unterkunft zu beteiligen

Der Flüchtlingsstrom stellt Deutschland vor immense Herausforderung, auch finanziell. Warum daher nicht Flüchtlinge an den Kosten beteiligen? Bayern und Baden-Württemberg nehmen den Flüchtlingen daher Vermögen ab. Ist das rechtens? Ist das eine Konfiszierung? 123recht.de spricht mit Rechtsanwalt Ernesto Grueneberg, LL.M über die Abnahme von Flüchtlingsvermögen durch Behörden.

Maßnahme ist Forderung nach Sicherheiten

123recht.de: Herr Grueneberg, Dänemark und die Schweiz haben begonnen, Bayern und Baden-Württemberg ziehen nach: Sie konfiszieren Vermögen von Flüchtlingen. Was sind die Gründe dafür und auf welcher gesetzlichen Grundlage geschieht das?

Ernesto  Grueneberg
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Rechtsanwalt
Fachanwalt für Migrationsrecht
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10707 Berlin
Tel: 030 577 057 75
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Rechtsanwalt Ernesto Grueneberg, LL.M: Ich möchte klarstellen, dass es sich nicht um eine Konfiszierung handelt, sondern um die Forderung von Sicherheiten für die Personen, die nach dem Gesetz berechtigt sind, Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zu erhalten.

Illegal eingereiste Ausländer sind in der Regel leistungsberechtigt. Dies sieht aber wie eine Konfiszierung aus, weil den Betroffenen gerade ohne weitere Ankündigung bei Ankommen in Deutschland Bargeld und Wertgegenstände mittels Anwendung von Verwaltungszwang abgenommen werden. Die Grundlage für ein solches Vorhaben befindet sich in § 7 und § 7a des Asylbewerberleistungsgesetz. Demnach gilt:

Von Leistungsberechtigten kann wegen der ihnen und ihren Familienangehörigen zu gewährenden Leistungen nach diesem Gesetz Sicherheit verlangt werden, soweit Vermögen im Sinne von § 7 Abs. 1 Satz 1 vorhanden ist. Die Anordnung der Sicherheitsleistung kann ohne vorherige Vollstreckungsandrohung im Wege des unmittelbaren Zwangs erfolgen.

Einkommen und Vermögen, über das verfügt werden kann, sind von dem Leistungsberechtigten und seinen Familienangehörigen, die im selben Haushalt leben, vor Eintritt von Leistungen nach diesem Gesetz aufzubrauchen.

Amtshilfe leistet dabei die Polizei.

Verfassungerechtliche Bedenken

123recht.de: Flüchtlinge dürfen also nicht besser gestellt werden als Hartz-IV-Empfänger?

Rechtsanwalt Ernesto Grueneberg, LL.M: Es wird gerade das Gegenteilige behauptet. Gegen die fehlenden Schongrenzen beim Vermögenseinsatz werden daher auch verfassungsrechtliche Bedenken erhoben. Es würde gegen die Eigentumsgarantie (Art. 14 GG), den Gleichheitsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 GG) und das sozialstaatliche Übermaßverbot verstoßen (vgl. Hohm, AsylbLG, § 7 Rn. 36).

Dem wird aber entgegengehalten, dass der Bedarf der auf Dauer in Deutschland lebenden Menschen - also Hartz-IV-Empfänger - sich typischerweise anders darstellt, als der für die im AsylbLG bezeichneten Personen, deren Aufenthaltsrecht noch nicht feststeht, so dass sie mit Sozialhilfeempfängern nicht gleichzustellen sind. Hierin liege der sachliche Grund für eine unterschiedliche Behandlung. Gegen Art. 14 GG verstöße die Pflicht zum vollständigen Vermögenseinsatz nicht, weil er der eigenen Existenzsicherung diene (Wahrendorf in: Grube/Wahrendorf, Kommentar zum SGB XII, § 7 AsylblG, Rn. 13).

123recht.de: Was gilt alles als Vermögen, nur Bargeld? Der Spiegel spricht auch von Goldschmuck.

Rechtsanwalt Ernesto Grueneberg, LL.M: Das ist nicht im Gesetz definiert, aber alles, was einen Wert hat, ist Vermögen. Es hat auch schon Streitigkeiten z.B. gegeben, ob man ein Handy beschlagnahmen darf (VG Düsseldorf 13 K 6469/00, Urteil vom 04.08.2003).

Vermögen wird zur Finanzierung der Flüchtlingsleistungen und Unterkünfte genutzt

123recht.de: Was geschieht mit dem einbehaltenen Vermögen ganz konkret?

Rechtsanwalt Ernesto Grueneberg, LL.M: Es wird verwertet und u.a. für die Finanzierung der Leistungen und Unterkünfte benutzt.

123recht.de: Gibt es einen Selbstbehalt?

Rechtsanwalt Ernesto Grueneberg, LL.M: Aufgrund einer Änderung ab dem 1.1.2015 besteht ein Schonvermögen in Höhe von 200 €.

Das Asylbewerberleistungsgesetz gillt für alle Bundesländer

123recht.de: Gilt das nur für Bayern und Baden-Württemberg oder werden andere Bundesländer nachziehen?

Rechtsanwalt Ernesto Grueneberg, LL.M: Das AsylblG ist Bundesrecht und gilt für alle Bundesländer. Ob andere das so machen werden, bezweifle ich.

123recht.de: Gibt es Möglichkeiten für Flüchtlinge, sich gegen die Abnnahme von Vermögen zu wehren?

Rechtsanwalt Ernesto Grueneberg, LL.M: Ja, über Rechtsmittel, vor allem Klage und Eilschutzantrag.

Der Flüchtling sollte sich an die Behörde wenden, die diese Verfügung erlassen hat und Widerspruch oder Klage erheben (das ist vom Bundesland abhängig).

Die Aussichten sind aber eher schlecht, wenn das Vermögen den Flüchtlingen gehört, da dieses tatsächlich sichergestellt werden kann. Wenn aber das Vermögen einem Dritten angehört, kann dieser sich dagegen wehren.

Es gibt sicherlich keine große Erfahrungswerte, da in der Vergangenheit wenig Gebrauch vom Einzug von Vermögen von Flüchtlingen gemacht wurde. Dies ergibt sich aus der Sinnlosigkeit der Norm. Wenn ein Flüchtling Vermögen hat, ist er von der Hilfe ausgeschlossen. Diese Vorschrift (§ 7a AsylblG) kam in der Vergangenheit in der Praxis nur zum Tragen, wenn eine Erstattung zu erwarten war, damit man diesen Anspruch sichern konnte.

123recht.de: Vielen Dank!

Ernesto Grueneberg, LL.M.
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Migrationsrecht

Tauentzienstr. 7a
10789 Berlin

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Fax.: 030 577 057 75-9
Leserkommentare
von G.Recht am 05.02.2016 16:56:26# 1
Der Einzug von Vermögen zur anschließenden Unterbringung in Lagern hat in D ja schon ein "G''''schmäckle". Zudem versetze man sich in die Situation, auf dubiosen, lebensgefährlichen und kostspieligen Wegen auf der Suche nach Sicherheit diesen Schlag ins Gesicht zu bekommen.

Selbstverständlich ist der Vermögensnachweis und entsprechende Anrechnung auf Leistungen sowohl berechtigt als auch ohne bisherige vergleichbare Erfahrung. Fragwürdig erscheint jedoch die derzeitige Umsetzung.
    
von hartz4hilfe-of.de am 08.02.2016 00:09:36# 2
fragwürdig ist beides.

fragwürdig ist die anlasslose konfiszierung vom vermögen einzelner, um damit leistungen für alle schutzsuchenden zu bezahlen, das dürfte in der tat probleme mit dem grundgesetz geben.

fragwürdig ist aber auch eine von der politik gesteuerte kampagne für die angebliche "einführung" der kostenbeteiligung von asylbewerbern an ihrer unterbringung in notunterkünften.

denn sind flüchtlinge in regulären notunterkünften (also nicht in massenzelten) untergebracht, werden sie selbstverständlich genauso behandelt wie deutsche obdachlose oder japanische touristen: wer einkommen und vermögen über dem sozialhilfe-freibetrag hat, muss seine notunterkunft ganz oder teilweise selbst bezahlen.

das war nie anders, und wer das anders darstellt, scheint dabei keine sehr ehrenwerte ziele zu haben.

was massenunterkünfte, durchgangslager, außer-ornungsrechtliche zeltplätze u.ä. angeht, hier wird es spannend, wie man die tatsächlichen kosten für ein feldbett, die mitbenutzung des gruppenklos und 2 warme mahlzeiten überhaupt ausrechnen will.

letztlich ist noch etwas an der diskussion vollkommen unklar.

bei bewerbern aus serbien und albanien und auch bei den eritrieern, somalis und afghanen ist nenennswertes vermögen praktisch nicht anzutreffen.

die einzige große gruppe von asylbewerbern, bei denen vermögen vorhanden ist, sind die syrer.
die werden ja nun zu 99% anerkannt und landen dann sofort im SGB II. wodurch noch klarer als bei asyl-bewerbern ist, dass hier dann ohnehin die üblichen spielregeln gelten bezüglich der verwendung von vermögen für unterkunft/notunterkunft.

dieser gruppe würde unser staat dann ihr vermögen wegnehmen, weil ER "leider" im schnitt 6 monate braucht, um die anträge endlich mal zu bearbeiten. danach gehen diese menschen, darunter viele hochqualifizierte, ohne jeden pfennig zum jobcenter, um dort zu deutschkursen verpflichtet zu werden.

anstatt dass man ihnen und ihrem geld schnellstmöglichen zugang zu unseren märkten gibt, damit sie leistung bringen und sich hier häuser bauen können.

ein extremer unsinn nicht nur in rechtlicher sondern auch in ökonomischer hinsicht.