Urlaubsanspruch beim Wechsel von Vollzeit in Teilzeit

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Beim Wechsel von Vollzeit in Teilzeit reduziert sich der Resturlaub aus dem Vorjahr sofort mit der neuen Arbeitszeit. Dies entspricht der bisherigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG). Ganz anders hat nun der Europäische Gerichtshof (EuGH, 22.4.2010, C-486/08) entschieden. Eine nachträgliche Umrechnung von Urlaubsansprüchen, die ein Mitarbeiter in einer Zeit der Vollzeitbeschäftigung erworben hat, ist danach nicht zulässig. Auch wenn die Entscheidung eine österreichische Arbeitnehmerin betraf, ist zu beachten, dass die Entscheidungsgründe direkt auf die deutsche Gesetzlage und Rechtsprechung zu übertragen ist. Von diesem Urteil insbesondere betroffen sind Arbeitnehmer/innen, die Mutterschutz und/oder Elternzeit in Anspruch nehmen, da in der Regel im Anschluss an die Elternzeit eine Teilzeitbeschäftigung aufgenommen wird, aber auch alle anderen Arbeitnehmer, die von Vollzeit auf Teilzeit wechseln.

Um sich bewusst zu machen, welche Folgen die Entscheidung des EuGH nach der überwiegenden Literaturansicht für bestehende Arbeitsverhältnisse hat, folgende Beispiele:

Beispiel 1:

Der bisher vollzeitbeschäftigte Arbeitnehmer hat bei fünf Arbeitstagen pro Woche Anspruch auf 30 Urlaubstage pro Jahr. Ab dem 01.01.2011 wird seine Arbeitszeit auf drei Tage pro Woche reduziert, so dass er ab dem Kalenderjahr 2011 Anspruch auf 18 Urlaubstage pro Jahr (30 : 5 x 3) hat. Das entspricht – wie zuvor – 6 Wochen Urlaub. Hierbei stellte sich die Frage, was geschieht, wenn er 2010 von den ihm zustehenden 30 Urlaubstagen nur 20 Tage nehmen konnte, sodass 10 Tage (= 2 Wochen) Resturlaub bleiben, die in das Jahr 2011 übertragen werden.

Das BAG kam hier zu dem eindeutigen Ergebnis, dass die 10 Tage auf die neue Arbeitszeit umgerechnet werden. Dem Arbeitnehmer verbleiben damit für 2011 noch 6 Tage (10 : 5 x 3) Resturlaub aus 2010 (BAG, 28.4.1998, 9 AZR 314/97). Es bleibt also bei 2 Wochen Resturlaub.

Nach Auffassung des EuGH ist eine nachträgliche Umrechnung von Urlaubsansprüchen, die ein Mitarbeiter in einer Zeit der Vollzeitbeschäftigung erworben hat, jedoch nicht zulässig. Im Beispiel stehen dem Mitarbeiter für 2010 also noch 10 Arbeitstage als Resturlaub für 2011 zu. Bei 10 Tagen Resturlaub und Reduzierung von fünf auf drei Tage pro Woche werden daher zukünftig aus zwei mehr als drei Wochen Resturlaub.

Beispiel 2:

Ein vollzeitbeschäftigter Arbeitnehmer (5-Tage-Woche) wechselt ab 1.7.2010 in die 3- Tage-Woche. Der Urlaubsanspruch für Vollzeitkräfte beträgt 30 Tage pro Jahr. Davon stehen dem Arbeitnehmer 15 Tage für die Zeit bis 30.6.2010 zu. Die verbleibenden 15 Tage für die 2. Jahreshälfte werden entsprechend der nun geringeren Arbeitszeit umgerechnet auf 9 Tage (15 : 5 x 3). Damit stehen dem Arbeitnehmer für das Kalenderjahr 2010 24 Tage (15 9) Urlaub zu. Ob sie diese in der 1. oder 2. Jahreshälfte nimmt, spielt in Anwendung des Urteils des EuGH rechtlich keine Rolle.

Es wird abzuwarten sein, wie das BAG in Zukunft ähnlich gelagerte Fälle entscheiden wird, da es sich letztendlich um eine Besserstellung teilzeitbeschäftigter Arbeitnehmer handelt. Zudem berechnet sich der Urlaubsanspruch in Österreich nicht nach Tagen (wie in Deutschland) sondern nach einem Stundenkontingent, so dass abzuwarten bleibt, ob die erste Euphorie am Ende gerechtfertigt ist. Aufgrund der unklaren Rechtslage und der überwiegenden Literaturmeinungen lohnt hier eine Geltendmachung von Ansprüchen in jedem Fall.