Urteil vorläufig vollstreckbar gegen 110% Sicherheitsleistung

26. Mai 2017 Thema abonnieren
 Von 
guest-12328.06.2022 18:42:04
Status:
Praktikant
(770 Beiträge, 247x hilfreich)
Urteil vorläufig vollstreckbar gegen 110% Sicherheitsleistung

Hallo,

Folgende Konstellation:

Urteil (nicht rechtskräftig, da Berufung eingelegt) liegt vor. Streitwert 120.000 EUR. Kläger obsiegt nur teilweise (40.000). Kläger trägt lt. Urteil 70% der Kosten, Beklagter 30%. Urteil vorläufig vollstreckbar gegen Hinterlegung einer Sicherheit i.H.v. 110% des ausgeurteilten Betrages.

Kläger möchte vollstrecken und müßte demnach 40.000 EUR x 110 % als Sicherheit hinterlegen, also 44.000 EUR.

Was muß Beklagter tun, um die Vollstreckung abzuwenden?

1. Selbst Sicherheit hinterlegen in gleicher Höhe, also ebenfalls 44.000 EUR (z.B. Bankbürgschaft)

2. Beklagter ist gleichfalls Gläubiger in Bezug auf seine eigenen Anwaltskosten, da dem Kläger 70% der Verfahrenskosten auferlegt wurden. Kann dieser Betrag bei der vom Beklagten aufzubringenden Sicherheit in Abzug gebracht werden? Das Kostenfestsetzungsverfahren ist noch nicht durchgeführt.

3. Wann muß die Sicherheit des Beklagten erbracht sein? Bevor der Kläger die Vollstreckung betreibt oder braucht der Beklagte die eigene Sicherheit erst beibringen, wenn der Kläger selbst seine Sicherheit erbracht hat?

4. Kann Kläger nur einen Teil der Forderung aus dem nicht rechtskräftigen Urteil vollstrecken, z.B. 20.000 EUR?. Er müßte dann 22.000 EUR Sicherheit hinterlegen. Wie hoch wäre die vom Beklagten zu hinterlegende Sicherheit sein, um eine Vollstreckung zu verhindern? Ebenfalls "nur" 22.000 EUR oder müßte er den vollen Betrag, also 44.000 EUR als Sicherheit bringen?

4. Beklagter hat eigene Forderungen gegen Kläger i.H.v. 70.000 EUR. Diese Forderungen sind allerdings noch nicht gerichtlich festgestellt worden, entsprechende Klage ist eingereicht. Kann Beklagter seine eigene Forderung "benutzen" und ggf. wie, um die Vollstreckung des Klägers abzuwenden?

Schwere Kost, vielleicht kennt sich ja jemand aus in der Materie.

Danke fürs Durchlesen.



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4 Antworten
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#1
 Von 
salkavalka
Status:
Lehrling
(1593 Beiträge, 976x hilfreich)

Stark vereinfacht. Der Kläger hat zwei Möglichkeiten: er kann Sicherungsvollstreckung betreiben, d.h. z.B. ein Konto pfänden. Das Geld wird ihm aber nicht überwiesen, sondern nur gepfändet, so dass weder der Beklagte noch der Kläger darüber verfügen können. Das geht auch ohne Sicherheitsleistung des Klägers (§ 720a ZPO ). Nur die Sicherungsvollstreckung kann der Beklagte durch eigene Sicherheit abwenden.
Leistet der Kläger Sicherheit, kann er auch vollstrecken, im Beispiel also auch die Überweisung des gepfändeten Betrages verlangen. Dagegen kann der Beklagte nichts machen.
Dabei ist es egal, in welcher Reihenfolge Sicherheit geleistet wird. Sobald der Kläger leistet, kann er ganz normal vollstrecken. Sicherheitsleistungen des Beklagten sind dann zurückzugeben (§ 109 ZPO ).

3x Hilfreiche Antwort

#2
 Von 
guest-12328.06.2022 18:42:04
Status:
Praktikant
(770 Beiträge, 247x hilfreich)

Vielen Dank für die Antwort. Gut, knapp und verständlich erklärt.

Noch eine Frage, wie ist folgende Formulierung zu verstehen:

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem jeweiligen Vollstreckungsschuldner bleibt nachgelassen, die vorläufige Vollstreckung abzuwenden, wenn er Sicherheiten in Höhe von ....... EUR leistet, wenn nicht vorher der jeweilige Vollstreckungsgegner Sicherheiten in selber Höhe leistet.

Nach meinem Verständnis dürfte der Vollstreckungsgläubiger doch überhaupt nicht vollstrecken, wenn der Beklagte seine Sicherheit leistet bevor der Gläubiger eine Sicherheit beibringt.

1x Hilfreiche Antwort

#3
 Von 
salkavalka
Status:
Lehrling
(1593 Beiträge, 976x hilfreich)

Geht es in dem Urteil um eine Geldforderung gilt folgendes: Der Gläubiger kann seine Forderung sichern, aber nicht einziehen. Z.B. dürfte bei Kontopfändung das gepfändete Guthaben nicht an den Gläubiger ausgekehrt , sondern müsste hinterlegt werden (§ 720 ZPO ). Das kann der Schuldner durch Erbringung der Sicherheitsleistung abwenden. Zahlt der Gläubiger aber seinerseits Sicherheit, kann er die Forderung auch einziehen. Auch hier ist es wieder egal, in welcher Reihenfolge geleistet wird.
Eine schnelle Erbringung der Sicherheit würde den Beklagten nicht davor schützen, dass der Kläger seinerseits Gegensicherheit leistet und vollstreckt.
Die Unterschiede zwischen Vollstreckung gegen Sicherheit des Klägers und vorläufige Vollstreckbarkeit mit Abwendungsbefugnis des Beklagten sind bei einer Geldzahlung m.E. nicht so groß und spielen sich eher in den Feinheiten der Vollstreckung ab.
In beiden Fällen kann der Kläger ohne Sicherheitsleistung eine Sicherung seiner Forderung erlangen (nur in den Feinheiten etwas anders; im ersten Fall würde z.B. das Guthaben nur gepfändet und blockiert, im zweiten Fall müsste der gepfändete Betrag hinterlegt werden usw.), die Sicherung kann der Beklagte in beiden Fällen durch Leistung einer Sicherheit verhindern (der Obsiegende ist dann ja durch die Sicherheit geschützt und bedarf keiner weiteren Sicherung mehr). Will der Obsiegende seinen Geldanspruch aber nicht nur sichern, sondern sich vor rechtskräftiger Entscheidung bereits befriedigen, kann er das durch Zahlung einer Sicherheit umsetzen.
Interessant ist dann vermutlich eher, in welcher Höhe jeweils Sicherheit zu leisten ist (siehe deine Frage 4. im ersten Beitrag, das wird soweit ich weiß recht unterschiedlich gesehen).
Deutlicher werden die Unterschiede vermutlich, wenn es um etwas anderes als Geld geht (z.B. Herausgabeanspruch), das habe ich jetzt aber nicht weiter verfolgt.

1x Hilfreiche Antwort

#4
 Von 
guest-12328.06.2022 18:42:04
Status:
Praktikant
(770 Beiträge, 247x hilfreich)

Nochmals vielen Dank für die ausführlichen und gut verständlichen Erläuterungen.

Zitat (von salkavalka):

Will der Obsiegende seinen Geldanspruch aber nicht nur sichern, sondern sich vor rechtskräftiger Entscheidung bereits befriedigen, kann er das durch Zahlung einer Sicherheit umsetzen.


Macht das Sinn wenn es in eine Berufung geht? Der Obsiegende müßte schon ziemlich sicher sein, daß das erstinstanzliche Urteil Bestand haben wird.

Geldvermögen etc. wird der Schuldner ja beiseite schaffen, Grundvermögen ist meistens schon oder immer noch belastet, also wird es bestenfalls zweitrangige Zwangshypotheken geben. Die Versteigerung eines Hauses geht ja auch nicht von heute auf morgen.

0x Hilfreiche Antwort

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