Verdachtskündigung: Was Sie als Arbeitgeber und Arbeitnehmer wissen sollten

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Verdachtsmomente, Vertrauensverhältnis, Aufklärungspflicht, Vermutung, Anhörung - welche Voraussetzungen sind an eine Verdachtskündigung durch den Arbeitgeber geknüpft und wann ist sie zulässig?

Gewöhnlich muss dem Arbeitnehmer ein Verstoß gegen arbeitsrechtliche Pflichten nachgewiesen werden, wenn dieser Pflichtverstoß eine Kündigung begründen soll. Man spricht von einer so genannten Tatkündigung. Möglich ist aber auch eine Kündigung aufgrund des bloßen Verdachts einer Pflichtverletzung, also eine Verdachtskündigung. Als Kündigungsgrund reicht dann schon die begründete Vermutung aus, dass ein Arbeitnehmer gegen arbeitsrechtliche Pflichten verstoßen hat, weil etwa ein Diebstahl am Arbeitsplatz im Raum steht und der Arbeitnehmer dessen dringend verdächtig ist. Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht Oliver Kranz klärt im Gespräch mit 123recht.de über Verdachtsmomente und Kündigung auf.

123recht.de: Herr Kranz, was ist eine Verdachtskündigung?

Oliver Kranz
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seit 2005
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht, Fachanwalt für Strafrecht
Kaiserstr. 50
60329 Frankfurt
Tel: 069/682000
Web: http://www.ra-kranz.de
E-Mail:
Verkehrsrecht

Rechtsanwalt Kranz: Kurz gesagt ist eine Verdachtskündigung eine Kündigung, die sich nur auf einen Verdacht der Vertragsverletzung stützt. Eine Verdachtskündigung wird nicht nach einer schuldhaften Pflichtverletzung des Arbeitnehmers ausgesprochen. Es reicht, dass der Gekündigte nur im Verdacht steht, den Vertrag durch z.B. eine Straftat gebrochen zu haben.

Eine Verdachtskündigung basiert meist auf einem Vertrauensverlust des Arbeitgebers. Dabei zieht der Verdacht auf Vertragsbruch eine schwerwiegende Anspannung im Arbeitsumfeld nach sich und macht ein gemeinsames Arbeitsverhältnis unmöglich. Ein vertrauensvolles und zuverlässiges Arbeitsverhältnis zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber wird gebrochen und kann so zu einer Verdachtskündigung führen.

"Die alleinige Verdächtigung ist für eine Verdachtskündigung nicht ausreichend"

123recht.de: Können Verdachtskündigungen auch Unschuldige treffen?

Rechtsanwalt Kranz: Da die Kündigung bei einer Verdachtskündigung nicht auf fundierten Beweisen einer Vertragsverletzung liegt, könnte diese sehr wohl Unschuldige treffen. Auf der einen Seite ist zu bemerken, dass während eines Gerichtsverfahrens das Urteil nach dem Prinzip "in dubio pro reo" fällt: Im Zweifel für den Angeklagten. Der bloße Verdacht einer Straftat reicht vor Gericht nicht aus. Das Gericht handelt im Sinne des Rechtsstaates und demnach nach dem Prinzip der Unschuldsvermutung. Dieses Prinzip führt dazu, einen Angeklagten, der durch Beweise nicht zu überführen ist, für unschuldig zu erklären.

Bei einer Verdachtskündigung handelt der Arbeitgeber allerdings als Privatperson. Der Staat handelt bei der Aufklärung von Straftaten mit der Unterstützung durch z.B. Polizei, Staatsanwaltschaft und eben dem Gericht. Einer einfachen Privatperson stehen solche Mittel meist nicht zur Verfügung. Das macht die Aufklärung von Straftaten im Bezug zu Vertragsverletzungen wesentlich schwieriger. Gleichzeitig wäre es unhaltbar, den Arbeitgeber in die Rechtsordnung zu zwingen und das Prinzip "in dubio pro reo" für einen Arbeitsverhältnis geltend zu machen. Denn ein Arbeitsverhältnis ohne oder mit stark beschädigtem Vertrauen ist unzumutbar.

Daher ist die Möglichkeit einer Verdachtskündigung für einen Arbeitgeber sehr wichtig. Dennoch muss der Verdacht – zwar nicht bewiesen – aber auf "dringenden" oder "erdrückenden" erheblichen Pflichtverletzungen beruhen. Die alleinige Verdächtigung ist für eine Verdachtskündigung nicht ausreichend. Nehmen wir z.B. den Fall einer falschen Spesenabrechnung, die der Arbeitgeber entdeckt. Der Arbeitnehmer gibt nun an, er habe die Spesenabrechnung nicht mit Absicht verfälscht und er bestreitet, dass er sich rechtswidrig bereichern wollte. Nun kommt es auf den Eindruck an, den der Arbeitnehmer mit seinen so genannten "Schutzbehauptungen" erweckt. Sind die Abstreitungen oder Rechtfertigungsversuche plump und damit unglaubwürdig, ist der Verdacht dringend genug, um eine Verdachtskündigung zu erwirken.

123recht.de: Muss der Arbeitgeber den Arbeitnehmer vor einer Verdachtskündigung anhören?

Rechtsanwalt Kranz: Um zu vermeiden, dass die Verdachtskündigung auf einen Unschuldigen fällt, ist der Verdächtige immer anzuhören. Der Arbeitgeber ist dazu verpflichtet, alle Möglichkeiten zu nutzen, um den Verdacht eines Vertragsbruches aufzuklären. Dazu gehört auch, dass der Verdächtige die Möglichkeit hat, den Sachverhalt selbst zu erklären. Die Anhörung des Verdächtigen zum Verdachtsmoment gehört zwingend zu den Aufklärungsversuchen des Arbeitgebers. Das Risiko, einen Unschuldigen zu treffen, soll damit so gering wie möglich gehalten werden.

Verdachtskündigung kann bei zu kurzer Stellungnahmefrist unwirksam sein

123recht.de: Was muss der Arbeitgeber bei der Anhörung beachten?

Rechtsanwalt Kranz: Wichtig ist es vor allem, dass der Arbeitgeber direkt auf den Verdachtsmoment eingeht und den Sachverhalt klar benennt. Der Arbeitnehmer muss genau wissen, worum es geht, unklare Angaben oder ein bloßer Verdacht reichen nicht. Bleiben wir bei der widerrechtlichen Bereicherung durch eine falsche Spesenabrechnung: Der Arbeitgeber muss klar sagen, welche Abrechnung falsch sei. Oder weiter bei dem Verdacht eines Diebstahls: Der Arbeitgeber ist verpflichtet, klar zu benennen, was abhanden gekommen sei.

Weiter sollte der Arbeitgeber bei einer Anhörung beachten, dass der Verdächtige genug Zeit hat, sich zu dem Verdachtsmoment zu äußern. Insbesondere bei Vertragsverletzungen, die länger zurückliegen, sollte der Arbeitgeber im eigenen Interesse eine entsprechende Frist zur Stellungnahme setzen, um den Sachverhalt angemessen aufzuklären. Hat der Arbeitgeber keine oder eine zu kurze Frist gesetzt, kann diese dazu führen, dass die Verdachtskündigung unwirksam wird.

Nützlich ist es auch anzumerken, dass eine Anhörung nicht schriftlich protokolliert werden muss. Die Anhörung des verdächtigen Arbeitnehmers im Rahmen eines Personalgesprächs und die anschließende Anfertigung eines Protokolls reichen aus. Dabei muss das Thema des Personalgesprächs (z.B. der Verdacht des Diebstahles) nicht vorab mitgeteilt werden. Das ist vor allem dann wichtig, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer mit dem Verdachtsmoment konfrontieren möchte. Die Möglichkeit zur Themenkonfrontation durch den Arbeitgeber ist auch vom Bundesarbeitsgericht gestützt (BAG, 2015: Aufforderung zur Anhörung bei Verdachtskündigung).

Auch der Zeitpunkt einer Anhörung spielt eine wichtige Rolle. Nach einem Urteil des BAG (Urteil vom 20.03.2014: 2 AZR 1037/12) ist der Arbeitgeber im Normalfall dazu verpflichtet, mit Anfangsverdacht innerhalb einer Woche die Anhörung auszutragen. Dabei gilt bis zur Anhörung für den Arbeitgeber allerdings keine Zweiwochenfrist zum Ausspruch der Verdachtskündigung als außerordentliche Kündigung (§ 626 Abs.2 Bürgerliches Gesetzbuch - BGB). Zu weiteren Verzögerungen kann es auch kommen, wenn es zu mehrfachen Anhörungen kommt und der Arbeitgeber Zeit benötigt, neuen Hinweisen nachzugehen.

Auch wenn es von Seiten des Arbeitnehmers zu Verzögerungen kommt, wird die Zweiwochenfrist gehemmt. Vor allem durch z.B. Krankheit des Arbeitnehmers und Verdächtigen, der Bitte um eine schriftliche Anhörung oder Beiziehung eines Anwalts kann es zum Aufschub kommen.

Bei Verdachtskündigungen bedarf es keiner Abmahnung

123recht.de: Muss der Arbeitgeber vor einer Verdachtskündigung eine Abmahnung aussprechen?

Rechtsanwalt Kranz: Bei einer Kündigung auf Grund eines Verdachts zur Vertragsverletzung muss keine Abmahnung ausgesprochen werden. Eine Abmahnung wird gemeinhin nur bei einer ordentlichen Kündigung nötig, bei dem ein Fehlverhalten bestätigt ist. Eine Abmahnung zielt darauf ab, eine positive Verhaltensänderung des Arbeitnehmers zu bewirken. Dementsprechend kann eine Abmahnung nur dann gesprochen werden, wenn das Fehlverhalten bewiesen ist. Eine Abmahnung kann dann zu einer verhaltensbedingten Kündigung führen, wenn es wiederum zu einem erneuten erwiesenen Fehlverhalten kommt.

Eine Verdachtskündigung stützt sich allerdings nur auf den Verdacht des Arbeitgebers, nicht auf den erwiesenen Pflichtverstoß des Arbeitnehmers. Dabei geht eine Verdachtskündigung vom Arbeitgeber aus. Dieser mag einen Vertrauensbruch im Arbeitsverhältnis erkennen und sieht dadurch den Arbeitnehmer in seiner Arbeitsposition als nicht mehr tragbar. Auch im Unschuldsfall kann es zu einer ausgeführten Verdachtskündigung kommen, da es sich eben um einen Verdacht handelt, der zwar dringend und erdrückend sein muss, aber den es nicht zu beweisen gilt.

Nur in seltenen Fällen kann eine vorherige Abmahnung bei einer Verdachtskündigung angebracht sein. Vor allem im Bagatellbereich. Also bei kleineren, nicht bewiesenen Pflichtverstößen wie z.B. der Verdacht der Unterschlagung eines kleinen Geldbetrages, um den Arbeitgeber auf den Verdachtsmoment hinzuweisen und abzumahnen. Vor allem wenn der Arbeitnehmer in der Vergangenheit eine ähnliche Abmahnung bei dem Verdacht eines Pflichtverstoßes erfahren hat, kann eine Abmahnung erforderlich sein.

"Verdachtskündigungen werden meist als außerordentliche Kündigungen ausgesprochen"

123recht.de: Wann ist eine außerordentliche Verdachtskündigung zulässig?

Rechtsanwalt Kranz: Nach aktuellem Recht müssen alle der folgenden vier Kriterien erfüllt sein, um eine außerordentliche Verdachtskündigung zu bewirken. Fehlt nur eine der folgenden Voraussetzungen, gilt die Kündigung als wirkungslos:

  1. Zu Anfang ist nochmal zu betonen, dass der Verdacht eines erheblichen Pflichtverstoßen bestehen muss. Die Erheblichkeit kann in einem solchen Maße gemessen werden, dass der Verdacht des Pflichtverstoßes so gravierend und erdrückend ist, dass es zum Vertrauensbruch kommt, dass ein weiteres Arbeitsverhältnis nicht mehr zumutbar ist. Die Konsequenzen des Verdachts zum Vertragsbruch müssen also so belastend für das Arbeitsverhältnis sein, dass der Arbeitgeber nicht auf eine Kündigungsfrist warten kann. Vor allem bei schweren Pflichtverstößen wie z.B. Vermögensdelikte durch schweren Diebstahl, Betrug oder Tätlichkeiten durch (versuchte) Körperverletzung können zu einer außerordentlichen Vertragskündigung führen.

    Wenn der Arbeitgeber auf Verspätungen des Arbeitnehmers oder auf ein nachlässiges Arbeiten verweist, ist eine außerordentlichen Vertragskündigung nicht tragbar, auch nach vorheriger Abmahnung.

  2. Als weitere Voraussetzung muss eine Verdachtskündigung verhältnismäßig sein. Das bezieht sich vor allem auf die Stärke des Verdachts gegen den Arbeitnehmer. Der Arbeitgeber ist im Vorfeld dazu verpflichtet, allen Informationen zum Verdachtsmoment nachzugehen. Der Arbeitgeber soll mit möglichst großer Gewissheit eine Verdachtskündigung aussprechen, auch um das Risiko zu vermindern, dass es einen Unschuldigen trifft. Dabei spielen auch die Anhörungen eine wichtige Rolle. Der Arbeitnehmer muss die Möglichkeit haben, sich zu dem Verdachtsmoment zu äußern und den Sachverhalt zu erklären. Eine Verdachtskündigung ohne vorherige Anhörung wirddementsprechend unwirksam. Abhängig vom Fall kann es auch zu mehrfachen Anhörungen kommen. Vor allem dann, wenn der Arbeitgeber die Aussagen des Verdächtigen prüfen muss, um eventuell den Sachverhalt zugunsten des Verdächtigen aufzuklären.

  3. Die Interessenabwägung spielt als weiteres Kriterium eine wichtige Rolle. Der Verdacht des Arbeitgebers mit dem Interesse der sofortigen Verdachtskündigung steht dabei über dem Interesse des verdächtigen Arbeitnehmers, der das Arbeitsverhältnis weiterführen mag. Dabei ist die Schwere des verdächtigen Pflichtverstoßes äußerst wichtig. Die Schwere des Verstoßes ergibt sich zu einem aus dem entstandenen Schaden und den Konsequenzen. Zum anderen muss aber auch das bisherige Arbeitsverhältnis miteinbezogen werden: die Dauer des Arbeitsverhältnisses, ob es bisher ein problemloser Mitarbeiter war oder ob es schon Abmahnungen oder anderePflichtverstöße in der Vergangenheit gab. Allerdings kann auch der Fall eintreten, bei dem das Interesse des Arbeitnehmers überwiegt. Dies passiert meist bei Pflichtverstößen im Bagatellbereich, also bei kleinen Vermögensdelikten mit geringem Schaden.

  4. Die Zweiwochenfrist gilt bei einer außerordentlichen Verdachtskündigung ebenfalls als unumgänglich. Nach aktueller Rechtsgrundlage (gemäß § 626 Abs.2 Bürgerliches Gesetzbuch, BGB) muss der Arbeitgeber eine außerordentliche Kündigung aus wichtigem Grund innerhalb einer Zweiwochenfrist vorbringen. Die Frist bezieht sich dabei auf den Zeitpunkt, ab dem der Arbeitgeber alle Verdachtsmomente geklärt hat.

Bei der ordentlichen Verdachtskündigung ist die Kündigungsfrist zu wahren

123recht.de: Wann ist eine ordentliche Verdachtskündigung zulässig?

Rechtsanwalt Kranz: Verdachtskündigungen werden meist als außerordentliche Kündigungen ausgesprochen. Ob sich der Arbeitgeber für eine ordentliche Verdachtskündigung entscheidet oder nicht, hängt gewöhnlich von der Schwere des Verdachts ab. Eine ordentliche Verdachtskündigung wird dementsprechend meist mit einer außerordentliche Verdachtskündigung versucht, "hilfsweise" zu erklären. Das kann man als Vorsorge des Arbeitgebers sehen, falls dieser vor Gericht mit einerfristlosen Kündigung nicht durchkommt.

Durch eine ordentliche Verdachtskündigung wird der Arbeitnehmer nicht so sehr belastet, da der Arbeitgeber eine Kündigungsfrist setzt. Im Gegensatz zu einer außerordentlichen Kündigung, die fristlos gilt.

Bei einer ordentlichen oder außerordentlichen Verdachtskündigung hat das Bundesarbeitsgericht klare Linien gesetzt (BAG mit Urteil vom 21.11.2013, 2 AZR 797/11). In diesem Sinne hängt eine ordentliche Verdachtskündigung von den gleichen Voraussetzungen ab wie eine außerordentlichen Verdachtskündigung. Alle vier oben genannten Voraussetzungen einer außerordentlichen Verdachtskündigung sind auch für eine ordentliche notwendig, damit diese rechtskräftig ist. Der einzige Unterschied bleibt, dass der Arbeitgeber die Kündigungsfrist wahrt.

Es kommt oft zu einer außerordentlichen Verdachtskündigung, wenn mit einem schwerwiegenden Verdacht des Pflichtverstoßes die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar wird. Das Abwarten der Kündigungsfrist kann also in schweren Fällen durch eine außerordentliche Verdachtskündigung umgangen werden.

Es ist allerdings nicht der Fall, dass der Arbeitgeber mit einer ordentlichen Verdachtskündigung im Kündigungsschutzverfahren mit einer fristwahrenden Kündigung in einem möglichen Kündigungsprozess besser durch käme. Denn ob mit Kündigungsfrist oder ohne, bleibt eine Verdachtskündigung, sozusagen eine Kündigung mit "geschenkter" Kündigungsfrist als Bonus.

Dennoch kann eine so genannte "höchst hilfsweise" ausgesprochene ordentliche Verdachtskündigung manchmal sehr sinnvoll sein. Vor allem in Bezug zur Fristwahrung, denn eine ordentliche Verdachtskündigung hängt nicht von der Zweiwochenfrist ab (gemäß § 626 Abs.2 BGB). Im Gegensatz zu einer außerordentlichen, die nur innerhalb der Zweiwochenfrist ausgesprochen werden.

Kündigungsschreiben sollte Verweis auf einen Tatverdacht beinhalten

123recht.de: Kann der Arbeitgeber eine Kündigung im Prozess sowohl auf den Tatvorwurf als auch auf einen Verdacht stützen?

Rechtsanwalt Kranz: Das kann der Arbeitgeber in der Tat und dem ist auch zu raten. Die Verdachtskündigung basiert eben lediglich auf dem Verdacht des Arbeitgebers. In einem solchen Fall der verhaltensbedingten Kündigung kann die Stütze auf Tatvorwurf und Verdacht im Kündigungsschutzprozess dem Arbeitgeber sehr nützen. Speziell, um mit den vorgebrachten Argumenten auch das Arbeitsgericht von dem Verdacht des Pflichtverstoßes zu überzeugen: Denn durch den Gerichtsprozess mit regem Argumentationsaustausch und vermeintlicher Beweisvorführung ist es am Ende nicht unbedingt klar, ob der Tatvorwurf gestützt ist. Daher ist es ratsam, neben dem Tatvorwurf auch den Tatverdacht klar auszudrücken. Auch ein schwerwiegender Verdacht ohne bewiesenen Pflichtverstoß gilt als Kündigungsgrund.

Auch wenn ein Kündigungsschreiben nicht unbedingt schon den Verweis auf einen Tatverdacht beinhalten muss, ist dem zu raten. Das Kündigungsschreiben des Arbeitgebers kann ohne nähere Beschreibung erfolgen, wenn z.B. der Arbeitgeber eine Verdachtskündigung aus wichtigem Grund aufsetzt. Es ist für den Arbeitgeber aber sinnvoll, auch im Kündigungsschreiben schon von Beginn an den Verdacht entsprechend einzubinden. Mit einem Satzanhang wie "wegen des Diebstahls an Tag X, hilfsweise wegen des dringenden Diebstahlsverdachts" steht der Arbeitgeber auf der sicheren Seite. Auch ist es sehr wichtig, während eines möglichen Gerichtsprozesses auf den Tatverdacht zu verweisen.

Verschiedene Reaktionsmöglichkeiten auf einen Pflichtverstoß oder dessen Verdacht führen letzten Endes zu vier Kündigungsschreiben des Arbeitgebers:

  1. Fristlose verhaltensbedingte Tatkündigung: Eine außerordentliche Kündigung ohne Kündigungsfrist kann ausgesprochen werden, wenn der Arbeitgeber sich des Pflichtverstoßes sicher ist und der Sachverhalt aus Arbeitgebersicht bewiesen ist.

  2. Fristlose Verdachtskündigung: Im Fall, dass Punkt 1 als unwirksam betrachtet wird, sollte auch eine außerordentliche und fristlose Verdachtskündigung ausgesprochen werden, wenn erheblicher und schwerwiegender Verdacht der Pflichtverletzung besteht.

  3. Ordentliche Tatkündigung: Im Fall, dass Punkt 1 und 2 als unwirksam betrachtet werden, wenn das Gericht den Verdacht z.B. als nicht so schwerwiegend beurteilt, sollte eine fristgemäße verhaltensbedingte Kündigung ausgesprochen werden.

  4. Ordentliche Verdachtskündigung: Im Fall, dass Punkt 1,2 und 3 als unwirksam betrachtet werden, sollte "höchst hilfsweise" eine fristgemäße Verdachtskündigung ausgesprochen werden, wenn der Arbeitgeber von seinem Verdacht überzeugt ist und das Arbeitsverhältnis fristgemäß beendigen will.

Verdachtskündigung ist ohne Anhörung des Arbeitnehmers unwirksam

123recht.de: Was muss der Arbeitgeber bei der Vorbereitung einer Verdachtskündigung beachten?

Rechtsanwalt Kranz: Die Anhörung des verdächtigten Arbeitnehmers ist außerordentlich wichtig. Auch wenn der Arbeitgeber die Vertragsverletzung als bewiesen ansieht und für diesen der Fall eindeutig ist, ist er dazu verpflichtet den Verdächtigen anzuhören, sonst ist die Verdachtskündigung unwirksam.

Gibt es einen Betriebsrat, ist der Arbeitgeber ebenfalls dazu verpflichtet, diesen vor der Kündigungsaussprache anzuhören (gemäß § 102 Betriebsverfassungsgesetz). Dabei ist anzumerken, dass der Arbeitgeber den Betriebsrat zu jeder einzelnen der vier oben genannten Kündigungsschritte anhören sollte. Denn die Anhörung kann ganz unterschiedlich ablaufen: Ob es sich nun um eine ordentliche fristgerechte Kündigung handelt oder eben eine außerordentliche Verdachtskündigung.

Bleiben wir bei dem Beispiel der gefälschten Spesenabrechnung und des damit einhergehenden Bereicherungsversuches des Arbeitnehmers. Der Arbeitgeber wirft dem Arbeitnehmer vor, z.B. falsche Fahrtkostenbelege eingereicht zu haben. Im Vorfeld einer Kündigung hört der Arbeitgeber den Betriebsrat zu dem geplanten Ausspruch einer Tatkündigung, der außerordentlichen Kündigung wegen Betrugs, an. Im folgenden Kündigungsschutzprozess allerdings räumt der Arbeitnehmer ein, dass ihm womöglich ein Fehler bei der Spesenabrechnung unterlaufen sein könnte.

Im späteren Prozess kann der Arbeitgeber allerdings keine Verdachtskündigung mehr aussprechen, da er zu einer solchen den Betriebsrat nicht angehört hat. Eine Verdachtskündigung wird vor Gericht nutzlos, auch wenn der Arbeitgeber immer noch den Verdacht hat, die falsche Spesenabrechnung wäre absichtlich eingereicht worden. Der Betrug ist nicht zu beweisen, damit ist eine Tatkündigung unwirksam und auch eine Verdachtskündigung ist hinfällig: Der Prozess ist für den Arbeitgeber verloren.

Um es ganz deutlich zu sagen: Es ist wichtig, dass der Arbeitgeber den Betriebsrat von allen Verdachtsmomenten, auch den Ergebnissen der Arbeitnehmer-Anhörung, genauestens informiert.

Dem Betriebsrat muss die Möglichkeit gegeben werden, sich ein eigenes Bild von der Rechtsmäßigkeit der geplanten Verdachtskündigung zu machen. Neben dem Miteinbeziehen des Betriebsrates ist es auch wichtig, dass der Arbeitgeber im Kündigungsschreiben klar und deutlich alle vier der verschiedenen in Betracht kommendenKündigungen auflistet.

Die folgenden fünf Schritte sollten bei einer geplanten Verdachtskündigung unbedingt beachtetwerden:

  1. Die genaue Klärung des Sachverhaltes bzw. des Verdachtsmomentes. Hierbei gilt wie erwähnt die Zweiwochenfrist (gemäß § 626 Abs.2 BGB) noch nicht, denn die Aufklärungszeit kann von Fall zu Fall variieren.

  2. Die Anhörung des Arbeitnehmers ist unumgänglich. Dadurch kann sich der Arbeitnehmer zu der Sachlage äußern und der Arbeitgeber kann neuen Hinweisen nachgehen, um die Unschuldsfrage genauer zu beurteilen. Dabei sind folgende Punkte besonders wichtig: Dem Arbeitnehmer sollte eine angemessene Frist zur Aufklärung des Sachverhältnisses vorliegen und jede Anhörung sollte protokolliert werden.

  3. Mit Beendigung der Ermittlungen beginnt nun die Zweiwochenfrist. Ist nach gründlichen Aufklärungsversuchen der Arbeitgeber von seinem Vorwurf bzw. Verdacht überzeugt, muss innerhalb von zwei Wochen eine Kündigung (gemäß § 626 Abs.2 BGB) ausgesprochen werden.

  4. Falls es einen Betriebsrat gibt, ist nun der Zeitpunkt gekommen, diesen miteinzubeziehen. Der Betriebsrat sollte von allen Verdachtsmomenten und von jeder Anhörungen in Kenntnis gesetzt werden, sowie über alle vier Kündigungsschritte informiert werden.

  5. Als letzter Schritt sollte es zum Ausspruch der Kündigung kommen. Dabei ist es wichtig, alle vier Möglichkeiten einer Kündigung (von einer verhaltensbedingten Tatkündigung bis zu einer ordentlichen Verdachtskündigung) vorzubereiten und in das Kündigungsschreiben miteinzubeziehen.

123recht.de: Wann ist eine Verdachtskündigung auf jeden Fall unwirksam?

Rechtsanwalt Kranz: Auch eine Verdachtskündigung kann bei dem Versäumen einfachster Vorbereitungen scheitern und unwirksam werden.

Zum einen sollte wie erwähnt immer der Betriebsrat, falls es einen gibt, miteinbezogen werden. Wird dieser vor Kündigungsausspruch nicht angehört, gilt die Verdachtskündigung als unwirksam.

Unwirksam oder erheblich komplizierter ist auch die Verdachtskündigung von bestimmten Arbeitnehmergruppen wie z.B. Mietgliedern des Betriebsrates, schwangeren oder schwerbehinderten Arbeitnehmern. Hierbei sollten fallspezifische Informationen gesammelten werden, da der Arbeitgeber bestimmte Voraussetzungen beachten muss. Weitere Informationen zu den Kündigungsvoraussetzungen bestimmter Arbeitnehmergruppen gibt es unter "Handbuch Arbeitsrecht: Unkündbarkeit".

Betroffene Arbeitnehmer sollten zwecks kurzer Frist schnell zum Anwalt

123recht.de: Was tun bei Erhalt einer Verdachtskündigung?

Rechtsanwalt Kranz: Erhält man als Arbeitnehmer eine Verdachtskündigung, müssen einige Fragen genau geklärt werden. Zu Anfang stellt sich die Frage: Will man als Arbeitnehmer gegen diese Kündigung vorgehen?

Diese Frage, ob eine Kündigungsschutzklage angemessen ist oder nicht, muss unbedingt innerhalb von drei Wochen nach Kündigungserhalt beantwortet sein (gemäß § 4 Satz 1 KSchG). Verpasst der Arbeitnehmer diese Dreiwochenfrist, ist eine spätere Kündigungsschutzklage nicht mehr möglich und die Kündigung gilt als rechtskräftig gemäß § 7 KSchG).

Dabei sollte innerhalb dieser drei Wochen nicht nur überlegt werden, ob man gegen die Beendigung des Arbeitsverhältnisses angehen will, sondern auch, wie das Arbeitsverhältnis zu Ende gehen soll. Will man eine gute Abfindung aushandeln, so gilt auch die Dreiwochenfrist. Denn ist innerhalb dieser Frist keine Kündigungsschutzklage eingegangen, gibt es meist auch keine Chance mehr auf eine Abfindung.

Wer die Kosten einer Kündigungsschutzklage bei möglichem Prozessverlust scheut, hat verschiedene Möglichkeiten mit einer Verdachtskündigung umzugehen. Als Mitglied in einer Gewerkschaft oder mit einer Rechtsschutzversicherung kann ein Arbeitnehmer meist von deren Seite Hilfe beantragen und riskiert im Prozess finanziell meist nichts. Im Gegenteil, die Möglichkeit, durch eine Klage eine Abfindung auszuhandeln, steigt sogar.

Falls ein Arbeitnehmer keinen Rückhalt durch eine Gewerkschaft oder Rechtsschutzversicherung hat, sollte man sich auf jeden Fall gründlich über die Erfolgsaussichten einer Klage informieren und genau überlegen, ob man klagen möchte oder nicht. Entscheidet sich ein Arbeitnehmer für eine Kündigungsschutzklage, so kann man entweder selbst klagen oder auf eigene Rechnung einen Rechtsanwalt engagieren. Dabei kann es je nach finanzieller Lage sein, dass die Kosten für einenRechtsanwalt sogar vom Staat übernommen werden.

123recht.de: Herzlichen Dank für das informative Gespräch.

Oliver Kranz
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Fachanwalt für Strafrecht

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Kranz Rechtsanwalt

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