Unterhaltsanspruch volljähriger Kinder - wann ist "Schluss mit lustig"?

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Grundsätzlich schulden Eltern ihrem volljährigen Kind Unterhalt bis zum ersten Abschluss einer Berufsausbildung oder eines Studiums.  Problematisch wird die Situation für viele Eltern dann, wenn sie feststellen müssen, dass der Nachwuchs nicht wirklich darum bemüht ist, eine Ausbildung oder ein Studium zielstrebig zu betreiben. Oft wird nach ergebnislosen Gesprächen mit dem Kind die Frage an den Rechtsanwalt herangetragen, wie lange man denn nun dem Nachkömmling noch Unterhalt schuldet, wenn dieser eine Ausbildung nach der anderen abbricht oder offensichtlich gar nicht gewillt ist zu arbeiten.

Nach § 1610 Absatz 2 BGB wird Unterhalt bis zum Abschluss einer ersten Berufsausbildung geschuldet. Dabei müssen jedoch auch die finanziellen Möglichkeiten der unterhaltspflichtigen Eltern berücksichtigt werden. Diese schulden dem volljährigen Kind keine ihnen wirtschaftlich nicht zumutbare Ausbildung. Es besteht also kein Anspruch darauf, dass Vater und Mutter sich verschulden und ihren wirtschaftlichen Ruin riskieren, um dem Nachwuchs beispielsweise eine kostenpflichtige Ausbildung zur Ergotherapeutin an einer Privatschule zu finanzieren.

Thomas Zimmlinghaus
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Ein häufiger Streitpunkt ist der Abbruch einer Berufsausbildung und daraus resultierende Arbeitslosigkeit. Das OLG Nürnberg hat hierzu festgestellt, dass grundsätzlich der Unterhaltsanspruch als verwirkt anzusehen ist, wenn ein volljähriges Kind die Ausbildung abbricht, sich aber keine neue Arbeitsstelle sucht und nun arbeitslos ist. Das Risiko der Arbeitslosigkeit bei Abbruch einer Ausbildung haben also nicht die Eltern zu tragen. Unterhalt wird in einem solchen Fall nur für eine angemessene Übergangszeit geschuldet. Dabei stellt die Frage nach der Angemessenheit stets eine Einzelfallentscheidung dar, die die genauen Umstände und Gründe des Abbruchs berücksichtigen muss.

Unterhalt wird dem volljährigen Kind grundsätzlich nur bis zum Erreichen eines ersten berufsqualifizierenden Abschlusses geschuldet.  Der Nachwuchs darf aber nicht eine permanente Unterhaltsverpflichtung der Eltern herbeiführen, indem ständig Ausbildungen abgebrochen werden, um anschließend direkt wieder neue zu beginnen oder nach Beendigung der Ausbildung eine weitere Ausbildung zu beginnen. Unterhalt wird grundsätzlich nur für eine, nicht für mehrere Ausbildungen geschuldet. Anders kann es sich verhalten, wenn sich ein Studium an die Lehre anschließen soll, um eine bessere Qualifikation erreichen zu können. Hier muss aber der inhaltliche Zusammenhang zwischen Lehre und Studium gegeben sein, so zum Beispiel bei einer Banklehre und einem anschließenden BWL-Studium. Wer nach dem Abitur aber beispielsweise eine Lehre als Industriekaufmann absolviert und anschließend Tiermedizin studieren möchte, wird regelmäßig nicht von seinen Eltern verlangen können, dass diese das Studium finanzieren.

Der Unterhaltsanspruch des Kindes ist aber nicht grundsätzlich als verwirkt anzusehen, wenn lediglich einmal eine Ausbildung abgebrochen wird, sofern die Gründe dafür sachlich nachvollziehbar sind. Der Gesetzgeber billigt es einem jungen Menschen zu, sich mindestens einmal zu irren, was den Wunsch oder das Ziel einer Ausbildung angeht. Eine einmalige Umorientierung wird also nicht dazu führen, dass Eltern keinen Unterhalt mehr schulden. Ob dies auch noch gegeben ist, wenn ein volljähriges Kind bereits die zweite Ausbildung abbricht, ist dagegen fraglich. Hier hat das Kind grundsätzlich seine Obliegenheit verletzt, die Ausbildung zielstrebig zu absolvieren, um möglichst bald wirtschaftlich unabhängig von den Eltern zu sein. Hier kann der Anspruch auf Unterhalt schon wegen des Verstoßes gegen das Gegenseitigkeitsprinzip verwirkt sein, wenn nicht außergewöhnliche Umstände einen nochmaligen Wechsel des Ausbildungsziels begründet erscheinen lassen.

Studenten können von ihren Eltern Unterhalt verlangen, solange die durchschnittliche Studiendauer  nicht wesentlich überschritten wird. Die durchschnittliche Studiendauer kann aber hier nur ein grober Anhaltspunkt sein. So hat das OLG Koblenz entschieden, dass auch eine Studentin im 16. Fachsemester noch unterhaltsberechtigt ist, wenn sie ihr Studium nachweisbar zielstrebig betrieben hat, das Grundstudium sehr schnell absolviert hat, ihre Eignung durch entsprechende Noten nachgewiesen hat und in erster Linie wegen mehrfacher schwerer Krankheit daran gehindert worden ist, das Studium zügig zum Ende zu bringen. Auch Studenten billigt der Gesetzgeber eine gewisse Umorientierungsphase zu. So wird ein Fachwechsel in den ersten drei Semestern im Regelfall nicht dazu führen, dass der Unterhaltsanspruch als verwirkt anzusehen ist. Für eine Promotion wird aber regelmäßig kein Unterhalt geschuldet. Nach Beendigung des Studiums müssen junge Akademiker nach einer Bewerbungsfrist von drei Monaten ein Beschäftigungsverhältnis antreten. Über diese Frist hinaus schulden Eltern keinen Unterhalt mehr.

Lehrlinge, die während ihrer Ausbildung Geld verdienen, müssen sich ihr Gehalt auf die Unterhaltsverpflichtung der Eltern anrechnen lassen. Gelegentliche Nebenjobs von Studenten gelten in der Regel als überobligatorisch und wirken sich deswegen meist nicht auf den Unterhalt aus. Dies kann sich in Ausnahmefällen aus Billigkeitsgründen anders verhalten, wenn beispielsweise ein Student durch eine Nebentätigkeit sehr hohe Einkünfte erzielen würde.

Geschiedene sollten beachten, dass nach dem 18. Geburtstag des Kindes nunmehr beide Elternteile barunterhaltspflichtig sind. Eine Mutter, die bisher Naturalunterhalt in Form von Erziehung und Unterbringung geleistet hat, muss jetzt also ebenfalls finanziell für den Nachwuchs aufkommen, sofern ihr Verdienst dies ermöglicht. Ein eventuell schlechtes oder faktisch nicht existentes Verhältnis zum Vater berechtigt diesen nicht, dem volljährigen Kind den Unterhalt zu streichen. Dies gilt auch dann, wenn der Unterhaltsberechtigte abgesehen vom Finanziellen keinen Kontakt zum Vater haben will.