Unfall durch Unaufmerksamkeit

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Vollkaskoversicherung muss grobe Fahrlässigkeit beweisen

Ein Fahrer, der infolge kurzer Unaufmerksamkeit von der Fahrbahn abkommt und dabei einen Unfall verursacht, handelt häufig grob fahrlässig. „Aber nicht immer!" entschied nun das Oberlandesgericht Hamm und gab damit einem Autofahrer Recht, der aufgrund eines kurzen Blicks auf den Beifahrersitz die Kontrolle über sein Fahrzeug verloren hatte und daraufhin gegen einen Baum geprallt war. Ein solches Verhalten stellt noch keine grobe Fahrlässigkeit dar, urteilten die Richter. Die Vollkaskoversicherung muss daher auch in diesem Fall in voller Höhe für den Schaden aufkommen.

Der Fall

Thilo Wagner
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In einem Verfahren vor dem Landgericht Arnsberg, welches später durch das Oberlandesgericht Hamm als Berufungsinstanz fortgeführt wurde, nahm ein Autofahrer seine Versicherung nach einem selbstverschuldeten Unfall auf Zahlung in Anspruch. Der Fahrer des Pkw war morgens auf einer schmalen unbefestigten Landstraße mit 90 km/h unterwegs gewesen. Nach dem Durchfahren einer Linkskurve wollte er durch einen kurzen Kontrollblick auf den Beifahrersitz nachprüfen, ob er alle notwendigen Sachen dabei hatte. Dabei führte er ungewollt eine Lenkbewegung nach rechts aus und kam von der Fahrbahn ab. Das Fahrzeug erlitt beim Aufprall auf einen Baum einen Totalschaden. Der Versicherer verweigerte die Regulierung des Schadens, da er dem Fahrer des Pkw grobe Fahrlässigkeit vorwarf. Außerdem habe der Fahrer nicht bloß auf dem Beifahrersitz geschaut, sondern etwas vom Fußbodenraum aufgehoben und dadurch den Unfall verursacht.

Das Landgericht Arnsberg ließ zunächst durch ein Sachverständigengutachten klären, ob der vom Fahrer vorgetragene Unfallhergang das Geschehen plausibel erklärte. Der Sachverständige kam zu dem Ergebnis, dass ein kurzer Kontrollblick nicht als alleinige Ursache für das Abkommen von der Fahrbahn in Frage komme. Allerdings gab das Landgericht Arnsberg dem Fahrer dennoch Recht und verneinte das Vorliegen grober Fahrlässigkeit. Dieses Urteil wollte die Versicherung als Beklagte nicht akzeptieren und legte hiergegen Berufung ein.

Das Urteil des Oberlandesgerichts Hamm (Urteil vom 07.02.2007, 20 U 134/06)

Das Berufungsgericht bestätigte die Rechtsauffassung des Landgerichts Arnsberg. Es führte aus, dass ein kurzer Kontrollblick anders als etwa das Aufheben von Gegenständen im Fußraum nicht per se als sorgfaltswidrig anzusehen sei. Dies gelte selbst dann, wenn das Abkommen von der Fahrbahn durch den Fahrer nicht plausibel erklärt worden sei.

In der Entscheidung führte das Gericht aus, dass gem. § 61 VVG grundsätzlich der Versicherer darlegungs- und beweisbelastet für den Schuldvorwurf der groben Fahrlässigkeit ist. Der Versicherungsnehmer hat allerdings die ihn entlastenden Tatsachen näher darzulegen. Wenn ein Versicherungsnehmer nicht in der Lage ist, einen plausiblen Grund für das Abkommen von der Fahrbahn anzugeben, führt dies trotzdem nicht zu einer Beweislastumkehr. Den Beweis dafür, dass der Fahrer sich achtlos gebückt habe, hatte die Versicherung nicht erbringen können. Das Gericht berücksichtigte zudem, dass es sich um eine schmale Fahrbahn mit unbefestigtem Randstreifen gehandelt hatte. Zudem hatte die Lenkbewegung nicht länger als eine Sekunde gedauert. Aus diesem Fahrfehler konnte dem Kläger aber nicht der Vorwurf eines schlechthin unentschuldbaren Verstoßes gegen seine Sorgfaltspflichten gemacht werden.

Das Fazit

Die Vollkaskoversicherung zahlt bei selbst verschuldeten Unfällen oder wenn der Unfallverursacher nicht zu ermitteln ist. Nur in Fällen grober Fahrlässigkeit und bei Vorsatz kann sie die Übernahme des entstandenen Schadens verweigern. Die Beurteilung der Rechtsfrage, ob ein Fall der groben Fahrlässigkeit vorliegt, ist dabei oft schwierig. Die Umstände des Einzelfall sind jeweils genau zu ermitteln. Eine juristische Beratung schon vor der Meldung des Schadens an die Versicherung schützt vor übereilten und falschen Angaben und sichert so eine reibungslose Regulierung.

Hat die Vollkaskoversicherung ihre Leistung bereits verweigert, sollte diese Entscheidung unter Beachtung der aktuellen Rechtsprechung nochmals genau überprüft werden. Hierbei hilft Ihnen Ihr Anwalt im Verkehrsrecht- schnell, verlässlich und effektiv.

Der Autor ist Sozius der Rechtsanwaltskanzlei Wagner Halbe Rechtsanwälte in Köln und berät private Mandanten und Unternehmer in allen Fällen des Verkehrsrechts. Bei Anregungen oder Fragen zu diesem Themenkomplex können Sie eine unverbindliche E-Mail direkt an die Adresse info@wagnerhalbe.de senden. Weitere Informationen erhalten Sie auf der Internetseite www.wagnerhalbe.de/Verkehrsrecht.html oder auf diesem Portal.

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